Ist es das? Ist es das Beste, was westliche Führer tun können, wenn es kurz vor zwölf ist? Vor Tagen spendete US-Präsident Joe Biden bei einem siebenstündigen Besuch in Israel Mitgefühl und Dollars. Geringe Mengen Hilfsmittel fließen nach Gaza, inzwischen sind vier von mehr als 200 Geiseln frei. Aber es gibt keine Waffenruhe, keine „humanitäre Pause“, kein Ende der Bombardements, keinen langfristigen Plan – stattdessen eine widerstrebende, aber nichtsdestotrotz beschämende Zustimmung des Westens zu einem allumfassenden Militärangriff auf Gaza. Sein verständliches, aber unerreichbares Ziel ist die dauerhafte Ausschaltung der Hamas. Da über 5.000 Palästinenser bereits tot sind, bräuchte Benjamin Netanjahu
ahu eigentlich eine „Rote Karte“. Stattdessen hat er grünes Licht bekommen.Die Verwirrung, die Zurückhaltung und die Unsicherheit im Westen angesichts der sich anbahnenden Katastrophe sind bestürzend. Besucher wie Rishi Sunak und Olaf Scholz posierten vor Ort eher für das Publikum zu Hause und machten – abgesehen von sanften Mahnungen zur Zurückhaltung – bei Netanjahu mit. Im UN-Sicherheitsrat, dem zerzausten Hüter des Völkerrechts, unterstützten Frankreich und andere einen Resolutionsentwurf Brasiliens, der forderte, die Feindseligkeiten einzustellen und den israelischen Evakuierungsbefehl für den Norden Gazas aufzuheben. Aber die USA legten ihr Veto ein und erklärten, das würde Israel die Hände binden.Gewiss wird hinter den Kulissen viel Diplomatie betrieben. Die größte Angst besteht darin, dass die libanesische Hisbollah im Fall einer israelischen Bodenoffensive eine zweite Front eröffnet und eine um sich greifende Instabilität den Irak und Syrien erfasst. Bidens Versprechen, Israel mehr Waffen zu liefern, verärgert die muslimische Welt. Niemand, nicht einmal der US-Präsident, weiß, worin Netanjahus Plan für die Zeit nach dem Krieg besteht. Was daran liegt, dass es mit ziemlicher Sicherheit keinen gibt.Die Terroranschläge vom 7. Oktober, bei denen 1.400 Israelis ums Leben kamen, waren fürchterlich. Nur wenige bestreiten, dass Israel einen rechtlichen und moralischen Anspruch hat, sich dagegen zu verteidigen. Aber arabische Führer, die den Zorn ihres Volkes fürchten, haben recht, wenn sie sagen, dass eine kollektive Bestrafung von Zivilisten falsch ist. Auch die UNO fordert einen Waffenstillstand. Bleibt der weiter aus, sind erneute Tragödien wie die im Al-Ahli-Krankenhaus unvermeidlich. Eine „ruhige und maßvolle“ Gaza-Invasion, wie teils suggeriert wird, gibt es nicht.Joe Biden als Friedensvermittler im Nahostkonflikt disqualifiziertWas kommt danach? Hohe israelische Beamte räumen ein, dass sie darüber noch diskutieren. Eine erneute Besetzung sei kein Ausweg. Die unabhängige Organisation International Crisis Group stellt fest: „Ohne umfassende politische Veränderungen wird es unmöglich sein, Gaza nachhaltig von allen Erscheinungsformen dessen zu befreien, was die Israelis als Terrorismus betrachten, was aber von vielen Palästinensern als Widerstand gesehen wird.“ Wer also könnte Gaza regieren, vorausgesetzt, die Hamas wäre tatsächlich endgültig geschlagen? Ein von der UNO ernannter Administrator, der von Friedenstruppen gestützt wird? Eine Art internationaler Hoher Repräsentant wie in Bosnien? Vermutlich wird die Kontrolle wieder an die Palästinensische Autonomiebehörde zurückgegeben, die 2007 vergeblich versucht hatte, die Hamas in Gaza zu stürzen. Aber diese Behörde ist schwach und unbeliebt. Zunächst einmal müsste ihr Präsident Mahmud Abbas Platz für neue gewählte Führer machen.Unklar ist, wie viel Einfluss westliche Staatschefs auf eine Nachkriegsregelung ausüben können. Bidens bedingungslose Unterstützung für Israel disqualifiziert ihn als Friedensvermittler. Die Arabische Liga will wieder Gespräche zur Gründung eines palästinensischen Staates, aber mehr denn je lehnt Israel dies ab.Joe Biden sind seit seiner Amtsübernahme 2021 drei Fehler im Nahen Osten anzukreiden. Er konzentrierte sich auf die Innenpolitik sowie auf China und versuchte, den Nahen Osten zu ignorieren. Zweitens schloss er sich Donald Trumps Abraham-Abkommen und der israelisch-arabischen Normalisierungskarawane an. Fatalerweise versuchten diese „historischen“ Verträge, den palästinensischen Konflikt zu umgehen. Drittens gelang es Biden nicht, sich durchzusetzen, als Netanjahu, ein großer Trump-Fan, seinen eigenen Anti-Demokratie-Putsch startete, indem er sich mit rechtsextremen Eiferern verbündete, die entschlossen waren, die Westbank zu annektieren, und die Bemühungen der USA untergrub, das Verhältnis zum Iran zu entspannen. Biden zeigte ihm die kalte Schulter, tat aber sonst nichts.