Es gibt eine neue Fernsehserie, Gute Freunde heißt sie und wird im Herbst zu sehen sein. Es geht darin – nachgespielt – um den Aufstieg des FC Bayern in den 1960ern. Eine der ersten Szenen zeigt die Anwerbung des Nördlinger Amateur-Torjägers Gerd Müller. Er glaubte zunächst, Vertretern des TSV 1860 gegenüberzusitzen, denn die hatten sich angesagt. Die Delegation des Lokalrivalen war aber schneller, und das kurze Anwerbungsgespräch, in dem Müller neben dem Spielergehalt die Vermittlung eines Nebenjobs als Möbelpacker offeriert wurde, überzeugte. Er schlug ein, unterschrieb hastig, weil die Sechziger schon klingelten. Da riss er nur noch die Tür auf: „Ich geh zu den Bayern.“ Große Heiterkeit jüngst bei der Uraufführung der Serie bei den Münchner Filmtagen: Was für Zeiten, als Transfers so abliefen.
Heute ist der Wechsel eines Profifußballers komplexer als jeder Tarifstreit. Ein konkretes Angebot über Vertragslaufzeit und Gehalt bedarf allerlei Vorarbeiten. Der Geschäftsführer Sport, Sportdirektor oder Kaderplaner des Interessenten – Stellen gibt’s ja genug – fühlt bei der beratenden Agentur vor, wie die Vertragssituation des Spielers ist, ob es Ausstiegsklauseln oder eine feste Ablösesumme gibt und der Kandidat sich überhaupt vorstellen könnte, sich mit einem Angebot auseinanderzusetzen. Gerne wird dann ein Karriere- oder Entwicklungsplan vorgelegt, damit der Spieler, wenn er kommen sollte, sagen kann: „Das Konzept des FC XY und meine Perspektiven hier haben mich von Anfang an überzeugt.“
Jedenfalls gibt es in der Anbahnungsphase den Punkt, an dem ein Verein sein „Interesse hinterlegt“. Und auch wenn das nicht gleichbedeutend ist mit der Absicht, den Spieler zu verpflichten – ab jetzt ist ein Band geknüpft zwischen zwei Parteien, das stark genug ist, um ein Gerücht zu tragen. Viele Gerüchte wiederum füllen eine Jahreszeit und stützen einen neuen Berufszweig im Fußball: den des Transfer-Experten.
Es war einmal die Fußball-Pause
Früher kannte der Fußball eine Sommerpause, eine gänzlich nachrichtenarme Zeit, in der es nichts gab außer dem Intertoto-Cup, damit der Deutsche Lotto- und Totoblock den Sportzockern etwas anbieten konnte, bis wieder Bundesliga war und Ernst Huberty in der ARD-Sportschau die neue Saison mit einem feierlichen „Die schreckliche, die fußballlose Zeit, sie ist um“ eröffnen konnte. Heute sind Juni, Juli, früher August die größte Zeit des Fußballs: Jede Wechselspekulation beflügelt die Fantasie, und kein Spiel kann sie zerstören. Das geöffnete Transferfenster – auch das neuzeitlicher Fußball-Slang – lädt ins Theater der Träume. Hingegen werden die Spiele zur desillusionierenden Zeit zwischen Sommer- und Wintertransferperiode.
Jetzt also haben wir Fußball-Hochsaison. Was bieten die Bayern für diesen? Hat jener Borussia Dortmund abgesagt? Bereitet Manchester City ein Angebot vor für einen, den auch Barcelona haben will? Insiderwissen springt mit einem Tweet vom Status „geheim“ auf „öffentlich“. Treiber aller Neuigkeiten ist Fabrizio Romano, italienischer Transfer-Experte und „Social-Media-Persönlichkeit“ (Wikipedia). Er hätte sich 1964 bei Müllers in Nördlingen hinter den Gardinen versteckt, und 1860 hätte über ihn von Gerds Unterschrift bei den Bayern erfahren – noch vor dem Klingeln. Doch die gute alte Zeit kennt Romano nicht. Er wurde 1993 geboren.
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