Es gibt Journalisten, die halten sich für objektiv. Es gibt Journalisten, die wollen sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit der guten (obwohl der Zitaturheber Hanns-Joachim Friedrichs das sicherlich anders gemeint hat als es viele heute verstehen). Und es gibt Journalisten, die schreiben für ein Meinungsmagazin wie den Freitag.
Wie ticken die Freitag-Redakteure politisch? Wer nicht alle Texte der vergangenen Jahre analysieren möchte, freut sich vielleicht über Schubladen – in Form von Sympathiebekundung zu einer bestimmten Partei. Kurz vor der Bundestagswahl wurde in der Community bereits über das Wahlverhalten einiger Redakteure spekuliert, nachdem sich der Kultur-Ressortleiter Michael Angele zur SPD-Stimme bekannt hat.
Eine Auflistung aller Redakteure samt Wahlverhalten wird es nicht geben. Soviel Transparenz wäre wohl selbst den Piraten zu viel. Auch ruft der Freitag nicht zum Wählen einer bestimmten Partei auf, wie es etwa die Financial Times Deutschland mehrmals getan hat.
Aber wir haben eine Freitag-interne Bundestagswahl durchgeführt – natürlich streng geheim. Zudem haben fast alle Mitarbeiter den Wahl-O-Mat genutzt und verraten, welcher Partei sie dort am nächsten stehen.
Und so würde der Bundestag aussehen, wenn er alleine von Redaktion und Verlag (samt Praktikanten) des Freitags gewählt würde:
Die Grünen liegen mit acht Stimmen vor der Linken mit sieben und der SPD mit sechs Stimmen. Bei CDU, Tierschutzpartei und der PARTEI hat jeweils eine Person das Kreuzchen gemacht. Wegen der Fünf-Prozent-Hürde wären diese Parteien jedoch nicht im Parlament vertreten. Die Sitze werden natürlich nach dem Sainte-Laguë-Verfahren verteilt.
Rechnerisch möglich wären bei diesen Mehrheitsverhältnissen im Bundestag folgende drei Regierungskoalitionen: Grüne und SPD, Grüne und Linke oder Linke und SPD. Da sich die SPD wohl kaum dazu durchringen kann, als Juniorpartner eine Koalition mit der Linken einzugehen, ist es an den Grünen, sich für ihre Wunschkoalition zu entscheiden. Bislang haben sie sich immer wieder für ein Bündnis mit den Sozialdemokraten ausgesprochen, daher ist Grün-Rot am wahrscheinlichsten.
Wahl-O-Mat-Ergebnisse
Wie sieht es aus, wenn alle Freitag-Mitarbeiter das wählen, was ihnen der Wahl-O-Mat empfiehlt?
Die SPD sackt stark ab (zwei statt sechs Stimmen), dafür gewinnt die Linkspartei leicht dazu (acht statt sieben). CDU und Tierschutzpartei werden gar nicht mehr gewählt (zuvor je eine Stimme), dafür erhalten FDP und Piraten je zwei Stimmen (zuvor null). Die neuen Prozentzahlen ergeben sich daraus, dass es bei dieser Abstimmung zwei ungültige Stimmen gab, bei der "normalen" Freitag-internen Bundestagswahl nur eine.
Die Koalitionsbildung wäre nach der Wahl-O-Maten-Wahl deutlich schwieriger, weil im Parlament fünf Parteien säßen: Linke, Grüne, SPD, FDP und Piraten. Eine Variante wäre ein Regierungsbündnis aus Linken und Grünen. Alternativ müsste sich eine dieser Parteien zwei weitere Juniorpartner suchen. Das brächte jedoch Probleme mit sich: Die Gemeinsamkeiten mit der FDP sind überschaubar, die Piraten werden in der Regel als unzuverlässig eingestuft und alleine mit der SPD reicht es nicht für die Mehrheit. Daher wird es in diesem Fall wohl eine grün-linke Regierung geben.
In der Freitag-Redaktion wird inzwischen darüber spekuliert, wer wohl die CDU wählt und wem der Wahl-O-Mat die FDP empfohlen hat. Wahlberechtigt waren übrigens alle festen Mitarbeiter (und Praktikanten) des Unternehmens, nachzulesen im Impressum. Wenn man jene im Urlaub oder Elternzeit außen vor lässt, bleiben 29 Wahlberechtigte. 25 Stimmen wurden abgegeben, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 86,2 Prozent. Sie ist somit deutlich höher als die bei der Bundestagswahl 2009 (70,8 Prozent). Zumindest das ist doch ein gutes Ergebnis für den Freitag.
Das Ergebnis in Zahlen:
Wahlberechtigte: 29
Abgegebene Stimmen: 25
Wahlbeteiligung: 86,2 %
"Diese Partei werde ich wählen"
gültige Stimmen: 24
ungültige Stimmen: 1
Grüne: 8 (33,3%)
Linke: 7 (29,2%)
SPD: 6 (25,0%)
CDU: 1 (4,2%)
Tierschutzpartei: 1 (4,2%)
Die PARTEI: 1 (4,2%)
In Anbetracht der Fünf-Prozent-Hürde werden im Parlament mit 598 Abgeordneten die Sitze wie folgt verteilt (nach dem Sainte-Lague-Verfahren):
Grüne: 228 Sitze
Linke: 199 Sitze
SPD: 171 Sitze
"Diese Partei empfiehlt mir der Wahl-O-Mat"
gültige Stimmen: 23
ungültige Stimmen: 2
Linke: 8 (34,8%)
Grüne: 8 (34,8%)
SPD: 2 (8,7%)
FDP: 2 (8,7%)
Piraten: 2 (8,7%)
Die PARTEI: 1 (4,3%)
Die Sitze würden wie folgt verteilt:
Linke: 218 Sitze
Grüne: 218 Sitze
SPD: 54 Sitze
FDP: 54 Sitze
Piraten: 54 Sitze
Kommentare 22
Witzig und klug, Herr Werdermann,
Genau! Wahl-O-mat aufrufen, schön ankreuzen, Präferenzen setzen und dann das Ergebnis ablesen. Das hilft in der neuen, alten Unentschlossenheit. Bei mir kam irgendwie das Rot raus und das werde ich auch wählen.
Sie sind nicht nur auf einem differenzierten, sondern auch fröhlich, heiter und gelassen machenden Pfad.
Die Idee mit dem Redaktionswahlautomat ist schön locker und hat Esprit, wie auch jene, auf die Frontseite der aktuellen Ausgabe die Köpfe des dF, sofern sie es wollten, zu drucken. - Man sieht, keiner muss sich hinter dem Blatt verstecken nur weil er ein kluger Kopf ist. (;-))
Hanns-Joachim Friedrichs meinte, ein Journalist solle nicht zum Steigbügelhalter und Wahlwerber werden und sich die persönliche Distanz und den Willen, selbst Politik zu machen, Kampagnen zu fahren, sparen, nicht aber, das Urteil über die Politik aufgeben und selbst keine Entscheidung zu fällen.
Kerle und schreibende Zoras müssen eine Meinung haben. Das ist ja schließlich ein Teil eures Jobs. - Sie haben das lange schon erkannt und heute, als ich meinen dF im Kasten fand, wusste ich wieder, warum klein auch fein und schön ist.
Nur weiter so
Christoph Leusch
Wenn man sich ein Volk wählen könnte, euch würde ich wählen!!
Ich schließe mich Columbus an!
Nur weiter so
Mich freut das Ergebnis auch!
Und für die CDU/FDP … ein kleiner Spruch
“ Wenn einer, der mit Mühe kaum
gekrochen ist auf einen Baum,
schon meint, dass er ein Vogel wär,
so irrt sich der. “
Wilhelm Busch
Hier zeichnet sich die Zukunft ab, eingebettet in den Großwahlraum Europa entstehen kleinflächige Wahl-Cluster, nicht an bestimmte Regionen gebunden, sondern an Zusammenschlüsse jeglicher Art. Im Cluster wird die entsprechende Politik realisiert, heruntergebrochen und passgenau verteilt vom Demokratie-Central-Computer, DCC. Das hat Rückwirkungen auf die Firmenpolitik, die nun nicht mehr als Wirtschafts/Kapitalismus-Blase in der Demokratie schwimmt, nein, Demokratie first lautet die Devise. Noch nicht ganz ausgereift ist die Mikro-Cluster-Wahl, bei der die persönliche Präferenz ausschlaggebend ist, zusammen ergibt das die Matrjoschka-Wahlspären, Europa, Cluster, Mikrocluster. Das hört sich vielleicht im ersten Moment etwas verworren an, zukünftige Generationen werden diese Vielschichtigkeit Dank facebook und entsprechenden Apps spielend bewältigen...
Es gibt Journalisten, die wollen sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit der guten (obwohl der Zitaturheber Hanns-Joachim Friedrichs das sicherlich anders gemeint hat als es viele heute verstehen).
Als RA, der ich bin, sehe ich das nicht so. Wenn du nicht Partei ergreifst, sei es für deinen Mandanten oder für die Sache, um die es geht, sondern höflich distanziert über den Dingen schwebst, überzeugst du nicht. Die Kunst ist, jedem Standpunkt und jeder Sache das beste abzugewinnen. Partei zu ergreifen, ist dabei kein Fehler. Zwar riskiert man, auf dem Bauch zu landen. Aber wer dieses Risiko nicht eingeht, wirkt oft saft- und kraftlos. Und letztlich kommt es sowieso immer darauf an, worum es geht. Für eine gute Sache einzutreten schadet nie.
das tortendiagramm vom wahl-o-mat koennte ich mir glatt an die wand haengen. gar keine stimme fuer die cdu, das ist echt herrlich.
Sehr interessanter Artikel mit noch interessanterem Ergebnis.
Der Freitag verdient sich seinen Untertitel redlich!
Oh, in dieser Redaktion würde ich auch gerne mitarbeiten. Auch wenn mehr Meinungspluralität sicherlich spannender ist..
Ein hoffnungsvolles Ergebnis. Da wäre sogar eine Allparteienkoalition – natürlich ohne Fraktionsdisziplin/zwang - möglich.
Die Stimmenanzahl für die SPD ist beeindruckend & schleierhaft, weshalb an folgendes "erinnert" sei:
2009 - nach der letzten Bundestagswahl
http://imageshack.us/a/img202/1781/2z8l.jpg
2013 - 10 Jahre "Agenda 2010"
http://imageshack.us/a/img809/3696/sedu.jpg
2013 - 150 Jahre SPD
http://issuu.com/nachdenkseiten-leipzig/docs/130523_nds-lpz_150-jahre-spd
2013 - Vorwärts! (und nicht vergessen...)
http://imageshack.us/a/img18/3253/6dlb.jpg
Vielen Dank für die aussergewöhnliche Idee und die (relative) Offenheit!
Jetzt weis man endlich, mit wem man es zu tun hat ;-)
Schönes Wochenende zusammen!
eine grün-linke Regierung
lieber felix,
dem lob der vorigen schließe ich mich gern an.
und mit der wahl der redaktion bin ich vollkommen einverstanden. das wäre auch meine wahl für den bund, die länder und städte...
doch bei meinem vorbehalt gegenüber dem system bleibe ich. mir kann nicht gefallen, dass der wille dominant ist, wissen und gewissen das nachsehen haben...
grüße, h.
Das hört sich vielleicht im ersten Moment etwas verworren an, zukünftige Generationen werden diese Vielschichtigkeit Dank facebook und entsprechenden Apps spielend bewältigen...
Gee nau! Und man wählt nicht einen ganzen Schwanz unmöglicher Seiteninteressen der Partei mit.
Nur: Das, dies, jenes und im Sozialen auf jeden Fall ditte!
Wenn es gelingt, ist alles ein Stück weiter.
Und man könnte Ergebnisse (der Wahl, der vielen) viel leichter durch die eindeutigen Entscheidungen der Wähler in dem Bereich überprüfen.
Sicherlich werden die einschlägigen verantwortlichen Priester der alten Ordnung Gründe für ein "tunlichst-nicht-so-Verfahren" finden.
Aber, jede gute Idee - einmal in die Welt gesetzt - kann nach üblichen, schmerzhaften hin- und herpendeln der Oberhände, schliesslich doch einen Sonnenaufgang feiern.
Mit gutem Kaffee, Humor und Holdriho.
Janz jenau, wir wuppen das.
Dieses Tortendiagramm mal neben das vom Sonntag Abend gehalten und Sie haben eine heiße Spur in Sachen Medienmarkt und Marktbereinigung.
Lieber Apatit,
Wenn doch Wilhelm Busch heutzutage seinen Senf zur Wahl geben könnte, wäre Deutschland geholfen! Vielleicht erwächst ja ein Nachfolger aus der dFC-Blogger-Gemeinde! Dann würde ich mich als überzeugter Nichwähler in vier Jahren auf die nächstbeste Urne stürzen, um nicht zu spät zu kommen.
Ganz liebe Grüsse an alle in der Heimat und vergesst nicht, vor der Urne noch einmal in Euch zu gehen!
CE
Das Wahl-O-Mat-Ergebnis sollte man redaktionseitig zusätzlich noch einmal beim Parteiennavigatorder Uni Konstanz gegenchecken - vielleicht kommt dann tatsächlich auch beim Freitag eine tragende Mehrheit jenseits neoliberaler Parteien ans Licht des virtuellen Wahltags
[...ein Drittel Grüne??- Ihr habt wohl den Schuss (noch) nicht richtig gehört . . Kosovo? Agenda 2010? Stuttgart 21? HH-Moorburg? Saarland? ;)]
lg-mcmac
"In der Freitag-Redaktion wird inzwischen darüber spekuliert, wer wohl die CDU wählt...".
Es müsste Michael Jäger sein. [;-)
Uiui, wenn er das liest ...
Ich hab' die Äußerung Michael Jägers (siehe Link Uiui) nochmals gelesen: "Ich und SPD wählen? Das ist ja nicht zu fassen." Das bestätigt meine Vermutung. Danke für das Zitat.
Na, wer grinst denn heute bis über beide Ohren wie ein Honigkuchenpferd? Huhu CDU-Wählerin...