Ein Traum: Pinke Panther teilen Regenbögen aus

Super Safe Space Wenn sich die Angriffe auf CSD-Paraden häufen, sollten queere Menschen an Selbstverteidigung denken, findet unser Autor
Ausgabe 05/2023
Was tun gegen die zahllosen Fälle queerfeindlicher Gewalt?
Was tun gegen die zahllosen Fälle queerfeindlicher Gewalt?

Foto: Imago/Reichwein

Quizfrage: Was haben Münster und Karlsruhe, Augsburg und Bamberg, Coburg und Berlin, Dresden und Lübeck sowie Dortmund und Stuttgart gemeinsam – jenseits der Tatsache, dass diese Städte in Deutschland liegen? Die richtige Antwort: In diesen zehn Städten wurden im vergangenen Jahr CSDs und queere Pride-Festivals von Queerhasser*innen angegriffen. Bei einem dieser Angriffe – wahrscheinlich der einzige, an den Sie sich erinnern – wurde Malte umgebracht. Ein junger trans Mann, der sich als Ordner des Münsteraner Events schützend vor eine Gruppe Lesben stellte, die von einem Queerhasser angepöbelt wurde.

Daraus folgt: Queere Safe Spaces sind in Deutschland nicht mehr sicher. Vielleicht waren sie es nie, aber ich glaube nicht, dass der derzeit allenthalben messbare Anstieg antiqueerer Gewalt nur ein statistisches Artefakt der Tatsache ist, dass die Polizei langsam besser darin wird, antiqueere Gewalt als solche auch zu registrieren. Genau wie die Gewalt gegen Klimaaktivist*innen ansteigt, so steigt sie auch gegen queere Menschen, allen voran gegen unsere trans Geschwister.

Ich könnte angesichts dieser Tatsachen jetzt wieder einen rhetorischen Veitstanz mit den gleichen verbalen Zuspitzungen wie in der Klimadebatte aufführen („Dummschland, *mach endlich mal fucking Klimaschutz“), weil es natürlich eine absolut widerliche Sauerei ist, a, dass so eine Scheiße so häufig und an so vielen Orten passiert, und b, dass die Polizei offensichtlich nicht willens oder in der Lage ist, queere Safe Spaces effektiv zu schützen. Im Fall des CSD den sicheren Raum, den wir aufbauen, um die militante Verteidigung der zum queeren Ur-Safe-Space gewordenen Stonewall Bar in New Yorker Greenwich Village zu feiern. Aber warum sollte ich diesen Veitstanz aufführen?

Bringt ja beim Klima auch (fast) nix, und ich bin heiser vom Politische-Beleidigungen-Schreien. Nein, dieses Land an seine Verantwortung zu erinnern, das kann nur vom politischen Zentrum aus gemacht werden, nicht von den Rändern. Don’t worry, Deutschland, ich werde nicht schon wieder von dir etwas fordern, was du nicht einhalten kannst; ich werde nicht verurteilen, since you clearly don’t give a fuck. Ich möchte viel lieber als Queer mit anderen Queers sprechen, darüber, wie wir uns selbst verteidigen können.

Um nach Münster, nach Orlando, nach Oslo die Notwendigkeit queerer Selbstverteidigung einzusehen, braucht es keinen Background im militanten Linksradikalismus, braucht es nicht unbedingt jahrelange Erfahrung damit, wie sehr soziale Bewegungen im Aufbau und der Verteidigung von Räumen Stärke entwickeln können (hust, Lützerath, hust), braucht es eigentlich nur ein Verständnis dieser Tatsachen: Die Gewalt gegen Queers, vor allem gegen trans Menschen, wird überall ansteigen, weil sie ein Feature der rechten Welle ist, die von Indien bis Brasilien die Welt zu überfluten droht und auch Deutschland schon lange erreicht hat. Die Verteidigung der Queers kann nur das Werk der Queers selbst sein. Daher, liebe Queers: Lasst uns über queere Selbstverteidigung reden. Ich würde unsere kommende, im Wortsinne schlagkräftige Organisation gern „Pink Panthers“ nennen. Diese Form der Selbstverteidigung gab es bereits unter diesem Namen im New York der 1990er Jahre, als schwule Einsatztruppe gegen homophobe Übergriffe. Queerhassende sollen es sich in Zukunft zweimal überlegen, eine queere Person anzugreifen, und es dann nicht tun – weil sie wissen: Queers können sich verteidigen. Und wo die hinschlagen – da wachsen Regenbögen raus.

Tadzio Müller schreibt auch den Newsletter für Klimagerechtigkeit und gegen den Normalwahnsinn: friedlichesabotage.net

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