Saudi-Arabiens Freundschaft mit Wladimir Putin sollte den Westen wachrütteln
Meinung Der saudi-arabische Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman darf nicht länger privilegierten Zugang zu westlichen Staatschefs und deren Unterstützung erhalten
Der saudi-arabische Kronprinz Mohammad bin Salman und Wladimir Putin scheinen sich bestens zu verstehen
Foto: Amilcar Orfali/Getty Images
Jedes Bild erzählt eine Geschichte, so heißt es wenigstens. Das Foto von einem grinsenden Wladimir Putin, der beim Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Moskau im Juni 2018 dem saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman die Hand schüttelt, war ein klares Warnzeichen für den Westen.
Die Botschaft für die, die sie wahrnehmen wollten, lautete: Saudi-Arabien, das von den Briten während des Empires unterstützt, später von den USA gegen Saddam Hussein und den Iran verteidigt und dem seine enge Verbindung zu den Terroranschlägen vom 11. September verziehen wurde, war nicht länger der abhängige, fügsame Verbündete von einst. Prinz Mohammed schloss neue Freundschaften.
Saudi-Arabien, enorm reich durch das sche
ch durch das scheinbar unerschöpfliche Öl, verfolgt eine angriffslustige regionale Außenpolitik im Jemen und im Libanon, knüpft Beziehungen zu Russland und China und zeigt eine arrogante Missachtung gegenüber westlichen Menschenrechts-Bedenken. Kurz: die Saudis sind ihren eigenen Weg gegangen.Niemand symbolisiert diese veränderten Allianzen besser als der bärtige, stämmige Thronfolger, der bereits jetzt der faktische Herrscher des Landes ist und im Alter von 37 noch die nächsten 50 Jahre regieren könnte.Mohammed bin Salman fühlt sich in Moskau wie zu HauseDa war er also, ausgerechnet in Moskau, und plauderte kumpelhaft mit Russlands mörderischem Präsidenten. Schon damals war Putin der Chef eines Regimes, das wegen seiner illegalen Annektierung der Krim mit westlichen Sanktionen belegt war – ein autoritärer Schurke, der weithin für die Giftanschläge in Salisbury zu Beginn desselben Jahres und andere tödliche Angriffe auf politische Rival:innen, Kritiker:innen und Journalist:innen in Russland und im Ausland verantwortlich gemacht wird. Doch Mohammed schien sich sehr zu Hause zu fühlen, als die Menge aufschrie und Russland ein Tor schoss.Nur vier Monate später, im Oktober 2018, wurde der kritische saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi in Istanbul ermordet. Was die krasse Brutalität und Unverfrorenheit anbelangt, wirkte es wie ein staatliches Attentat, das direkt aus einem Drehbuch Wladimir Putins stammen könnte.Joe Biden wurde erst zwei Jahre später zum US-Präsidenten gewählt. Während seines Wahlkampfs bezeichnete er Saudi-Arabien und damit auch seinen Kronprinzen als „Paria“, auch wegen Khashoggis Ermordung. Als Biden Präsident wurde, fror er Waffenverkäufe ein und veröffentlichte Informationen, die den Prinzen belasteten.Das alles machte seinen beschämenden Kehrtwende-Besuch in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad im Juli und seinen Faust-an-Faust-Begrüßungsschlag mit einem grinsenden Mohammed umso schwieriger zu schlucken. Warum tat Biden das? Das ist eine Frage mit verschiedenen möglichen, gleichermaßen unbefriedigenden Antworten. Eine Frage, die ihn jetzt wieder verfolgt. Biden wollte, dass die Saudis und andere Mitglieder der Organisation der Öl exportierenden Länder (Opec) die Ölförderung steigern oder zumindest auf dem bisherigen Niveau halten, um Russlands Einsatz von Gas und Öl als Waffen in der breiteren Ost-West-Auseinandersetzung über Putins Invasion der Ukraine etwas entgegenzusetzen.Joe Bidens Ziele wurden von Opec+-Gruppe beiseite gefegtEr wollte den Prinzen daran erinnern, dass die USA immer noch ein großer Player im Nahen Osten sind, engere Verbindungen zu Israel ermutigen und eine vereinte Front gegen den Iran stärken. Am meisten wollte Biden vielleicht einen Schlag für die Demokratie im, wie er ihn nennt, globalen Kampf gegen den Autoritarismus landen.Etwas profaner wollte Biden den Benzinpreis für die amerikanischen Autofahrer:innen und Verbraucher:innen senken und damit die Chancen der Demokraten bei den Zwischenwahlen zum Kongress im kommenden Monat erhöhen. Er wollte demonstrieren, dass der gerissene alte Joe die Sache in Ordnung bringen kann.Die meisten, wenn nicht gar alle, von Bidens Zielen wurden vergangene Woche beiseite gefegt, als die Opec+-Gruppe, zu der auch Russland gehört, entschied, die tägliche Ölproduktion nicht zu erhöhen, sondern um zwei Millionen Barrel zu senken. Der Schritt scheint das Weiße House ernsthaft geschockt zu haben. Es war ein persönlicher Schlag ins Gesicht des Präsidenten. Es war demütigend.Und fast genauso schlimm: Es war ein überwältigender Sieg für Putin. Auch wenn die Senkung der Ölförderung keinen großen Einfluss auf den Weltmarktpreis hat, stellten die Saudis und andere Kartellmitglieder sich gegen die USA und das energiehungrige Europa auf die Seite der Russen – eine Behauptung, die die Saudis jetzt energisch bestreiten.Das Verhältnis der USA mit den Saudis ist toxischSeitdem hat sich der Ärger immer weiter verschärft: Die Demokraten drohen damit, die Opec zu sanktionieren, die Verteidigungs- und Sicherheitszusammenarbeit mit Riad auszusetzen, Waffenlieferungen einzufrieren, US-Truppen zurückzuziehen und die von Biden versprochene, aber nie umgesetzte gründliche Überarbeitung der Beziehungen zwischen den USA und Saudi-Arabien anzugehen.Sie sind zu Recht wütend. Obwohl einige dieser Maßnahmen wahrscheinlich nie umgesetzt werden: Das Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und den USA ist schon lange toxisch, ein Hausputz nötig.Auch die EU hat gerade einen bedeutenden Grund gefunden, um Gas- und Ölpreisdeckelungen zu beschließen und umzusetzen; und damit endlich Importe aus Russland zu beenden und die Beziehungen neu zu definieren. Genauso sollte Großbritannien die lange überfällige, umfassende Neubewertung der Verbindungen zu Saudi-Arabien unternehmen, die häufig fundamental ethische Fragen aufwerfen, wie jüngst der inzwischen entlassene britische Finanzminister Kwasi Kwarteng erkennen musste.Die Beziehung zu Saudi-Arabien neu denkenDer von Saudi-Arabien mit Unterbrechungen geführte Krieg im Jemen und die Waffenverkäufe der USA und Großbritanniens, die diesen Krieg begünstigten, wären gute Ausgangspunkte für eine Neubeurteilung. Verstärkte Bemühungen, das von den Saudis misstrauisch betrachtete Atomabkommen mit dem Iran zu retten, könnten dazu beitragen, das herrschsüchtige Riad auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen.Die Verfolgung von Frauen durch das saudische Regime, wie etwa im Fall der im britischen Leeds studierenden Doktorandin Salma al-Shehab, die im Urlaub in Saudi-Arabien wegen ihrer Twitternachrichten verhaftet und zu 34 Jahren Gefängnis verurteilt wurde; der Einsatz von Terrorismusgerichten gegen seine Kritiker; die Massenhinrichtungen; die dauerhafte Verweigerung demokratischer Rechte und die Zensur der freien Meinungsäußerung und persönlicher Freiheiten dürfen nicht länger stillschweigend hingenommen werden. Es ist möglich, hier Druck auszuüben.Ebenso inakzeptabel ist die Art und Weise, wie das Regime versucht, seinen Ruf aufzupolieren, indem es sich den Weg in den internationalen Sport erkauft. Saudi-Arabien nutzt seine Öldollar, um die Mannschaft Manchester United in der britischen Fußball-Premiere League zu übernehmen oder finanziert renommierte Golf- und Boxturniere.Wenn Mohammed wirklich die Gesellschaft des Kriegsverbrechers Putin und ähnlich eingestellter Unterdrücker und Autokraten wie den chinesischen Staatschef Xi Jinping vorzieht, müssen er und seine Regierung einen hohen Preis zahlen, was ihren privilegierten Zugang zu westlichen Staatschefs und Ländern sowie deren Unterstützung angeht. Er sollte ernsthaft darüber nachdenken, was das etwa für die zukünftige Verteidigung seines Königreichs gegen Irans Raketen und Drohnen bedeuten würde. US-Präsident Joe Biden lag beim ersten Mal richtig. Aber ein Pariastatus muss auch Folgen haben.Die USA und die westlichen Demokratien müssen durch ihre Taten demonstrieren, dass der große globale Kampf des 21. Jahrhundert für Freiheit, Demokratie, Menschenwürde und internationale Gesetzgebung, für den der Kampf für die Ukraine beispielhaft und symbolisch ist, zu grundsätzlich, zu wichtig, zu entscheidend ist, um ihn für ein billiges Fass Öl zu verhökern.
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