Immer wieder komme ich in die unangenehme Situation, dass Menschen über mich die Nase rümpfen. Das ist nicht schön, hat aber einen Grund: Ich bin Bayern-Fan. Der FC Bayern ist eben nicht gerade ein Sympathieträger. Aber es gibt Hoffnung für mich. Denn seit mit RasenBallsport Leipzig ein weiterer Investorenclub die Bundesliga aufmischt, ist man als Bayern-Fan beinahe einer von den Guten.
Warum? Das erfährt man im Podcast Rasenball: Red Bull und der moderne Fußball, einer fünfteiligen Storytelling-Serie. Die Faszination des Stoffs ergibt sich aus einem Konflikt: auf der einen Seite ein erfolgreiches Fußballteam, dessen Weg nach oben durch die Millionen des österreichischen Energydrink-Konzerns Red Bull gewaltig beschleunigt wurde. Damit ist RB Leipzig – die Assoziation von Vereinswappen und Kürzel mit Red Bull kommt natürlich von ungefähr – das Paradebeispiel für die „perfekte“ Symbiose von Kapitalismus und Profisport. Der Erfolg der Mannschaft dient vornehmlich dem Marketing von Red Bull. Auf der anderen Seite die weniger finanzstarken Vereine – und die Fußballfans, mit ihrer Leidenschaft und ihren Emotionen. Und mit ihrer Sorge, dass all das durch die wachsende Ungleichheit im Sport und die Seelenlosigkeit solcher Vereine verloren geht.
Genau an dieser Bruchlinie hängen die Hosts Patrick Stegemann und Katharina Reckers ihre Auseinandersetzung mit dem Retorten-Club auf. Reckers erinnert sich an ein T-Shirt ihres fußballverrückten Vaters mit der Aufschrift „Football is for you and me, not for the fucking industry“, Stegemann ist von Kindesbeinen an Fan des Traditionsclubs Hansa Rostock. Wo sie sich persönlich verorten, könnte damit also klar sein. Trotzdem nähern sie sich RB Leipzig im Rasenball-Podcast offen an. Das ist für Zuhörer mit Ressentiment (so wie ich) zuweilen etwas irritierend, gleichzeitig aber eine Stärke. Denn es zwingt einen zur Auseinandersetzung mit anderen Positionen – zum Beispiel denen der Leipziger Fans, die im Rest der Republik keinen guten Ruf genießen, weil sie als genauso unspannend gelten wie der Club selbst (laut Streamingdienst DAZN begleiten im Schnitt gerade mal gut 1.500 Fans pro Spiel die Leipziger zu den Auswärtsfahrten – der drittschlechteste Wert der Liga).
In ihrer Rekonstruktion setzen sich Reckers und Stegemann mit den Anfängen des 2009 gegründeten „Vereins“ mit seinem kleinen Häufchen Mitglieder auseinander, sie blicken auf die Blaupause des Projekts in Salzburg und bekommen von Leipzig-Trainer Marco Rose eine Einführung in den modernen Profifußball – mit seinen regelmäßigen Bluttests, Datenanalyst:innen und permanenter Videoanalyse. Und sie erzählen die Geschichte des Zusammenspiels von Geld, Vermarktung und Profifußball. Wer sich intensiver mit Fußball befasst, hat einiges davon zwar schon mal gehört, aber es sind auch Anekdoten und Hintergründe dabei, die wirklich überraschen. Spannend sind auch die offenen Fragen – etwa die, welche Rolle es spielt, dass ein solches hyperkapitalistisches Projekt ausgerechnet in Ostdeutschland stattfindet. Es sind Gedanken, die angedeutet werden, aber noch mehr Raum verdient hätten.
All das ist, wie bei vielen Podcasts der Produktionsfirma Undone (hier in Kooperation mit dem MDR), hörenswert erzählt. Und doch hätte man am Ende gerne mehr erfahren: zu dem 2022 verstorbenen Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz und seinem rechtsraunenden Privatsender ServusTV zum Beispiel. Denn spätestens dieser Geschichten wegen ist auch Red Bull nicht gänzlich unpolitisch – und der Sport sowieso nicht. Wer dazu mehr wissen will, könnte die drei Folgen Die Red-Bull-Saga des Podcasts Inside Austria hören. Der ist zwar nicht so gut erzählt, ergänzt aber die Auseinandersetzung mit Red Bull. Und um die kommt kein Fußballfan herum.
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