OpenAI ist tot, lange lebe OpenAI

Kolumne OpenAIs ursprüngliche Gründungsmission war es, KI dem Markt zu entziehen. Mit dem Konflikt um Sam Altman ist dieses Ziel nun endgültig begraben
OpenAI-SEO Sam Altman
OpenAI-SEO Sam Altman

Foto: Joel Saget/AFP/Getty Images

In den letzten zwei Wochen gab es eigentlich nur eine Tech-Story: den Fünftagekrieg um OpenAI. Die Kurzfassung: KI-Goldjunge Sam Altman wurde kurzzeitig aus seinem Unternehmen geputscht, jetzt ist er wieder zurück und die gegen ihn agierenden Vorstandsmitglieder sind größtenteils raus. Aus dem Konflikt wird viel gemacht. Angeblich stellt er die spektakuläre Kollision zweier Ideologien der KI-Entwicklung dar: die Zögerer gegen die Träumer, die KI-Apokalyptiker gegen die Techno-Optimisten, effektiver Altruismus (EA) gegen effektiven Akzelerationismus (e/acc). Doch dahinter steckt mehr. Oder weniger. Wie man’s nimmt.

Die genannten Positionen sind für sich genommen jeweils hochinteressant: der effektive Akzelerationismus, der kryptofaschistischem Gedankengut entwachsen ist, technologischen Fortschritt uneingeschränkt für positiv hält und ihn daher ohne Regulierungen oder Rücksicht auf Verluste beschleunigen möchte; der effektive Altruismus mit seinem Rationalitätsfetisch, dem ein Teil der KI-Apokalyptiker nahesteht, und der glaubt, man könnte menschliches Wohlergehen auf eine mathematische Formel reduzieren und alle guten Taten eiskalt utilitaristisch gegeneinander abwägen.

Doch tritt man einen Schritt zurück, laufen die angeblich so gegensätzlichen Ideologien darin zusammen, dass sie Rechtfertigungsstrategien von Tech-Milliardären darstellen, warum Tech-Milliardäre die Zukunft bestimmen sollten: e/acc, weil die Leute mit dem Geld entscheiden, welche Technologien unsere Zukunft formen und EA, weil die Leute mit dem Geld entscheiden, welche Taten als gut und förderungswürdig gelten. Es ist kein Wunder, dass sich die beiden Ideen ausgerechnet im Silicon Valley so festgebissen haben.

Tritt man noch einen Schritt zurück, wirkt das Ganze endgültig nicht mehr wie ein Kampf individueller Ideen. Denn der Ausgang des Ganzen hat sich schon lange angebahnt. OpenAI wurde 2015 als Non-Profit-Organisation gegründet, um die Entwicklung immer mächtigerer, potenziell gefährlicher künstlicher Intelligenzen nicht dem freien Markt und seinen Anreizen zu überlassen. Doch weil KI-Entwicklung ein teurer Spaß ist, gründete CEO Sam Altman 2019 eine profitorientierte Tochtergesellschaft aus. 2022 trat er dann mit den Produkten ChatGPT und Dall-E ein KI-Wettrüsten der Tech-Giganten los.

Der Markt setzt sich durch

Der Vorstand der OpenAI Non-Profit, deren „oberste treuhändische Pflicht der Menschheit“ gilt, hatte trotz der Ausgründung weiterhin das Recht, einen CEO zu feuern, wenn dessen Handlungen mit diesem hehren Ziel nicht mehr übereinstimmen. Und zwar ohne Unternehmensbewertungen oder Investorenmeinungen berücksichtigen zu müssen – das war der Sinn der Sache. Genau das haben sie am 17. November versucht, weil Altman sich zu sehr dem Markt zugewandt hatte, und genau das ist ihnen daraufhin vollständig um die Ohren geflogen.

Die Folge: Microsoft bot an, alle abtrünnigen OpenAI-Angestellten inklusive Altman anzuheuern, die restlichen Investoren rebellierten und die Angestellten selbst gingen auf die Barrikaden, weil sie längst in zweierlei Hinsicht an dem Unternehmen beteiligt sind: finanziell, weil sie Unternehmensanteile besitzen und – womöglich wichtiger – emotional, weil das Prestige, das OpenAI besitzt und ihnen für ihre Arbeit dort verleiht, ebenjener Wendung zum Markt entwächst, wo das Unternehmen derzeit als führend gilt. Der Druck, der aus all dem entstand, war zu groß. Der Vorstand gab nach, Altman kam zurück.

Bei der Gründung von OpenAI hat man sämtliche Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um KI dem Markt zu entziehen. In den acht Jahren von OpenAIs Existenz hat er sich mithilfe von Sam Altman nun dennoch Bahn gebrochen. Erst allmählich, dann plötzlich. Das Drama letzte Woche war nur im engen Sinne ein Kampf zwischen KI-Apokalyptikern und Techno-Optimisten. In Wahrheit waren es ein paar Vorstandsmitglieder, die sich – aus den ihnen eigenen Gründen – kurzzeitig gegen den Markt gestemmt haben und spektakulär fortgespült wurden. Jetzt ist es endgültig keine Einzelperson, kein Vorstand, kein Non-Profit mehr, die unsere KI-Zukunft formt. Das obliegt jetzt allein dem stummen Zwang der ökonomischen Verhältnisse. Womöglich gab es nie eine andere Möglichkeit. OpenAI ist tot, lange lebe OpenAI.

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Titus Blome beschäftigt sich in seiner Kolumne Maschinentext mit neuen Technologien

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