Dreckige Wässer

Umwelt Der ostdeutsche Kohleabbau gefährdet Trinkwasser und Tourismus. Wer zahlt?
Ausgabe 30/2016
„Erst als der Spreewald sich rot färbte, wurden wir beachtet"
„Erst als der Spreewald sich rot färbte, wurden wir beachtet"

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Gerd Weber ist der Chef des Wasserwerks Frankfurt an der Oder. Weber muss täglich 65.000 Menschen mit Trinkwasser versorgen und er sitzt in der Falle. Die Sulfate aus den Löchern des Kohletagebaus verschmutzen zusehends das Wasser der Spree, daher muss er immer mehr Grundwasser beimischen. Aber davon hat Weber nicht genug. Der Sulfatgehalt nähert sich dem Grenzwert an.

„Wir kämpfen seit 2008 dafür, dass man erkennt, woher die Verschmutzung kommt – aus den alten und aktiven Tagebauen“, berichtet Weber. „Erst als der Spreewald rot wurde, haben wir mehr Aufmerksamkeit bekommen.“ Das Wasser der Spree ist nicht nur sulfatbelastet, es ist gerade in den zuführenden Gewässern rostrot von den Eisenrückständen.

Lange dachte man, die großen Probleme der auf riesigen Flächen aufgerissenen Landschaft – von der Oberlausitzer Heide bis nach Cottbus – seien die antiquierte Energiepolitik und die Umsiedlungen. Nun stellt sich aber heraus, dass auch die Verschmutzung des Trinkwassers ein gewaltiges Problem darstellt. Das beim Kohleabbau an die Luft freigesetzte Pyrit zerfällt in seine Grundbestandteile Eisen und Schwefel. Steigt das abgepumpte Grundwasser nach Jahren wieder hoch, entstehen rostrote und sulfatversetzte Grubenwässer, die sich in Bächen und Flüssen in die Landschaft ergießen.

Die Vorwürfe der Umweltschützer in Brandenburg und Sachsen gegen die Braunkohleförderer sind massiv. Das aus den aktiven Tagebauen abgepumpte Grundwasser werde weder ausreichend gefiltert noch korrekt ins Erdreich eingeleitet, sagt der brandenburgische Landesgeschäftsführer des Bund für Umwelt- und Naturschutz, Axel Kruschat. In der Nähe von Welzow führt Kruschat vor, wo der Betreiber Vattenfall das sogenannte Sümpfungswasser einleitet – und wo er die Messungen vornimmt. Ein völlig verockerter Bach, in den die Grubenwasser fließen, schlängelt sich mehrere hundert Meter durch den Wald, ehe der Messpunkt kommt. Der liegt nicht etwa am Bach, sondern in einem sauberen Teich nebenan.

„Kein Sauerstoff, keine Mikroorganismen, kein Futter für die Fische“

Einige Kilometer weiter steht Winfried Böhmer vom "Aktionsbündnis Klare Spree", der seit Jahren vor der Verockerung der Spree und des Spreewaldes warnt. Er zeigt einen Bach, der ökologisch tot ist. „Hier gibt es keinen Sauerstoff mehr, keine Mikroorganismen, kein Futter für die Fische“, sagt Böhmer und nimmt einen Stock, um in die dicken rostigen Lagen in dem Wasserlauf zu stoßen. Der Bach ist erst vor einiger Zeit ausgebaggert worden. Die Krise werde ausbrechen, wenn ein Hochwasser diese Ablagerungen aufschwemmt, glaubt Böhmer. „Dann wird der Spreewald mit verockertem Wasser überflutet.“

Die Hinterlassenschaft des alten DDR-Braunkohleabbaus wird von einer staatlichen Agentur verwaltet. Sie heißt „Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft“ (LMBV) und ist so etwas wie die Bergbautreuhand. Über eine Milliarde Euro verwaltet die LMBV, aber für die Wasserschäden des Frankfurter Wasserwerks will sie nicht zahlen. Die Begründung dafür ist seltsam: Die Grenzwerte für Sulfat seien nicht überschritten, also dürfe die LMBV schon juristisch nicht dafür aufkommen. Auch das Bundesfinanzministerium vertritt diese Auffassung. Für Wasserwerker Weber ist das keine schöne Situation. „Ich darf den Grenzwert für Sulfat nicht überschreiten – aber vorher wollen sich der Bund und die LMBV nicht an den Kosten für Wasserschäden infolge des Bergbaus beteiligen.“ Weber kann nicht mal öffentlich über die Situation klagen. Sonst bekomme er bergeweise Briefe von besorgten Bürgern, sagt er.

Weil der Wasserwerker nicht so laut sein darf, hat sich die grüne Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock des Themas angenommen. Sie verfolgt die Neuaushandlung des LMBV-Budgets für die Jahre nach 2017. „Wir müssen endlich die Wasserfrage mit in die Kohleschäden einbeziehen“, sagte sie. „Die Bergbauverwaltungsgesellschaft muss genau wie Vattenfall und in Zukunft der EPH-Konzern ihren Beitrag für sauberes Wasser leisten – auch finanziell.“

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Geschrieben von

Christian Füller

http://christianfueller.com

Christian Füller

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