KI-Bilder fluten Facebook: Shrimp Jesus ist wahrhaftig auferstanden

Kolumne Während minderwertige KI-Inhalte immer häufiger werden, wendet Facebook sich von hochwertigen Dingen wie Journalismus ab. Die Plattform läuft Gefahr, eine vollständig sterile Wüste zu werden.
KI-generierte Shrimp-Jesus-Fotos fluten die Feeds Abertausender Faebook-Nutzer:innen
KI-generierte Shrimp-Jesus-Fotos fluten die Feeds Abertausender Faebook-Nutzer:innen

Foto: Love God & God Love You/Facebook

Rund um Ostern lohnt es sich, selbst in einer Tech-Kolumne auch mal die spirituellen Dinge zu betrachten. Und was eignet sich da besser als ein Blick auf den neuen Star im christlichen Pantheon, das vierte Rad am Wagen der heiligen Dreifaltigkeit, Poseidons unehelicher Sohn, unser Herr und Erlöser: Shrimp Jesus.

Denn es sind KI-generierte Fotos von diesem rein aus Garnelen bestehenden Messias (ja, wirklich), die seit neuestem die Feeds abertausender Facebook-Nutzer:innen fluten – und viele halten sie auch noch für echt. Obgleich der Zimmermann aus Nazareth also rund um die Zeit seiner jährlichen Wiederauferstehung berechtigterweise ein stabiles Maß an Presse erhält, verrät sein Garnelenbruder doch ein bisschen mehr über Zustand der Welt bzw. des Internets, was für eine spezielle Sorte Nerd (mich) nunmal dasselbe ist.

Zunächst einmal Grundlegendes: Die jüngeren Leser:innen mag es schockieren aber ja, Facebook existiert noch. Es ist sogar noch immer das größte soziale Medium der Welt mit über drei Milliarden monatlich aktiven Nutzer:innen, die jedoch tendenziell ein Stück älter sind als TikTok-Teens oder Instagram-Millennials. Und die Feeds ebendieser Internet-Senior:innen werden seit Monaten mit KI-generierten Inhalten geflutet, von denen Shrimp Jesus nur eine, wenn auch besonders lustige Variante ist.

Die anderen folgen, wie die großartigen Kolleg:innen von 404 Media herausfanden, meist demselben Muster: fotorealistische KI-Bilder, die eine Person neben einem Kunst- oder Handwerk zeigen, für welches der postende Account Applaus einfordert. Da sitzt dann zum Beispiel ein Mann neben einem aufwändig aus Holz geschnitzten Hund oder ein junges Mädchen neben einem kompliziert dekorierten Kuchen unter einer Überschrift, die jedes Mal ungefähr lautet: „Was denkt ihr :)?“ und sammelt so Likes und nette Kommentare.

Seiten ködern mit KI-Inhalten

Viele Leute, die mit diesen Inhalten interagieren, sind sich nicht bewusst, dass sie KI-generiert sind. Das schlussfolgert zumindest eine Studie der Universität Stanford, die sich 120 Seiten mit solchen Inhalten angesehen hat. Anfang März hatten ebenjene Seiten im Schnitt 120.000 Abonnent:innen und Millionen an Klicks angesammelt. Sie nutzen diesen sogenannten „engagement bait“ (Engagement-Köder), um ihre Follower:innen auf billige Seiten voller Spam zu schicken, weil es das ist, was die professionalisierte Seite von Social Media heutzutage nunmal ist.

Hier kommen mehrere Dinge zusammen: Hauptgrund ist der (noch immer relativ neue) vereinfachte Zugang zu KI-Bild-Generatoren, der die Produktion von engagement bait auf industriellem Niveau erlaubt. Facebook kann auch kaum etwas dagegen tun, denn es gibt keine KI-Detektoren, die verlässlich und automatisiert synthetische Inhalte erkennen und sperren könnten – auch wenn einige das von sich behaupten. Doch das Problem ist nicht nur die Anwesenheit von minderwertigen Inhalten, sondern auch die Abwesenheit von hochwertigen. Facebook wertet schon lange schrittweise Journalismus und politische Inhalte ab, weil zu viel Realität schlecht wäre für die perfekte kleine Blase, die man auf der Plattform herstellen möchte. Allein 2023 brach der Traffic, den Nachrichtenseiten von Facebook erhielten, um 48 Prozent ein, so eine Studie des Reuters Institute for the Study of Journalism.

Facebook möchte dringend steril sein, eine perfekte kleine Welt, in der Journalismus, Politik und Realität im Allgemeinen nur stören würde. Das kreiert ein Content-Vakuum, in das nun mit aller Macht die KI stößt. Und es passt gut, denn nichts ist steriler als KI-Inhalte, diese surrealen Maschinenprodukte, die nichts tun als den absoluten Durchschnitt ihrer menschlichen Trainingsdaten zu errechnen und zu erstellen. Facebook verwandelt sich in eine Wüste, weil Gartenpflege, mit all dieser komplexen Flora und Fauna, die Leben nunmal mit sich bringt, ihnen zu anstrengend war. Der Vorbote dieser Zukunft ist unser Herr und Erlöser, Shrimp Jesus. Gelobt sei sein Name.

Maschinentext

Titus Blome beschäftigt sich in seiner Kolumne Maschinentext mit neuen Technologien.

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