Die Fußball-Bundesliga ist wieder spannend geworden. Gar nicht mal so sehr wegen Bayer Leverkusens Aufbegehren gegen die ewige Dominanz von Bayern München, sondern aufgrund der Vielfalt, mit der sich derzeit die Fans von den Rängen einmischen. Außer Schokotalern und Tennisbällen, die auf das Spielfeld geworfen wurden, gab es Fahrradschlösser am Torgestänge, ferngesteuerte Autos, die über das Spielfeld kurvten – um den Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußball Liga (DFL) stoppen. Die Besorgten fragten: Wann gibt es den ersten Spielabbruch? Die Belustigten fragten: Wann stürmen Fans den Platz, um dort einen Poetry Slam zu veranstalten oder ein Streichquartett zu spielen?
Erst einmal gar nicht. Denn der Protest hat gewirkt. Die DFL
m dort einen Poetry Slam zu veranstalten oder ein Streichquartett zu spielen?Erst einmal gar nicht. Denn der Protest hat gewirkt. Die DFL hat in einer außerordentlichen Sitzung ihres Präsidiums beschlossen, die Anbahnung ihres Investoren-Deals – oder ihren „Prozess zum Abschluss einer Vermarktungspartnerschaft“ – abzubrechen. Ein Sieg der Fans für die Fußball-Geschichtsbücher.Im Stadion kein Grummeln gegen die UltrasWider Erwarten waren die Fanproteste gegen das große Geld so originell geworden, dass aus anderen Bereichen des Stadions gar kein lautes Grummeln gegen die Kurve mit den Ultras vernehmbar wurde. Die Fans zeigten Durchhaltevermögen mit ihren Performances, sodass das Thema sich nicht schnell wieder erledigt hatte, sondern von Spieltag zu Spieltag immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zog.Deutschland tickt anders als die vergleichbaren europäischen Fußballmärkte. In Frankreich hat man sich längst daran gewöhnt, dass ein katarischer Staatsfonds einen Klub wie Paris Saint-Germain besitzt, der die Liga beherrscht. Im englischen Newcastle wurde der Einstieg von Geldgebern aus Saudi-Arabien bejubelt, obwohl die dortige Menschenrechtssituation schlimm ist. In Spanien werden Pläne für eine kontinentale Super League vorangetrieben. Die deutsche Bundesliga ist da noch die Insel der Glückseligen: Es gilt die 50+1-Regel, wonach ein eingetragener Verein immer die Stimmenmehrheit gegenüber der ihm angeschlossenen Kapitalgesellschaft haben muss.Eingebetteter MedieninhaltDass der Profifußball einen hohen Kapitalbedarf hat, wird allseits akzeptiert. In den 1990er Jahren, als Borussia Dortmund aus Italien den Nationalspieler und Weltmeister Karl-Heinz Riedle zurückholte und mit einem opulenten Vertrag ausstattete, sprach ein Fan neidlos in die Kamera: „Lieber bin ich mit Kalle Riedle arbeitslos als ohne ihn.“ Seitdem sind die Kosten explodiert. Die Fans müssen akzeptieren, dass die Stars von Bayern München um die 20 Millionen Euro im Jahr verdienen – deutlich mehr als die meisten Chefs von DAX-Unternehmen. Die Bundesliga ist ein attraktives Produkt, die zuschauerstärkste Liga Europas. Und das bei noch volkstümlichen Eintrittspreisen, denn Deutschland pflegt nach wie vor auch seine Stehplatzkultur.Verlegung von Bundesliga-Spielen ins Ausland?Die Argumentation der Klub-Verantwortlichen, man dürfe sich auf dem Publikumserfolg nicht ausruhen und müsse attraktiver werden, ist nachvollziehbar. Investitionen in die Digitalisierung, in eine Liga-eigene Plattform, die die weltweite Vermarktung der Spiele erleichtern soll, sind erforderlich. Die Bundesliga erlöst international etwas mehr als 200 Millionen Euro, die englische Premier League 1,85 Milliarden. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss sich der Fußball made in Germany global aufhübschen, national gilt der Markt als komplett ausgereizt.Beim jüngsten Konflikt ging es darum, wie man die anstehenden Innovationen finanzieren kann. Die Deutsche Fußball Liga wollte dafür einen Investor ins Boot holen. Das Modell: Der Investor stellt eine hohe Summe sofort zur Verfügung und verdient im Gegenzug 20 Jahre lang an den Erlösen aus dem Bundesliga-Geschäft mit. In einigen Vereinen und beim überwiegenden Teil der Anhängerschaft glaubt man jedoch, die Ziele könne man ganz klassisch mit Bankkrediten erreichen. Und das, ohne sich abhängig von einem Geldgeber zu machen. Man bliebe sein eigener Herr.Zwar sicherte die DFL zu, dass der Investor wenig zu bestimmen haben sollte. Doch man durfte misstrauisch sein: Warum sollte er dann idealerweise eine Milliarde Euro rausrücken? Würde er nach einigen Jahren nicht doch eine weitere Zersplitterung des Spielplans fordern oder die Verlegung von Bundesligaspielen ins Ausland? Als Wohltäter ist eine Private-Equity-Firma wie der verbliebene Bieter CVC aus Luxemburg sicher nicht bekannt. Die Manager wollen nur eines: Geld verdienen.Geschäftsführer von Hannover 96 im FadenkreuzDen protestierenden Fans wird vorgehalten, dass sie bei der Dachorganisation der Bundesliga genauer hinschauen als beim eigenen Verein. Tennisbälle wurden auch von Wolfsburgern und Leverkusenern geworfen, obwohl die Profibetriebe, die sie anfeuern, großen Konzernen gehören. Das sind durchaus valide Punkte.Die Debatte hatte sich immer weiter zugespitzt, die Unterbrechungen wegen der Tennisbälle auf dem Spielfeld wurden von Woche zu Woche länger. Die Fans fühlten sich nicht ernst genommen von den Funktionären – darum klangen die Parolen immer radikaler. Kürzlich wurde der Geschäftsführer von Hannover 96 auf einem Banner im Zentrum eines Fadenkreuzes abgebildet.Ein reines Gewissen kann aber auch die DFL nicht haben. Sie ließ über den geplanten Investorendeal bereits zweimal abstimmen – bis das Ergebnis für sie passte. Transparent war das Votum nicht. Der Fußball erlebt gerade seinen Kulturkampf – und dessen einstweiliger Ausgang ist eindrucksvoll wie ein Fallrückzieher-Tor.