Krankenhäuser in Not: Eine Bewegung formiert sich

Meinung Der Personalnotstand in den Krankenhäusern ist schon lange bekannt, unternommen wurde bis jetzt wenig. Immer mehr Betroffene nehmen nun ihr Schicksal selbst in die Hand und das ist gut so. Eine Warnung vor dem Klinik-Notstand
Ausgabe 50/2022
Akuter Personalmangel: Bis sie da sind, dauert es in der Hauptstadt schonmal länger als 15 Minuten
Akuter Personalmangel: Bis sie da sind, dauert es in der Hauptstadt schonmal länger als 15 Minuten

Foto: Christof Stache/AFP via Getty Images

Rund zwanzig Minuten dauerte es, bis am vergangenen Wochenende nach einem schweren Busunfall in Berlin endlich ein Rettungswagen eintraf, um die Verletzten zu versorgen. Kein Einzelfall in der Hauptstadt, und in ländlichen Gebieten ist die Situation noch dramatischer. Davon wissen auch Beschäftigte im Rettungstransport wie Viktor Wildemann vom Universitätsklinikum Gießen ein Lied zu singen.

Der in eine Servicegesellschaft outgesourcte Sanitäter gehört zur Vorhut der neuen Krankenhausbewegung in Hessen, die an diesem Mittwoch ihre Forderung nach einem Entlastungstarifvertrag an Politik und Klinikleitung übergeben und damit die Stafette aus Berlin, Nordrhein-Westfalen und anderswo übernommen hat. Die Klage ist immer die gleiche: zu wenig Personal, eine an Patientengefährdung grenzende Pflegesituation, ausgepowerte und frustrierte Kolleg:innen.

Das Uniklinikum mit seinen Standorten Gießen und Marburg ist insofern besonders, weil es 2006 vom Land an die Rhön AG verkauft worden war. Hinter ihr steht der Asklepios-Konzern, der wegen schlechter Arbeitsbedingungen und unzureichender Entlohnung der Beschäftigten vor allem in Ostdeutschland immer wieder für Schlagzeilen sorgte. Am Unikliklinikum verschlechterte sich die Versorgungsqualität, die Hochschulmedizin verlor an Ansehen. Der Unmut der Bevölkerung mündete 2021 in einer Petition an den Landtag mit der Forderung, es zurückzukaufen.

Die Situation in der medizinischen Versorgung und Pflege könnte sich noch erheblich verschlechtern, warnte fast gleichzeitig Klaus Emmerich vom „Bündnis Klinikrettung“, ehemals Vorstand der kommunalen Kliniken in Bayern. Würden die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) umgesetzt, würde einem großen Teil der kleineren Häuser die Notfall- und Intensivversorgung entzogen und diese in „bessere Pflegeheime“ oder gar „Behandlungsklitschen“ umgewandelt werden. Davon, rechnete er vor, könnten potenziell 650 Kliniken betroffen sein.

Die von Lauterbach ausgerufene „Klinikrevolution“, die er auch mit dem Pflegekräftemangel begründet, könnte also eine ganz andere Revolution anfachen und nicht nur das Klinikpersonal in den Aus- und Aufstand treiben, sondern uns alle, um „unser“ Krankenhaus zu erhalten.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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