Die Würde Deutschlands ist unantastbar

Rassismus Angela Merkel und Sigmar Gabriel verurteilen die rechten Angriffe auf Flüchtlinge. Doch ihre patriotische Wortwahl macht die Sache nur noch schlimmer
Wissen, was deutsch ist – und was nicht: Sigmar Gabriel und Angela Merkel
Wissen, was deutsch ist – und was nicht: Sigmar Gabriel und Angela Merkel

Bild: Adam Berry/Getty Images

Sigmar Gabriel setzt sich in Szene. Er besucht Heidenau und findet klare Worte zu den rassistischen Krawallen gegen die Notunterkunft für Flüchtlinge. Besser macht er die Sache aber nicht. Im Gegenteil. Der rechte Mob, das seien „die undeutschesten Typen, die ich mir vorstellen kann“, hat der SPD-Vizekanzler laut MDR gesagt. Soll das etwa Kritik sein? Ist „undeutsch“ – übrigens ein Begriff aus der Nazi-Rhetorik – für ihn ein geläufiges Schimpfwort? Nationalismus soll offenbar mit Nationalismus bekämpft werden.

Andere Koalitionspolitiker verhalten sich leider genauso schlecht. Bundestagspräsident Norbert Lammert von der CDU bezeichnete im Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung die Ausschreitungen rund um Flüchtlingsunterkünfte als „peinlich für unser Land“. Und Angela Merkel hatte schon vor wenigen Tagen im ZDF-Sommerinterview gesagt, Gewalt gegen Asylbewerber sei „unseres Landes nicht würdig“.

Das Maß der Dinge

Das muss man sich klar machen: Tausende Menschen werden in ihrer Heimat verfolgt, fliehen nach Deutschland und werden hier Ziel von rassistischen Angriffen. Und was muss geschützt werden? Die Würde Deutschlands! Das ist der Maßstab für Merkels Bewertung. Zudem stellt sich die Frage, ob die Gewalt irgendeines anderen Landes würdig ist. Ansonsten hätte die Kanzlerin nicht betonen müssen, dass sie „unseres“ Landes nicht würdig sei.

Die Wortwahl verharmlost die Gewalt. Würde sich Merkel bei einem islamistischen Terroranschlag, ausgeführt von Deutschen, auch hinstellen und erklären, der sei „unseres Landes nicht würdig“? Würde Gabriel sagen, er sei „undeutsch“?

Ist Rassismus so "undeutsch"?

Womöglich glauben die beiden im aktuellen Fall, sie könnten mit ihrer Wortwahl die Ausländerfeinde besser erreichen und so von weiteren Taten abhalten. Das ist jedoch ein Irrglaube. Diese Menschen werden sich weder von Merkel noch von Gabriel beeinflussen lassen – zumal hinlänglich bekannt ist, dass Kanzlerin und Vizekanzler nicht zu den Fans von rassistischen Attacken gehören. Das Gerede von „undeutschem“ Verhalten verstärkt vielmehr den Patriotismus in der Bevölkerung. Deutschland wird wieder als positiver Bezugspunkt wahrgenommen.

Am Ende bleibt noch die Frage, ob rassistische Hetze wirklich so „undeutsch“ ist. Trifft das zu auf ein Land, in dem der Innenminister monatelang vor Asylmissbrauch warnt und eine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge ins Gespräch bringt? In dem eine Regierungspartei mit dem Motto „Wer betrügt, der fliegt“ alle Ausländer unter Generalverdacht stellt? In dem die Politik als Antwort auf überfüllte Flüchtlingsheime nur einfällt, Ausländer stärker abzuschrecken, durch Grusel-Videos und durch Kürzung des Taschengelds?

Vielleicht sollten sich die Regierungspolitiker jetzt erstmal an die eigene Nase fassen als sich mit unpassenden Ausdrücken zu Wort zu melden.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden