Ein Haufen Chaos

AfD Beim Parteitag mussten die Mitglieder lernen, dass Basisdemokratie sehr anstrengend sein kann
Ausgabe 06/2015

Irgendwie erinnern die Vorgänge in der AfD an die Frühzeit der Grünen. Der Vergleich ist politisch natürlich degoutant, aber auch damals ist so mancher Flügelkampf in den Niederungen enervierender Geschäftsordnungsanträge ausgefochten worden. Nun also auch auf dem Parteitag der Alternative für Deutschland, und zwar nicht minder turbulent. Es gab keine Delegierten, stattdessen durften alle Mitglieder kommen. Rund 1.700 waren da.

Doch Basisdemokratie, das erlebten die biederen Bürger im Lucke-Petry-Gefolge, ist anstrengend. Man muss nicht nur wissen, worüber man sich sinnvollerweise streitet und was man besser lässt. Man benötigt auch Mechanismen, um Kompromisse zu erzielen, ohne dass dabei zu viele auf der Strecke bleiben. Jungpolitiker der etablierten Parteien lernen bereits in ihren Jugendorganisationen, wie man mit zur Schau gestelltem demokratischem Furor Interessen durchsetzt. Die AfD, deren Mitglieder in aller Regel wohl nicht gestählt sind durch Aushandlungsprozesse in Wohngemeinschaften oder Projekten, macht solche Erfahrungen in Turbo-Geschwindigkeit, beäugt von einer misstrauisch gestimmten Öffentlichkeit und einer krachgeilen Presse.

Die angereisten Mitglieder hatten in der Satzungsdebatte zu wählen zwischen Vertrauen und politischer Kontrolle, etwa in Form der Trennung von Amt und Mandat. Sie hatten die Chance, ihren narzisstischen Frontmann Bernd Lucke zur Raison zu bringen. Verpasst!

Lucke hat sich mit seinem Alleinvertretungsanspruch zumindest qua Satzung durchgesetzt. Und offenbar gibt es in der AfD niemanden, der die Chuzpe hätte, ihm das streitig zu machen. Frauke Petry, die sich der Sympathie vieler AfD-Mitglieder sicher sein kann, will sichtlich nicht die Herausforderin geben. Als Sammelbecken des Protests ist die AfD noch zu unübersichtlich, um den nationalkonservativen Durchmarsch, für den Petry steht, zu wagen. Was soll man davon halten? Liberale Gemüter können das erleichtert zur Kenntnis nehmen, politische Strategen werden enttäuscht sein, weil das den Bruch dieser unheimlichen Partei wohl vorangetrieben hätte.

Den Chaos-Haufen, den die AfD am Wochenende abgab, wird sie sich nicht noch einmal leisten, dafür wird Lucke schon sorgen mit einem regulären Delegiertensystem und den parteiüblichen Lenkungsmanövern. Es gilt das Führerprinzip. Da hat Basisdemokratie ohnehin keine Chance.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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