Uwe Steimle: Warum der Kabarettist oft furchtbar daneben liegt
Humor Die NATO ist kurz davor in Russland einzumarschieren! Diese und ähnlich schräge Parolen haut Uwe Steimle raus bei Youtube. Warum seine Verteidiger ihn nicht richtig begriffen haben – eine Replik
Mit der geballten Faust gegen den Wischi-Waschi-Aktivismus des Komiker-Mainstreams: Erich Honecker, Pardon, Uwe Steimle
Foto: Sven Ellger / Imago
Schaut man sich eine Ausgabe von Uwe Steimles Youtube-Format an, kann es einem kalt den Rücken runterlaufen. Man murmelt „Das stimmt doch so gar nicht“ und „Was hat er denn nur permanent gegen die Baerbock?“. Dann scrollt man durch die Kommentare. Und ist erstaunt bis erschrocken, dass sie ausschließlich aus großer Zustimmung und purer Dankbarkeit bestehen.
Da holt einer die Leute genau ab, wo sie sind. Mit Parolen gegen „die da oben“ oder „unsere Qualitätspresse“ – ohne die Floskel, dass die Zeitungen eh alle das Gleiche schreiben, kriegt man als politischer Kabarettist quasi keine Auftritte. Mal abgesehen davon, dass es niemand schaffen würde, alle Inhalte aller Tageszeitungen auf den unterstellten Konformismus
nformismus abzuklopfen, unterschlägt dieser volkstümliche Evergreen, dass das Medienspektrum sehr wohl von junge Welt ganz links bis Junge Freiheit ganz rechts reicht. Auch wenn beide zu den Reizthemen Russland, Ukraine und vor allem Robert Habeck (schuld an allem!) tatsächlich derzeit Ähnliches schreiben.Es gibt aber auch die Jüdische Allgemeine und die Preußische Allgemeine Zeitung. Und deren Inhalte unterscheiden sich bestimmt fundamental. Dennoch schallt von der Bühne: „Die Zeitungen schreiben alle das Gleiche!“ Und im Publikum raunt es: „Genau so isses!“ Uwe Steimle ist ein Dienstleister, der weiß, was die Leute im ausverkauften Saal hören wollen. Ja: ausverkauft. Das Gegenteil von Berufsverbot. Jenen Märtyrer-Orden verlieh er sich selbst nach der Absetzung seiner MDR-Sendung Uwes Welt. Dass der MDR im selben Jahr drei weitere Humorsendungen strich (Zärtlichkeiten im Bus, Comedy mit Karsten, Kanzleramt Pforte D), interessierte keine Sau.Information ist ein GefühlUwe Steimle will die verbitterte Meinung der Gemeinschaft, die zu ihm kommt, bestätigen. Da darf es auch fantastisch werden. Im Januar 2022, glaube ich, sah ich mir zum bislang letzten Mal eines seiner Youtube-Videos an. Darin schilderte er, in diesem bunkerhaften Raum sitzend, dass er massive Angst vor einem Atomkrieg habe. Denn die NATO sei kurz davor, in Russland einzumarschieren. Sie sei scharf auf die Rohstoffe im Land. Gern hätte ich gewusst, woher er diese Info hat. Und warum er sie hat, aber alle anderen nicht. Sinnlose Fragen im Universum Steimle. „Die Leute wollen nicht informiert werden, sie wollen sich informiert fühlen.“ Dieser Satz, mit dem Russel Crowe als Fox-News-Erfinder Roger Ailes in der Serie The Loudest Voice seine Version der Meinungsmache begründet, gilt wohl auch bei Uwe Steimle.Hinzu kommt klassische Politikerschelte. Denn die ist im Fernsehkabarett derzeit selten zu finden. In diese Nische geht Steimle. Sein Erfolg ist dem Niedergang des Genres Politik-Bashing geschuldet. Das klassische Volksvertreter-Abwatschen, wie es vor Jahren bei Neues aus der Anstalt vor Millionen ZDF-Zuschauern stattfand, hat sich zu einem notorischen Abwatschen der Gesellschaft gewandelt. Vermutlich, weil die jüngeren Fernsehnasen, die heute am Ruder sind, sehen und wissen, dass nicht allein die Politiker die Dartscheiben für thematische Giftpfeile sein sollten.Vor Jahren verhinderte ein Horst Seehofer (CSU) in Bayern den Ausbau von Stromleitungen. Er folgte damit dem Willen regionaler Bürgerinitiativen, die lieber eine schöne Aussicht auf ihre Hügel, Kühe, Autobahnbrücken und das ein oder andere DHL-Versandzentrum haben wollten als eine Verschandelung ihrer Sichtachse durch Überlandstromleitungen. Als direkte Folge müssen oben an der Küste Windräder abgeschaltet werden, weil der viele neue Strom nicht mehr ins alte enge Netz passt. Weil unten neue Leitungen fehlen. Ironie der Geschichte ist dann, dass exakt diese Bürger, denen Seehofer damals nach dem Mund regiert hat, sich heute in Familien-Whatsapp-Gruppen das Maul zerreißen, wie sehr die Grünen gerade „unser Land an die Wand fahren und unsere Industrie zerstören“.Das Volk will nicht hören, was es selbst verbockt hatDass nicht nur die Grünen schuld sind, sondern auch das Volk, darauf weisen die heutigen Kabarettsendungen gern und oft hin. Aber das mag das Volk nicht hören. Es hat eine Aversion gegen erzieherische Töne. Die findet man bei Steimle natürlich nicht. Bei ihm und auch bei seiner auf YouTube sehr erfolgreichen Kollegin Simone Solga sind die Politiker die Feinde. Und die Klimakleber, die Genderaktivisten, diese Regenbogenbinde. So weit, so gähn. Für die Zielgruppe mag das großartige Unterhaltung sein. Sie folgt dem gleichen Prinzip, das die Bild-Zeitung anwendet, um ihre Leser bei der Abo-Stange zu halten: aus der kleinsten Zeitgeist-Mücke in der kleinsten Kita des Landes („Wir möchten von Indianerkostümierung absehen ...“) einen staatlich verordneten Verbotselefanten zu machen. Es werden Probleme kreiert und ausgewalzt, die es so gar nicht gibt, und daran sind natürlich die Politiker schuld. Deren Kaste diktiert auch, worüber die „Staatsmedien“ in ihren Sendungen, einschließlich der Kabarettformate, zu „berichten“ haben.Steimle ist aber auch so erfolgreich, weil er sich gegen den Aktivsten-Komiker stellt. Dieser Typus stößt nicht nur beim „Volk“ auf Misstrauen, auch reflektierte, kritische Menschen mögen ihn nicht. Es nervt, wenn Comedians gefühlt (ja, gefühlt, ich kann und will es nicht in jedem Fall nachprüfen) in jeder Humorsendung zuerst ihre Haltung, dann ihre Herkunft, als Nächstes ihre feministische Agenda und schlussendlich ihre sexuelle Orientierung legitimieren. Natürlich in gegenderter Sprechweise. Was zuerst nur durch soziale Netzwerke waberte, der nach Likes gierende Ehrgeiz danach, der korrekteste, meinungsstärkste Mensch von allen zu sein, hat sich längst ins Programm von Bühnenkünstlern und ins Mindset von Sendungsredakteuren gefressen. Das ist auch ein Generationskonflikt.Der gerade 60 gewordene Uwe Steimle, der sich wohlig in der ausländerfreien, schrebergartenhaften und von den komplizierten Zumutungen der Weltgeschichte abgeschotteten DDR einigelt, ist dazu der herzerwärmende Gegenentwurf. Und auch ein konservativer Stinkefinger an alle, die jeden über 50 notorisch als „Boomer“, also „logischerweise rechts“, als „so ein Jochen, so eine Sabine“ aburteilen. Und damit eine Ausgrenzung betreiben, die von der anderen Seite trotzig verfestigt wird.Placeholder authorbio-1