Thomas Piketty über faire Klimapolitik: Privatjets und SUVs zuerst verbieten!
Klassenkampf Politiker, die sich gegen Klimaschutz aussprechen, haben weltweit Zulauf. Thomas Piketty sagt: Nur wenn zuerst die Reichen ausgebremst werden, sei grüne Politik auch bei der normalen Bevölkerung mehrheitsfähig. Sonst drohen Massenaufstände
Für Thomas Piketty ist einer der größten Fehler der Umweltbewegung, „dass sie dazu neigt, die Klassendimension und die soziale Ungleichheit zu ignorieren“
Foto: Imago/PI3press
Soziale und wirtschaftlichen Klassenfragen müssen im Mittelpunkt unserer Antwort auf die Klimakrise stehen, um die enormen Ungleichheiten zwischen dem CO₂-Fußabdruck der Reichen und der Armen zu beseitigen und eine Gegenreaktion gegen die Klimapolitik zu verhindern, so der Ökonom Thomas Piketty.
Es sei notwendig, Güter und Dienstleistungen mit unnötig hohen Treibhausgasemissionen zu verbieten. Als Beispiele nennt er Privatjets, übergroße Fahrzeuge und Kurzstreckenflüge. Außerdem müssten reiche Länder progressive CO₂-Steuern einführen, die das Einkommen der Menschen und ihre Fähigkeit zur Emissionsreduzierung berücksichtigen. Die derzeitige Politik sei in der Regel nicht auf die tatsächlichen Bedürfni
22;-Steuern einführen, die das Einkommen der Menschen und ihre Fähigkeit zur Emissionsreduzierung berücksichtigen. Die derzeitige Politik sei in der Regel nicht auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen abgestimmt.„Wir müssen die Klassenzugehörigkeit und die Untersuchung der Ungleichheit zwischen den sozialen Klassen in den Mittelpunkt unserer Analysen von Umweltproblemen im Allgemeinen stellen“, sagt Piketty im Gespräch. „Wenn man das nicht tut, wird man einfach keine Mehrheit für starke Maßnahmen finden und es nicht schaffen.“Eines der dringendsten Probleme der Welt? Die Ungleichheit bei der CO₂-Bilanz zwischen Arm und ReichDer bekannte französische Wirtschaftswissenschaftler ist Autor des bahnbrechenden Werks Das Kapital im 21. Jahrhundert und einer der weltweit führenden Denker zum Thema Ungleichheit. Besonders einflussreich war seine Arbeit nach der Finanzkrise von 2008. Als Co-Direktor des World Inequality Lab richtet er seine Aufmerksamkeit seither zunehmend auf die Klimakrise.Bisher haben Umweltschützer zwar die Industrieländer ins Visier genommen und ihre hohen Emissionen der Notlage der Entwicklungsländer gegenübergestellt. Doch eine Klassenanalyse, die sich mit den Sorgen der armen Menschen in den reichen Ländern befasst, hat laut Piketty weitgehend gefehlt. „Einer der größten Fehler der Umweltbewegung war bisher, dass sie dazu neigt, die Klassendimension und die soziale Ungleichheit zu ignorieren. Ich finde das sehr bemerkenswert.“Er sagt, die Ungleichheit bei der CO₂-Bilanz sei heute eines der dringendsten Probleme der Welt. Tatsächlich sei die Ungleichheit bei den Emissionen heute größer als „jemals zuvor seit dem 19. Jahrhundert.“ Dies sei ein wichtiger Faktor bei den Angriffen auf die Klimapolitik, die von einigen Seiten vorgebracht werden. Eine wenig zielgerichtete Energiepolitik belastet arme Menschen, bei denen Energie, Lebensmittel und Wohnen einen weitaus größeren Anteil am Haushaltsbudget ausmachen als bei den Wohlhabenden. Dies provoziert laut Piketty eine Gegenreaktion.Zwei Optionen: Faire Besteuerung oder gigantische GelbwestenbewegungenWenn die Klimapolitik als ungerecht empfunden wird, weil sie Menschen mit geringem Einkommen trifft, während diejenigen mit luxuriösem Lebensstil unangetastet bleiben, werden Protestbewegungen entstehen, wie die „gilets jaunes“, die Frankreich vor fünf Jahren zum Stillstand brachten, glaubt er. „Jeder versteht jetzt, dass alle eine gewisse Anstrengung zur Reduzierung der Emissionen unternehmen müssen, nicht nur die Reichen. Aber diese Anstrengungen müssen so verteilt werden, dass sie von der Bevölkerung akzeptiert werden können. Wenn man das nicht in Angriff nimmt, werden wir überall eine gigantische Gelbwestenbewegung bekommen. Und das ist ein bisschen das, was wir schon heute sehen.“Neben einer Regulierung, die die unnötigsten Emissionen eindämmt, schlägt Piketty eine „progressive Kohlenstoffsteuer“ vor, bei der jeder ein kostenloses Emissionszertifikat erhält, das den normalen Bedarf deckt. Darüber hinausgehende Aktivitäten – wie häufige Urlaubsflüge, große Häuser oder dicke Autos – sollten aber in größeren Schritten besteuert werden, sodass die umweltschädlichsten Aktivitäten mit einem „enormen Steuersatz“ belegt sind.„Viele Menschen und die sozioökonomisch benachteiligten Gruppen haben das Gefühl, dass sich alles gegen sie richtet und sie für alle zahlen müssen, insbesondere für Menschen in ländlichen Gebieten. Das ist ein großer Teil der politischen Schwierigkeiten, die wir heute haben“, so Piketty. „Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um diese Gruppen davon zu überzeugen, dass die Menschen an der Spitze ihren gerechten Anteil zahlen. Man muss ganz oben anfangen, bei den Leuten, die einen Privatjet nehmen.“Was die 15 führenden Ökonomen sagenDie Klimakrise wird oft als ein Gegensatz zwischen den Industrieländern, dem sogenannten globalen Norden, und den Entwicklungsländern im globalen Süden gesehen. Doch die vielen armen Menschen in den reichen Ländern laufen Gefahr, von nationalistischen oder populistischen Politikern umworben zu werden, die sich gegen Klimaschutzmaßnahmen aussprechen.Piketty argumentiert, dass man diesen Menschen versichern muss, dass auch ihre Interessen gewahrt werden. „Wenn wir diesen nationalistischen Gefühlen entkommen wollen, müssen wir eine neue Form der Klassensolidarität entwickeln, die über den Nationalstaat hinausgeht“, sagt er. „Wir müssen die Mittelschicht und die unteren Einkommensgruppen im globalen Norden davon überzeugen, dass wir das Problem im globalen Süden lösen können, wenn wir die reichsten Gruppen dazu bringen, einen größeren Beitrag zu leisten und ihren Lebensstil einzuschränken, was gleichzeitig einige der Probleme im Norden lösen kann.“Ohne solche Reformen, so Piketty, „werden wir eine große Klimakatastrophe erleben“, da die derzeitige Politik nicht funktioniere. Der britische Guardian hat 15 führende Ökonomen und Klimaexperten befragt: Die Zeitung fand ein hohes Maß an Übereinstimmung darin, dass die große Kluft zwischen den Emissionen der Reichen und der Armen in der Welt durch eine besser als bisher zugeschnittene Politik angegangen werden muss.
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