Das erste Mal

Politiker, die mit Büchern und Vorträgen nicht genug verdienen, sollten zur Feldforschung vielleicht mal Hartz IV beantragen... (aber darum geht es im folgenden Blog gar nicht)

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Das erste Mal

Foto: Sean Gallup / Getty Images

Finster versorgt blickt meine Mutter drein, als sie die Tür des Autos wieder öffnet: „Erinnert Euch gut an diesen Tag, Kinder..... wer weiß, wann Ihr in Eurem Leben wieder freie Wahlen erlebt!“

Ein Wahlsonntag in den Sechzigern, Willy Brandt steht das zweite Mal vor dem Siegertreppchen der Kanzlerschaft.... er wird das Land den Kommunisten übergeben, soviel steht für meine Mutter fest. „Mach den Kindern keine Angst,“ wendet mein Vater vorsichtig ein, als er den Wagen anlässt und langsam durch den kühlen, dämmrigen Herbstsonntag das gartengegürtete Vororthäuschen im Randbezirk der Hansestadt ansteuert.... während sie uns Dreikäsehochs im Fond am liebsten das Versprechen abnehmen würde, „nie, niemals die Sozis zu wählen!“ Ich bin gar nicht sicher, ob ich in jenem Jahr schon zur Schule ging...

Trotz der verdächtigen Tarnung hinter einem proletarischen Nick wird der demokratische Sozialist bald darauf Kanzler, die apokalyptischen Ängste meiner Mutter bestätigen sich zum Teil: Der studentische Mob erobert die Strassen Berlins, Brandt kniet vor den Kommunisten in Warschau, Frauen reklamieren ihre Bäuche. Aber die Republik geht davon nicht unter.

Das meiner Mutter nicht gegebene Versprechen konnte ich trotzdem leicht halten: als ich viele Jahre später wahlmündig wurde, waren neue Wahlprogramme am Start. Die engagierten Protagonisten der ökologischen Alternativen artikulierten gerade ihre gemeinsamen Forderungen und trafen damit die Sehnsucht ihrer Generation. Seit meiner ersten Wahlbenachrichtigung musste ich niemals eine Drei-Buchstaben-Partei wählen, immer gab es buntere Alternativen, die ich mit der Abgabe meiner Stimme stärken konnte. Ja, meine kleine Wählerstimme habe ich abgegeben, andere haben damit große Debatten bewegt, den Atomausstieg, das Dosenpfand und das EEG, aber auch den Eintritt der Bundesrepublik in den Afghanistan-Krieg und sogar den Wiederaufbau des Berliner Preußenschlosses.

Um ehrlich zu sein, war ich ganz froh, dass sich offenbar genug Leute fanden, den Scheiß zu machen, auch wenn ich nicht mit jeder Kursänderung einverstanden war. Mitglied einer Partei bin ich nie geworden. Freunde fand ich in beiden politischen Richtungen, und das Wort „Partei“ klingt in der deutschen Sprache leider so unsexy...

Das Ringen an der politischen Wahrheitsfront habe ich also viele Jahre lang an die mehrheitlich Gewählten delegiert..... und frage mich inzwischen, ob das wohl reicht.

Die Treffen der Piraten in Berlin sind offen und Gäste sind immer gern gesehen. Schnuppere einfach rein und lerne die offene und transparente Art der Politik der Piraten kennen, lese ich auf der Website der Berliner Piraten: Kommunikation, Information und transparente Meinungsbildung auf Online-Plattformen ist Kernstück der Piratenbewegung. Bring Dich jetzt ein! Ob Pirat oder nicht, du kannst an vielen Online-Diskussionen teilnehmen.

Ein paar Klicks weiter steht jetzt sogar ein Entwurf von mir in der Antragsfabrik .... und ich überlege zum ersten Mal in meinem Leben, ob ich doch Mitglied einer Partei werden soll. Vor dem Bundesparteitag im November, damit der Antrag auch meine Stimme kriegen kann.

Als Mitglied der Piraten hast du direkten Einfluss auf sämtliche Entscheidungen des Landesverbandes und der Bundespartei. Wir leben direkte Demokratie, versprechen die Berliner Piraten.

Party oder Partei? Die nächste Wahl wird schließlich zeigen, ob die Piraten zur Bewegung taugen – oder zur Service-Partei degenerieren.

Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, daß jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll. (Willy Brandt 1992)

Nachtrag zum 325. Eintrag vom 04.06.2012: Hinter uns liegen die Chronolysen (in vier Akten)... die Timeline im Blog archinaut: ist inzwischen justiert. Dieser Blog berichtet aus Deiner Welt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich werde Euch nicht schonen. Öffne Deine Augen.



Link zur Schloss-Freiheit in der Antragsfabrik:

http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2012.2/Antragsfabrik/Programm%C3%A4nderung_118

Aktualisierung am 25.10.2012:

Schloss-Freiheit im Antragsportal

https://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA301

Dieser Blog berichtet aus Deiner Welt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:

Ich werde Euch nicht schonen. Öffne Deine Augen.

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Geschrieben von

archinaut

Ein Blick weitet den Horizont: Dieser Blog zieht um die deutschen Häuser

archinaut

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