Energydrinks: Männerstyles und Kindergaumen

Kolumne Ein Bürgerrat fordert eine Altersgrenze für Energydrinks: Er sieht in ihnen dasselbe Suchtpotenzial wie bei Alkohol. Braucht es das wirklich und wenn ja, was macht die aktivierende Brause so gefährlich? Johannes Arens wagt den Selbstversuch
Ausgabe 03/2024
Verleiht nicht nur als Energydrink Flügel: Red Bull
Verleiht nicht nur als Energydrink Flügel: Red Bull

Foto: Jeff Pachoud/AFP via Getty Images

Der Koch

Johannes J. Arens ist Journalist und Autor. Er studierte Design in Maastricht und Kulturanthropologie in Bonn. In den Küchen interessieren ihn besonders das Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Innovation sowie der Zusammenhang von Essen, Politik und Gesellschaft. Er ist Herausgeber des Foodmagazins „Zwischengang“ und Initiator des „Food Reading Festivals Cologne“.

Eine Altersgrenze für Energydrinks fordert der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ in seinen gerade veröffentlichten Empfehlungen. Die Gesundheitsschäden und das Suchtpotenzial seien ähnlich hoch wie bei Zigaretten und Alkohol! Mich beamt das 30 Jahre zurück. 1994, als Red Bull auf den deutschen Markt und der Energydrink für mich zur Welt kam, war ich knapp zwanzig. Im besten Alter für Trends und Getränke – und dass schon damals viel über Risiken dieser Brause gesprochen wurde und die Dosen teuer waren, steigerte noch die Neugier.

Das Taurin, „die Aminosäure, die im menschlichen Körper und in der täglichen Nahrung auf natürliche Weise vorkommt“, wie es beim Hersteller heißt, ist nicht der Grund für die Warnung. Es geht um den Mix von Koffein und Alkohol. Doch mal was anderes: Warum ziehen solche Softdrinks bei Heranwachsenden so sehr?

Beim Discounter merke ich nämlich: Ich habe über Jahre ein ganzes Marktsegment übersehen. Es gibt ein breites Regal: Red Bull, Effect, Monster, Black Cat, Gold Eagle und Booster, in Flavours von Mango Loco über Bubblegum bis Cactus Fruit. An meine letzte Dose Red Bull kann ich mich nicht erinnern, also kaufe ich einen halben Liter Monster-Energy für 1,49 Euro.

Was ist hier der Kick? „Nicht mit Alkohol mischen“, steht auf der Dose, „Verantwortungsvoll konsumieren“. Klingt gefährlich – auch wenn trotz Warnaufdrucks für Schwangere der Koffeingehalt unter einer Tasse Kaffee liegt und die Wirksamkeit von flüssigem Taurin unklar ist. Schlägt hier das Image die Substanz? Schon das giftgrüne M-Logo auf schwarzem Grund sieht nach Horrorfilm aus: Stoff für harte Kerle. Etwa für all die – meist – jungen, Logo-bedruckten Männer, die man bei Halsbrechereien auf Skateboards, Mountainbikes, Crossmaschinen und ähnlichem Gerät bewundern kann, wenn man Monster zweimal googelt. Stimmt, da war doch so was schon bei Red Bull. Noch ehe die Dose offen ist, stelle ich fest: Offenbar ist analog zum neuen Genre an Erfrischungsgetränken auch ein neues Genre riskanter Sportaktivitäten entstanden, massiv von den Energydrinks gesponsort.

Monster-Energy für Erwachsene

Dann aber zischt das Gebinde – und ich bin wiederum höchst irritiert. Süßlich-fruchtig-künstliche Aromen machen sich breit. Gummibärchen sind meine erste Assoziation, die zweite sind die Duftbleistifte meiner 1980er-Kindheit, jedenfalls nichts, was ich mit lebensgefährlichem Big-Wave-Surfen in Verbindung brächte.

Männerstyles für Kindergaumen? Versonnen betrachte ich die Dose. Dann stellt sich doch noch eine Beziehung zwischen Aroma und Image her – unter der Dosenlasche ist ein Code für In-Game-Guthaben bei Call of Duty, einem populären Ego-Shooter-Computerspiel. „Nur für Personen ab 18 Jahren. Das Limit liegt bei 1 Stunde am Tag, insgesamt 40 Stunden.“

Hier nimmt der Drink die Altersgrenze vorweg, die jener Bürgerrat fordert. Doch jenseits von dessen Bedenken gehören Spielen, Süßigkeiten und Risiken – zumindest in der westlichen Überflussgesellschaft – nun einmal zu Kindheit und Adoleszenz. Eine Herausforderung des Erwachsenwerdens liegt darin, einen Teil dieser Unbeschwertheit ins neue Leben hinüberzuretten. Eine Dose Monster-Energy kann dabei vielleicht helfen – ob am Computer oder beim Extremsport. Und vor der Mischung von Koffein und Adrenalin hat zumindest bisher noch niemand gewarnt.

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