Es ist eine verkehrte Welt: durchgeknallte Bayern-Chaoten und stramme grüne Ordnungspolitiker, wer hätte sich einen solchen Rollentausch vorstellen können. Die politischen Turbulenzen in Berlin und München heben die Grünen nach der Pleite bei den Koalitionsverhandlungen überraschend noch einmal auf die Bühne, auf der sie staatsmännische Vernunft und europapolitische Verantwortung zelebrieren dürfen. „Wir sind tief besorgt“, hört man von Katrin Göring-Eckardt. „Unverantwortlich“, urteilt ihr Fraktionschefkollege Anton Hofreiter. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck unterstellt der CSU schlicht einen „Putsch“, auch Co-Chefin Annalena Baerbock setzt einen rigiden Ordnungsruf ab: Es sei höchste Zeit, sich darauf zu besinnen, was auf dem Spiel stehe. „Reißt euch zusammen. Macht eure Arbeit.“
Gemessen am tödlichen Geschwisterdrama in der Union wirken die Grünen tatsächlich wie eine Phalanx der Stabilität, ein Bollwerk gegen die von der CSU betriebene Erosion Europas. Die eigenen Reihen so geschlossen wie lange nicht, können sie es sich leisten, den Politrasenden die rote Kelle zu zeigen, und die Umfragewerte geben ihnen recht. Die Zustimmung der Wahlbevölkerung ist seit der Bundestagswahl um fast fünf Punkte auf 14 Prozent gestiegen. Schafft es die grüne Partei, aus dieser halbgaren Regierungskrise Profit zu schlagen und doch noch auf die ersehnte Gestaltungsebene aufzusteigen, die ihnen die FDP verbaut hatte? Rechnerisch wäre das möglich. Christian Lindner hat bereits angekündigt, für ein neuerliches Jamaika-Experiment nicht zur Verfügung zu stehen und in der Flüchtlingsfrage auch „näher an der CSU“ zu sein als an Merkel. Sollte die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU auseinanderbrechen, fehlen rechnerisch nur zwei Stimmen, die Grünen könnten Merkel also entweder für eine Minderheitskoalition oder durch Eintritt in die Regierung eine Mehrheit sichern.
Doch die Spitzenpolitiker halten sich, danach gefragt, auffällig zurück. Habeck hat zwar kundgetan, seine Partei habe in den Ländern und bei den Jamaika-Verhandlungen gezeigt, dass sie Regierungsverantwortung übernehmen wolle, doch die Grünen-Politiker machen auch deutlich, dass sie sich einen solchen Deal teuer abkaufen lassen würden. Dissens gebe es schließlich nicht nur mit der „verantwortungslosen und chaotischen“ CSU, sondern auch mit den Christdemokraten.
Das eigentliche Problem dürfte für die Grünen darin bestehen, dass Merkels Halbwertszeit gegen null geht und noch nicht absehbar ist, wer ihr Erbe antreten wird. Eine Kanzlerin auf Abruf zu stützen, schadet dem Image und verschließt Optionen für die Zukunft, je nachdem, wer das Ruder in der Union übernimmt, Kramp-Karrenbauer oder Spahn, um nur zwei Namen zu nennen. Aber so weit wird es wohl ohnehin nicht kommen. Was ein Franz Josef Strauß gescheut hat, wird auch ein Söder, zumal mit einer AfD im Genick, nicht wagen: die CSU gesamtdeutsch aufzustellen.
Kommentare 8
alle vergleiche mit der CSU unter f.j.strauß verfehlen einen punkt:
damals war die macht der CSU in bayern nicht gefährdet!
deshalb müssen heutige "riesen-staatsmänner"(FJS) aus bayern
auch keinen mut aufbringen, die union zu provozieren:
die nackte angst reicht aus.
und auch in der bundes-cdu steht die angst vor einem früh-start
gegen die angst, den start zu verpassen.
oda?
Klar, KGE und Co. möchten zu gern Posten haben. Aber langsam sortiert sich die Politiklandschaft und die Gewinne der Grünen sind die Verluste der SPD. Das irgendwie links definierte Wählerpotenzial ist deutlich unter 50% abgesunken. Bei Mutti auf dem Schoß sitzen, könnte das Ende der Grünen als ernsthafte politische Kraft sein. Egal wer der Nachfolger von Merkel sein wird, er (sie war Betriebsunfall, dass passiert der CDU nicht noch einmal) wird eher mit der AfD koalieren als mit den Grünen.
Immer wieder amüsant - diese Gedankenspiele, die supertolle Merkel-CDU möge doch bitteschön die Koalition der Willig-Progressiven bilden und die Bajuwaren den östlichen und südlichen nationalistischen Gefilden überlassen.
Merkel hat das Kunststück geschafft, mit ihrer gesellschaftlichen Liberalität, die knallharte Wirtschaft- und Sozialpolitik im deutschen politischen Mainstream zu verankern. Sozusagen Folter mit Samthandschuhen und unter einem bunten Banner. Jetzt hat sie leider 2015 einen Fehler gemacht, was dann hierzulande AfD und in halb Europa rechte Regierungen hochgespült hatte.
Merkel wird eine, obwohl lange, Episode bleiben und die Union macht sich jetzt auf die Suche wie man die knallharte Wirtschafts- und Sozialpolitik ohne Samthandschuhe und bunten Banner betreiben könnte. AfD mag da eine willkommene Antwort sein. Vielleicht schon in 3 Jahren.
Selten habe ich so ein dämliches Gesicht von Katrin Göring Eckardt gesehen wie auf diesem Foto.
Bei Mutti auf dem Schoß sitzen, könnte das Ende der Grünen als ernsthafte politische Kraft sein.
Die Grünen wollten ja schon nach BT-Wahl vom vergangenen Jahr mit der CDU koalieren. Das hat ihren Umfragewerten nicht geschadet. Genausowenig wie die Landtagskoalitionen. Spätestens seit ihrer Regierungszeit mit der "S"PD sind die Grünen eine stinknormale Kapitalpartei, die sich mit allen anderen Kapitalparteien verbünden kann.
„Spätestens seit ihrer Regierungszeit mit der "S"PD sind die Grünen eine stinknormale Kapitalpartei, die sich mit allen anderen Kapitalparteien verbünden kann.“
Zumindest für die Führung der Grünen gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Aber ich glaube immer noch an den Teil der Grünen Basismitglieder und Wähler, die die Gründungsideale hoch halten. Denen dürften spätestens bei einer Regierungsbeteiligung die Augen aufgehen. Die SPD ist hierfür das schlechte Beispiel.
Die Grünen Basismitglieder und Wähler sind diejenigen, die den Parteivorstand und somit dessen Politik gewählt haben. Und denen trauen Sie zu, die Gründungsideale hochzuhalten? Nun ja....... die Vergangenheit zeigt, was wir eben diesen zu verdanken haben. Nichts Gutes!
"die Gründungsideale hochzuhalten?"
Soll es ein Witz sein?. Die Grünen sind dermaßen neoliberal verseucht, dass sie alles und wirklich alles tun werden, um mit Merkel im gleichen Bett zu schlafen.