Wer kriegt wie viel?

VG Wort Autoren sollen laut Bundesgerichtshof mehr Geld bekommen. Kleine Verlage sehen sich in ihrer Existenz davon bedroht – genau wie einige Autoren
Ausgabe 18/2016

Eine Welle der Aufregung rollt durch die Medien- und Literaturbranche: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Tantiemengelder, die die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) für Bücher und Artikel auszahlt, allein den Autoren zustehen – nicht mehr, wie bisher, anteilig auch den Verlagen. Schon sehen sich kleine Verlage von Isolvenz bedroht, denn sie müssen die laut BGH zu Unrecht an sie ausgeschütteten VG-Wort-Anteile zurückzahlen. Die Verleger und viele Autoren bewerten die Entscheidung als Schlag gegen die Beziehung zwischen Urhebern und Verwertern.

Dagegen meinen andere Autoren – allen voran der Kläger Martin Vogel –, das Gericht habe ihnen bloß zugesprochen, was ihnen zustehe. Branchenbeobachter wie Stefan Niggemeier und Jan Drees warnen in ihren Blogs, dass die Verleger, vor allem die großen Zeitungen, mit ihrer Meinungsmacht nun versuchten, einen Keil ins Lager der Urheber zu treiben. Ganz ohne ist das BGH-Urteil tatsächlich nicht. Ich selbst habe erste Folgen schon zu spüren bekommen: Mein neuer Roman, der im Herbst bei einem Kleinverlag erscheinen sollte, wurde aus finanziellen Gründen auf das Frühjahr 2017 geschoben.

Martin Vogel, der Kläger, ist Wissenschaftsautor. Für diesen Bereich gelten andere Regeln als für die Belletristik: Die Urheber erhalten hier vom Verlag oft gar kein Honorar, lektoriert wird kaum, zudem müssen die Verfasser ihre Beiträge nach oft rigiden Vorgaben selbst formatieren. Es ist ärgerlich, dass Wissenschaftsverlage dafür 50 Prozent des VG-Wort-Entgelts einstreichen. Vogels Interesse, diese Regelung zu ändern, ist also nachvollziehbar. Die meisten belletristischen Autoren – stellvertretend für viele hat sich Karen Köhler zu Wort gemeldet – erkennen aber die Leistungen ihrer Verlage um Lektorat, Marketing und Vertrieb durchaus an, so dass sie die im Belletristik-Bereich anfallenden 30 Prozent VG-Wort-Anteil der Verlage gern verschmerzen.

Das Ganze wächst sich jetzt zu einer politischen Frage aus: Börsenverein und Verlagsvertreter rufen nach einer gesetzlichen Regelung, die den Verlegeranteil ein für allemal fest im Urheberrecht verankert. Zweifelhaft ist, ob dieses Gesetz die Lage der Urheber, der Autoren also, verbessert. Doch ohne einen solchen Ausgleich werden die Verlage den 1978 ausgehandelten und 2014 erneuerten Normvertrag zwischen Schriftstellern und Verlagen kaum in der jetzigen Form bestehen lassen. Sie werden wohl eher versuchen, die ihnen entgangene VG-Wort-Vergütung durch eine Absenkung der Autorenanteile auszugleichen.

Man darf den Ausgangspunkt dieser Rechtsinitiative nicht vergessen: In einem Musterprozess hatte der Kopiergerätehersteller Hewlett-Packard um die Jahrtausendwende gegen die belgische Verwertungsgesellschaft Reprobel vor dem europäischen Gerichtshof geklagt – in der Absicht, seine Pflichtabgaben für die Vervielfältigung von Texten zu senken. Das Urteil zum heutigen Urheberrecht fiel quasi nebenbei ab. Wird die Geräteindustrie dabei stehen bleiben? Eine angeschlagene VG Wort und die lose Gruppe der Urheber werden sich etwaigen Folgeverfahren jedenfalls kaum wirkungsvoll erwehren können. Sollte die VG Wort in dem Streit zerbrechen, wäre es für die Urheber erst recht verheerend: Sie bekämen in Zukunft vermutlich 100 Prozent von nichts.

Enno Stahl arbeitet am Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut und hat zuletzt den Essayband Diskurspogo (2013) veröffentlicht

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