Der Staat ist der Verweigerer

Integrationsgesetz Angeblich sollen Flüchtlinge besser in die deutsche Gesellschaft aufgenommen werden. In Wirklichkeit werden sie mit dem neuen Gesetz vor allem schikaniert
Ausgabe 23/2016
Die allermeisten Flüchtlinge wollen sich integrieren und ein neues Leben aufbauen
Die allermeisten Flüchtlinge wollen sich integrieren und ein neues Leben aufbauen

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Ein Integrationsgesetz soll es sein. Angeblich geht es darum, Flüchtlinge in die deutsche Gesellschaft aufzunehmen. In Wirklichkeit aber werden sie vor allem schikaniert. In der vergangenen Woche wurde über den Gesetzentwurf erstmals im Bundestag diskutiert. Die Botschaft der Großen Koalition ist klar: Wir bringen die Flüchtlinge dazu, sich endlich zu integrieren! Der Unterton lautet: Die meisten wollen das nicht, daher müssen wir sie zwingen. Es ist ein Kniefall vor den Rechtspopulisten.

Wer Flüchtlinge zu Integrationsverweigerern macht, leidet unter Wahrnehmungsverlust. Die allermeisten wollen Anschluss finden, wollen Deutsch lernen, wollen Geld verdienen. Der wahre Integrationsverweigerer ist der deutsche Staat.

Die Zahl der Integrationskurse reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken. Wenn Asylbewerber eine Arbeit aufnehmen wollen (und noch keine 15 Monate legal hier leben), wird erst geguckt, ob sich nicht ein deutscher Bürger für den Job findet, das ist die „Vorrangprüfung“. Und Zehntausende Flüchtlinge erhalten keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, sondern müssen über Jahre hinweg alle paar Monate eine neue Duldung beantragen. Kein Wunder, dass da einige hadern, sich langfristig auf ein Leben in Deutschland einzustellen.

Vieles wird schlimmer

Mit dem „Integrationsgesetz“ wird nun weniges besser und vieles schlimmer. Manche Asylbewerber, die eine Ausbildung absolvieren, erhalten mehr Hilfe. In Regionen mit niedriger Arbeitslosigkeit soll auf die Vorrangprüfung verzichtet werden.

Gleichzeitig sollen aber auch 100.000 Ein-Euro-Jobs geschaffen werden. Als Sprungbrett zum regulären Arbeitsmarkt hat das schon bei deutschen Arbeitslosen nicht funktioniert. Nun werden auch Flüchtlinge abgeschoben in schlechte Jobs mit Billiglohn. Wenn sie sich weigern, kann ihnen das Geld gekürzt werden. Sie können bald auch leichter zu Deutschkursen verpflichtet werden.

Flüchtlinge dürfen künftig sogar gezwungen werden, in einer bestimmten Stadt zu wohnen – angeblich, um sie vor „sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung“ zu schützen. Das ist nicht nur absurd, weil so potenzielle Diskriminierungsopfer bestraft werden. Die Wohnsitzauflage dürfte auch die Arbeitssuche zusätzlich erschweren.

Die Organisation Pro Asyl hat schon recht: Es handelt sich um ein Desintegrationsgesetz.

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