Schwedens Gewerkschaft IF Metall hat die Tochter des Elektroautoherstellers Tesla zu einer Kraftprobe herausgefordert. Seit dem 27. Oktober streiken die Werkstattmitarbeiter an den schwedischen Standorten für den Abschluss eines Tarifvertrags. Dabei geht es nicht nur um faire Arbeitsbedingungen für etwa 130 Beschäftigte dort. Mit dem Arbeitskampf soll der Sonderweg des als gewerkschaftsfeindlich bekannten US-Konzerns gestoppt und dessen Unterordnung unter das in Schweden übliche Arbeitsmarktmodell durchgesetzt werden. Und die IF Metall kämpft diesen Kampf nicht allein: Weitere Gewerkschaften üben mit Solidaritätsaktionen empfindlichen Druck auf Tesla aus.
Eine neue Eskalationsstufe ließ den Autoriesen reagieren: Auf Aufruf der Gewerkschaften Seko und
sla aus.Eine neue Eskalationsstufe ließ den Autoriesen reagieren: Auf Aufruf der Gewerkschaften Seko und ST verweigern die Postzusteller die Zustellung von Briefen und Paketen von und an Tesla – darunter auch der Nummernschilder für dessen Fahrzeuge. Anfang Dezember reichte das Unternehmen von Elon Musk Klage gegen das Logistikunternehmen Postnord und die schwedische Verkehrsbehörde ein, weil man sich einem „diskriminierenden Angriff“ ausgesetzt sieht. Die Behörde verwies darauf, dass Kennzeichen nach den geltenden Vorschriften stets auf dem Postweg zu versenden sind, Postnord verwies seinerseits auf das verfassungsrechtlich geschützte Streikrecht, das über der Zustellungspflicht stehe. Das Bezirksgericht Solna entschied am Donnerstag, dass keine hinreichenden Gründe für eine Herausgabe der Nummernschilder an Tesla während des laufenden Verfahrens vorliegen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung in dem Rechtsstreit könnte es noch einige Wochen dauern.IF Metall kämpft für den Erhalt der Regeln auf dem schwedischen ArbeitsmarktVorausgegangen waren dem Streik der IF Metall jahrelange Bemühungen um Verhandlungen mit dem schwedischen Tesla-Ableger TM Sweden AB. Nachdem es das Unternehmen bei einem Schlichtungsversuch ein weiteres Mal ablehnte, für seine Monteure einen Tarifvertrag für die Automobilindustrie abzuschließen, sah die Gewerkschaft die Zeit zum Handeln gekommen. Ihre Vorsitzende Marie Nilsson rief dazu auf, die Tesla-Werkstätten an allen 14 Standorten im Land zu bestreiken.Bei dem Kampf um einen Tarifvertrag geht es zum einen um Gehaltstabellen, Arbeitsbedingungen und die soziale Absicherung im Alter. Zugleich sollen die Spielregeln auf dem schwedischen Arbeitsmarkt verteidigt werden, wo Tarifbindung weiter die Regel ist. Die Gewerkschaften fürchten, dass das Gegenbeispiel Tesla Schule macht und ihre Rolle untergraben wird. Die IF Metall repräsentiert rund 300.000 Mitglieder aus verschiedenen Sektoren der schwedischen Industrie. Neben der Automobilbranche zählen dazu unter anderem Maschinenbau, Bergbau und Baustoffe. Jährlich schließt die Gewerkschaft mehrere hundert Tarifverträge ab.Aber keinen mit Tesla. Tesla Schweden hat insgesamt mehr als 2.000 Angestellte für den Vertrieb und die Pflege und Wartung der elektrisch angetriebenen Fahrzeuge. Die Firma ist auch am Bau von Ladestationen beteiligt. Im Jahr 2022 setzte der Konzern in Schweden mehr als eine halbe Milliarde Euro um.Soli-Streiks anderer Gewerkschaften treffen TeslaVollständig befolgt wird der Aufruf der IF Metall in den Tesla-Werkstätten nach Medienberichten allerdings nicht. Ein Streikgeld erhalten nur die Gewerkschaftsmitglieder, bei anderen Beschäftigten überwiegen die Loyalität zur Firma oder die Angst um den Arbeitsplatz. Es sind daher vor allem die Soli-Aktionen anderer Berufsgruppen, die Tesla treffen. So verweigerten seit dem 7. November die Hafenarbeiter und die Spediteure in vier schwedischen Häfen die Entladung der E-Automobile. Tommy Wreeth, Vorsitzender der Gewerkschaft Svenska Transportarbetareförbundet, erklärte den Tesla-Streik zu einem „Kampf der gesamten schwedischen Arbeiterbewegung“. Es gelte, das schwedische Modell zu verteidigen. Daher dürfe kein einziger Tesla ins Land gelangen.Zehn Tage darauf weiteten die Gewerkschaften ihre Blockade auf alle Häfen des Landes aus. Tesla-Transporte treffen dort nun schon nicht mehr ein. Der Konzern ist auf Häfen in Dänemark, Finnland und Norwegen und den Weitertransport der Neuwagen nach Schweden auf dem Landweg ausgewichen. Die Fahrer dieser Transporte sind nicht in schwedischen Gewerkschaften organisiert.Zehn Gewerkschaften in Schweden haben mittlerweile Sympathiestreiks für die Sache der IF Metall angedroht und durchgeführt. So hat die Maler-Sparte an 56 Standorten die Lackierung von Tesla-Fahrzeugen eingestellt. Und in den Gebäuden von Teslas zehn schwedischen Service-Werkstätten wird nach einer Entscheidung der Baugewerkschaft nichts mehr repariert, bis der Konzern seine Position ändert.Werkstätten verweigern Tesla-Fahrern ReparaturenTrotz alledem wurden im November in Schweden nach Angaben des Berufsverbands der Automobilbranche mit etwa 1500 mehr als doppelt so viele Fahrzeuge der Marke Tesla registriert wie im Oktober. Die Aussagekraft dieser Zahl ist aber begrenzt, da sie im Jahresverlauf stark schwankt. Transport-Chef Wreeth setzt nun auf die Zusammenarbeit der nordischen Gewerkschaften, um die Entladung von Tesla-Fahrzeugen in ganz Skandinavien zu stoppen.Inzwischen wurden die Arbeitsniederlegungen nach neuen ergebnislosen Treffen von Vertretern der IF Metall mit Repräsentanten des Konzerns mehrfach verlängert und ausgeweitet. Die Automechaniker in 17 durch Tesla autorisierten Werkstätten von Axess, Werksta und Holmgrens Bil nehmen keine Fahrzeuge der in Schweden sehr präsenten Marke mehr an. Veli-Pekka Säikkälä, Tarifsekretär der Metaller, erläuterte gegenüber der gewerkschaftlichen Mitgliederzeitung „Dagens Arbete“: „Unsere Ansage war: Ihr dürft alle anderen Autos reparieren, aber keine von Tesla.“ In den sozialen Medien beschweren sich nun Tesla-Fahrer, dass sie zur „Geisel“ des Streiks gemacht würden und nicht einmal Unfallschäden behoben werden.Die Privatwirtschaft mischt sich ein, die Regierung hält sich rausAuf der anderen Seite der Konfliktlinie befindet sich auch die schwedische Interessenvertretung der Privatwirtschaft, Svenskt Näringsliv. In einem Interview mit der Wirtschaftszeitung „Dagens Industri“ Mitte November sprang Generaldirektor Jan-Olov Jacke dem Automobilkonzern zur Seite und nannte den Streik „unvernünftig“. Tesla müsse selbst entscheiden dürfen, ob man einen Tarifvertrag abschließe oder nicht. „Unsere Aufgabe ist es, Tarifverträge so attraktiv zu machen, dass die Unternehmen dabei sein wollen“, erklärte Jacke. In seinen Augen könnten die Sympathiestreiks der mit IF Metall verbündeten Gewerkschaften gegen Arbeitskampfregeln verstoßen. Sollte Tesla aufgrund des Konflikts Schweden gar den Rücken kehren, warnte der Arbeitergeberchef, wäre das für das Land „schlechte Reklame“.Die seit einem Jahr im Amt befindliche Regierung aus konservativen Moderaten, Christdemokraten und Liberalen unter Ministerpräsident Ulf Kristersson, die sich im Reichstag auch auf die Stimmen der nationalistischen Schwedendemokraten stützt, erklärte, sich nicht die Auseinandersetzung zwischen den Gewerkschaften und Tesla einmischen zu wollen. Allerdings erwarte man sich laut Kristersson eine „partnerschaftliche Lösung“, die mit dem schwedischen Arbeitsmarkt konform sei.Auch in Deutschland lehnt Tesla Tarifverträge abIn einer ersten Stellungnahme Tage nach Streikbeginn hatte Tesla gegenüber der schwedischen Nachrichtenagentur TT bekräftigt, dass man sich „an die Regeln des schwedischen Arbeitsmarkts“ halte, sich aber „wie viele andere Unternehmen gegen den Abschluss von Tarifverträgen entschieden“ habe. Die Konditionen bei Tesla seien bestens, eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft sei daher unnötig. Das sieht die auf den Tarifvertrag der Autoindustrie pochende IF Metall anders. Zudem würde nur ein solcher Abschluss Löhne und Sozialleistungen auch dauerhaft garantieren.Am Vorabend des Nikolaustags rief nun auch die dänische Gewerkschaft 3F Transport eine Solidaritätsaktion aus. Sollte Tesla nicht binnen zwei Wochen einen Tarifvertrag unterschreiben, wird die Blockade der Häfen auf Dänemark ausgeweitet. Der Konzern gibt sich ungerührt. Ohne auf den Streik einzugehen, kündigte Tesla in einer Pressemitteilung am selben Tag die Eröffnung eines neuen Service-Centers im südschwedischen Jönköping an. Darüber hinaus hieß es, dass 40 Tesla-Techniker bereitstünden, zu Kunden überall in Schweden zu reisen und Probleme vor Ort zu beheben.Teslas Ausweichmanöver vor Tarifverträgen sind auch den deutschen Gewerkschaften gut bekannt. Ab November hatte der Konzern für die Beschäftigten der Gigafactory des Elektroautobauers in Grünheide bei Berlin ein deutliches Lohnplus angekündigt. Vorausgegangen waren verstärkte Anstrengungen der IG Metall um die Organisierung von Mitgliedern im Werk.