Diskussionen, die ins Leere laufen

Homophobie Selten habe ich eine solche Resignation in Gesichtern gesehen, wie in den Momenten, in denen ich mit Homosexuellen in Russland gesprochen habe

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Russische Polizei verhaftet einen Demonstranten, der für die Rechte Homosexueller protestiert
Russische Polizei verhaftet einen Demonstranten, der für die Rechte Homosexueller protestiert

Foto: ANDREY SMIRNOV/AFP/Getty Images

Sie loben den „Vorsprung des Westens“ und eine europäische Freiheit, die es so wohl nur in ihrer Fantasie gibt. Auf die Frage, warum er Deutsch studiere antwortete mir ein junger schwuler Student, dass er es täte, um eines Tages nach Deutschland zu kommen und dort zu leben. Er träume von Hamburg und er sagte, dass er Angst habe, in seinem Geburtsland zu leben.

In meiner jugendlichen Naivität habe ich mir niemals erträumen können, dass ein Mensch Angst vor seiner eigenen Regierung haben könnte. Zu weit weg war mir die europäische Vergangenheit und die Gegenwart vieler Länder. Ich dachte ein Staat bestehe, um seine Bürger zu schützen.

Sprach ich mit Menschen mit „traditioneller sexueller Orientierung“, wie man hier in den nur wenig objektiven Nachrichtensendungen zu hören bekommt, dann las ich in ihren Gesichtern meist Unverständnis bis Ekel. Zu Beginn meines viermonatigen Aufenthaltes nahm ich das gar nicht wahr. Ehrlich gesagt war dieses Thema für mich nur wenig interessant, da es für mich eine Selbstverständlichkeit ist, in meinem Leben auf Menschen verschiedenster sexueller Orientierung, Herkunft, Abstammung oder Religion zu treffen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich vorurteilsfrei bin – ich kann mir lediglich sicher sein, dass ich versuche, es zu sein.

Wenn ich an die Gespräche zurückdenke, dann kommen mir stets dieselben, vorgeschobenen und völlig unlogischen Argumente in den Sinn. Man spricht von Unnatürlichkeit, von einer Gefahr für das Wohl der Kinder der russischen Gesellschaft, von demographischen Problemen, als könne man diese durch vom Staat propagierte und gerngesehene Diskriminierung beseitigen.

Die russische Bevölkerung ist unzufrieden. Man spricht nicht von russischer Qualität, überall liest man von „deutschen Küchen oder „italienischem Design“ und die Aufwertung alter, teilweise seit der Sowjetunion bestehender Wohnungen, bezeichnet man hier als „Euro-Renovierung“. Es ist paradox, aber dieser aufgeblasene Patriotismus, die Liebe zum Vaterland und der „Sieg über den Faschismus“ von dem alle unentwegt sprechen, steht in einem enormen Gegensatz zu der Scham, welche die Russen über das Zurückbleiben ihres Landes hinter Westeuropa und den Vereinigten Staaten empfinden.

Wenn ich erkläre, dass ich Russisch studiere, sehen mich die meisten unverständlich, fast schockiert an. So als können sie es nicht nachvollziehen, dass dieses Land ein großes Interesse in einem Menschen wecken kann. Unzählige Male hörte ich den Satz „Natürlich, es ist nicht so, wie bei euch, aber wir kommen zurecht“. Ich spürte, dass ich mich erklären wollte, den Menschen sagen, dass ich aus freien Stücken diese Sprache studiere, ganz einfach weil sie mich seit Jahren fesselt.

Ich traf in dieser kurzen Zeit auf einen tief sitzenden Rassismus, auf ein traditionelles, konservatives Frauenbild und auf einen Hass auf alles Fremde. Ich sprach mit Menschen, die mit mir, einem deutschen Studenten, sprachen und gleichzeitig etwas auf ihrem Smartphone tippten, deren Bildschirm ein großes Hakenkreuz zierte. Ich fragte, warum er ein Hakenkreuz als Hintergrund für sein Mobiltelefon ausgewählt hat. Erneut diese haltlosen Argumente, die ich und jeder logisch denkende Mensch mit wenigen Worten widerlegen kann. Wenn ich Kritik oder meine gegensätzliche Meinung äußere, wird meist ausweichend geantwortet.

In meinen vier Monaten in Moskau hatte ich eine großartige Zeit, ich habe großartige Menschen kennengelernt und faszinierende Orte gesehen. Ich habe ein völlig anderes Leben gespürt, auch wenn ich zu Beginn dachte, dass es sich von meinem Alltag in Berlin nur marginal unterscheidet. Zugegeben, ich war nicht oft in der Uni. Ich habe mich lieber mit den Menschen unterhalten, denn das hat mir das Gefühl gegeben, wirklich etwas zu lernen. Nun bin ich müde, von den haltlosen Argumenten, den sinnlosen Schuldzuweisungen, die auf einem falschen, irrationalen Weltbild basieren. Ich versuche jedem seine eigene Meinung zuzugestehen, aber nicht, wenn diese lediglich auf tiefem Hass basiert. Über das Gesetz zur „Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“, wurde ausreichend berichtet. Weiterhin wurde ein Gesetz vom russischen Unterhaus der Duma beschlossen, dass die Adoption von russischen Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare aus dem Ausland einschränkt. Zwei Frauen wurden in der Metro der zweitgrößten russischen Stadt und „zweiten Hauptstadt“ St. Petersburg, festgenommen, weil sie sich umarmt haben. In den letzten beiden Monaten wurden zwei homosexuelle Männer in verschiedenen russischen Provinzen grausam ermordet.

Die Menschen hassen, während der russische Staat den Hass nicht nur duldet, sondern gezielt propagiert und fördert, um ein irrationales Feindbild zu schaffen. Es macht mich wütend solche Dinge zu lesen, zu sehen und ich fühle mich so machtlos, in den ständigen Diskussionen, von denen ich weiß, dass sie ins Leere laufen.

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Geschrieben von

HerrSputnik

Sputnik's Lullaby.

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