Schwieriger Neuanfang

Atommüll Die Endlagerkommission legt ihren Bericht vor, der Standort Gorleben bleibt umstritten
Ausgabe 27/2016
Müll sucht Bleibe für eine Million Jahre
Müll sucht Bleibe für eine Million Jahre

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Die Kommission zur Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe konnte nur scheitern. Es war absehbar, dass sich die Mitglieder nicht auf einen gemeinsamen Abschlussbericht einigen können, wenn in dem Gremium neben Wissenschaftlern auch die Umweltverbände und die Industrie sowie Politiker von links bis rechts vertreten sind. Nun, nach zwei Jahren mühseliger Kleinstarbeit, liegen die Empfehlungen für die Endlagersuche vor, aufgeschrieben auf fast 700 Seiten, beschlossen von der Mehrheit, nicht im Konsens. Dazu gibt es mehrere Sondervoten.

Die gesellschaftlichen Gräben sind zwar etwas zugeschüttet worden, aber immer noch erkennbar, nicht zuletzt in der Streitfrage Gorleben. Viele Umweltorganisationen und Anti-Atom-Initiativen hatten sich von Anfang an nicht an der Kommission beteiligt, die Politik musste erst werben, bevor sich die Deutsche Umweltstiftung und der BUND zur Mitarbeit bereit erklärten.

Die Herausforderung ist enorm: Für eine Million Jahre soll der Atommüll sicher verwahrt werden. Die Kommission sollte dazu wissenschaftliche Kriterien entwickeln, das Standortauswahlgesetz evaluieren und Maßnahmen zur Öffentlichkeitsbeteiligung finden. Einige Ergebnisse: Empfohlen wird das Einlagern in eine tiefe geologische Formation, also kein oberirdisches Lager. Außerdem soll „der Rückholbarkeit beziehungsweise Bergbarkeit der Abfälle eine hohe Bedeutung zugemessen werden“, um Fehler noch korrigieren zu können. Die Suche ist in ganz Deutschland geplant, und zwar in allen möglichen Wirtsgesteinen. Während des Verfahrens sollen mehrere Standorte miteinander verglichen werden.

Das sind durchaus Fortschritte gegenüber der bisherigen Situation. Der Salzstock Gorleben wurde vor Jahrzehnten aus politischen Gründen auserkoren, anschließend wurde dort für mehr als eine Milliarde Euro erkundet – aber es gibt bis heute keinen Vergleich mit anderen potenziellen Standorten. Die Befürworter hielten das lange Zeit für überflüssig, vor drei Jahren wurde dann von einer ganz großen Koalition aus Union, FDP, SPD und Grünen ein Neustart in der Endlagersuche vereinbart.

Politisch nicht durchsetzbar?

Gorleben bleibt im Rennen, und das verärgert viele Umweltschützer. Sie fürchten einen „Vorteil“ für den Salzstock, weil dort schon lange erkundet wurde und die Konzerne ein Interesse haben, Gorleben durchzudrücken und so Geld für die Erforschung von Alternativen zu sparen. Allerdings könnte sich dieses Problem etwas entschärfen, wenn sich die Industrie bald durch eine einmalige Zahlung von den Endlagerkosten freikauft. Dann hat der Staat ein finanzielles Interesse an einer günstigen Endlagersuche.

Wie sehr Gorleben polarisiert, zeigt sich auch in dem Bericht. Da die Kommission geteilter Meinung ist, gibt es dazu zwei Abschnitte – mit unterschiedlichen Blicken auf das Thema. Außerdem stand zur Debatte, ob Gorleben als „politisch nicht durchsetzbar“ bezeichnet werden solle, diese Formulierung wurde aber wieder gestrichen. Einige Kommissionsmitglieder finden das nicht so schlimm und glauben, dass Gorleben wegen der Geologie ohnehin in der ersten Auswahlrunde rausfliegt.

Der BUND beklagt nun, dass sich die Kommission „nicht zu einem Verzicht auf den Standort Gorleben durchringen konnte“. Das wäre allerdings auch sehr überraschend gewesen, schließlich erklärten zuvor alle politischen Parteien außer der Linken, dass Gorleben in die Suche einbezogen werden solle. Andere BUND-Kritikpunkte hingegen sind etwas näher an der politischen Realität. Der Umweltverband moniert, dass in manchen Phasen der Endlagersuche juristische Klagemöglichkeiten fehlten, dass der Atomausstieg nicht im Grundgesetz verankert wird und dass unklar sei, ob ein Lager nur für hoch radioaktiven Müll gesucht wird oder ob auch mittelstark und schwach strahlende Abfälle eingelagert werden sollen.

Ähnliche Kritik äußert auch der Linken-Abgeordnete Hubertus Zdebel. „Zu viele Fragen bleiben unbeantwortet, Gorleben kontaminiert weiterhin das Suchverfahren, und die Beteiligung der Öffentlichkeit bleibt eine große Schwachstelle.“ So sei der ursprüngliche Plan verworfen worden, den Bericht vor Abschluss der Kommissionstätigkeit von der Öffentlichkeit kritisch bewerten zu lassen. Zdebel macht den Zeitdruck dafür verantwortlich. Bleibt zu hoffen, dass bei der Endlagersuche selbst dann doch Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht.

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