Italiens Linke zwischen Schulz und Tsipras

Quo vadis, Italia? Während die politischen Uhren wieder auf Null gestellt werden, laufen die Vorbereitungen für die Europawahlen auf Hochtouren. Auch die Linken müssen sich festlegen.

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Italiens Linke zwischen Schulz und Tsipras

Foto: Andreas Solaro / AFP / Getty Images

Das Jahr 2013 hat Italien derart verändert, dass manche schon das Ende der Zweite Republik heraufziehen sehen. Klar ist, dass das Parteiengefüge der letzten zwanzig Jahre ins Wanken geraten ist: Während der Mann der Stunde, Berlusconi, erstmals letztinstanzlich verurteilt wurde und nun seine Forza Italia wieder auferstehen lässt, die Nationalisten sich ebenso ihrer Wurzeln besinnen und an einer Bewegung für Alleanza Nazionale basteln und nicht zuletzt die Lega Nord sich dort wiederfindet, wo sie begonnen hat - mit markigen Sprüchen auf der Straße -, machen andere Schluss mit der Vergangenheit: Mit Beppe Grillos 5-Sterne-Bewegung (25,6% bei den Wahlen) und dem PD-Chef Matteo Renzi, der sich innerparteilich gegen die alte Garde durchsetzen konnte, sind zwei Personen an die Macht gekommen, die alles neu machen wollen. Dennoch: Im politischen Italien ist das Alte zwar im Niedergang, aber auch das Neue will noch nicht so recht.

Die linken Kräfte spielen dabei nicht einmal die zweite Geige.

Vielmehr mit sich selber: Die 2009 gegründete Sinistra Ecologia Libertá (SEL, Linke Ökologie Freiheit) träumte letztes Jahr von einer progressiven Koalition mit dem Partito Democratico und wachte in der Opposition auf, als diese sich mit Berlusconi zusammentat. Mit 3,2% bei den Wahlen ist SEL immerhin stärkste linke Kraft und dank Bonussystem mit 37 Abgeordneten in der Kammer vertreten, während die föderierte Rest-Linke den Einzug wieder verpasste.

Die Europawahlen könnten die Karten neu mischen.

Die Vorbereitungen dafür laufen schon auf Hochtouren: Die Lega Nord setzt auf auf ein Bündnis mit Le Pens Front National und der FPÖ. Berlusconis Forza Italia hingegen muss um ihren Platz unter den europäischen Volksparteien bangen. Der Bruch hatte sich zwar schon im letzten Jahr angekündigt, jedoch dürfte das politische Gewicht der Partei letztlich dennoch den Ausschlag für ihren Verbleib geben.

Was aber macht die SEL?

Klar ist, dass die Zukunft der italienischen Linken in der Hand von SEL-Chef Nichi Vendola liegt, der sich aber noch alle Türen offen halten will. Denn während linke Intellektuelle und Parteien vehement für ein breites Bündnis hinter den von der Europäischen Linkspartei aufgestellten Alexis Tsipras werben, wissen alle, dass dieses ohne die Stimmen der SEL recht aussichtslos wäre. Einer Spekulation um eine erneute Koalition mit dem PD hat Vendola zwar vor wenigen Tagen mit deutlichen Worten eine Absage erteilt - "Eintritt in den PD? Nein Danke" -, festlegen will er sich aber noch nicht: Bei den Europawahlen müsse man den Platz zwischen Schulz und Tsipras besetzen, so der SEL-Chef in einem Interview.

Doch auch Vendola weiß: Es gibt nur ein Entweder-Oder.

Bei einer Unterstützung für Schulz wäre ein Bündnis mit dem PD eine naheliegende Sache, auch um über die 4%-Hürde zu kommen. Und auch ein linkes Bündnis hätte gute Chancen, ins Europaparlament einzuziehen - ein Erfolg, den die italienische Linke dringend braucht. Eher unwahrscheinlich ist hingegen die dritte Option, die Unterstützung der Europäischen Grünen. Und so bleibt noch etwas Zeit für Spekulationen - Gewissheit wird es erst nach dem Parteikongress am 26. Jänner geben.

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