Ein misslungener Vergleich

AfD und Die Linke Eine Kurzstudie soll AfD und Linkspartei als gleichermaßen extrem und gefährlich brandmarken. Der Versuch ist jedoch unangebracht und fehlgeschlagen

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Wie nah sind sich AfD und die Linke?
Wie nah sind sich AfD und die Linke?

Foto: Carsten Koall/AFP/Getty Images

Am 9. September wurde von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung ein kurzer Vergleich der außenpolitischen Positionen von „AfD“ und der Partei „Die Linke“ veröffentlicht – pünktlich nach den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, bei denen die AfD ihre nächsten Erfolge einfahren konnte. In der Analyse heißt es einleitend, die „rechtspopulistische Alternative für Deutschland‘ (AfD) und die sozialistische Partei ‚Die Linke‘ besetzen die gegenüberliegenden Ränder des politischen Parteienspektrums der Bundesrepublik Deutschland.“

Schon da sollten erste Zweifel an der „Studie“ auftreten. Es ergibt natürlich Sinn, dass in Zeiten des Einbruchs der ehemals großen Parteien SPD und CDU versucht wird, die relevanten Parteien mit abweichender Positionierung zu diskreditieren. Aber von gegenüberliegenden Rändern zu sprechen ist doch etwas gewagt. Damit wird vor allem Die Linke radikaler und sozialistischer gemacht, als sie ist. Schon eine solche Formulierung lässt erahnen, dass der Autor implizit auf die Extremismustheorie hinaus will – links und rechts sind gleich schlimm, alles abseits einer obskuren „Mitte“ gefährlich – und diese (als wäre die Theorie nicht schon albern genug) auf das Parteienspektrum anwenden – auf zugelassene Parteien, die sich also im Rahmen dieses Systems bewegen.

Dieser kleine als Studie betitelte Text des Politikwissenschaftlers Reinhard Meier-Walser, der die Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung in München leitet, umfasst gerade einmal acht Seiten, die äußerst spärlich bedruckt sind und in dem wenigen Text auch äußerst wenig Inhalt vermitteln. Ziel ist es, die außenpolitischen Positionen der Parteien auf eine Stufe zu stellen, speziell anhand eines wahrlich flüchtigen Blicks auf die jeweiligen Positionen zur Europapolitik und der Haltungen gegenüber NATO, USA und Russland. Es stellt sich aber die Frage: Wozu das alles? Schauen wir kurz in die Analyse.

Grundlegend eint beide Parteien – bei oberflächlicher Durchsicht der Programme – eine Kritik an der Entdemokratisierung der EU im Laufe des Integrationsprozesses. Allein diese Kritik scheint den Verfasser schon zu stören, obwohl sie mehr als angemessen ist. Was aber ist der große Unterschied bei der Kritik? Die AfD will die EU als bloße Wirtschafts- und Interessengemeinschaft und bezieht alles Demokratische auf die Nation und den Nationalstaaten. Bei der Linken liegt der Fokus auf der Kritik neoliberaler Politik und Militarisierung. Meier-Walser scheint das zu stören, er erläutert aber nicht, was daran so problematisch sei.

Anschließend versucht er, die NATO-Kritik gleichzusetzen, dabei hat sie bei der Linken einen pazifistischen Kern und bei der AfD geht es lediglich darum, dass Deutschland stärker sein soll und ach so fremdbestimmt sei. Auch bei der Kritik an Freihandelsabkommen geht es der AfD um die Rolle und Souveränität des Nationalstaats, es wird also grundlegend kritisiert, dass versucht wird, gemeinsam auf dieser Welt zu agieren, anders als bei der Linken.

Und – seien wir ehrlich – es gibt viel zu kritisieren an der Linken und auch an ihrer Haltung zu Russland bzw. Putin, aber allein dass die deutsche „Russlandpolitik“ kritisiert wird als frappierende Parallele zur AfD aufzutun, ist sehr seltsam, zumal erneut keine Erläuterungen zu finden sind. Außerdem: Trotz Weißbuch zur Sicherheitspolitik und NATO finden sich auch durchaus in Regierungskreisen Menschen, die eine gewisse Nähe zu Putin suchen und keine Total-Isolation Russlands wollen.

Die Feinde der demokratischen Mitte

Damit das hier nicht missverstanden wird: Die Partei Die Linke bedarf mächtig viel Kritik, besonders hervorstechende Köpfe wie Wagenknecht, Lafontaine, Dehm, Gehrcke und Höhn – Nationalisten, Antisemiten, Querfrontler gibt es zu genüge, sowie auch in allen anderen Parteien. Aber das Vorhaben in dieser Studie ist die Gleichsetzung zweier Parteien, die abgesehen davon, dass sie die etablierte Politik kritisieren, nicht viel miteinander zu tun haben:

Es gibt im historischen Rückblick Beispiele aus verschiedenen Staaten, in denen die an den gegenüberliegenden Rändern des politischen Parteiensystems positionierten Gruppierungen zweckorientierte Kooperation praktizierten, wenn sie die Kräfte der breiten demokratischen Mitte als „gemeinsamen Gegner“ wahrnahmen.

Es soll also vor dem großen AfD-Linke-Bündnis gewarnt werden? Die beiden krassen Extreme, die so heftig extrem sind, dass sie sich treffen und UNSEREN Staat ablehnen und voll gefährlich sind? Will der Autor Die Linke wirklich so verklärt darstellen? Sind wir hier die Union in den 1960ern während den Studentenprotesten und wollen wieder bisschen Stimmung machen? Rhetorisch ja. Dass es abseits von Union, SPD und Grünen tatsächlich sogar im etablierten Parteienspektrum noch abweichende Meinungen und Perspektiven gibt, ist nicht so beachtlich, wie der Herr Professor es vermuten lässt.

Der rassistische Reflex

Wie gesagt: Es wird versucht, die Extremismustheorie anzuwenden, allerdings kann der Versuch kaum schlechter platziert sein, als im Vergleich dieser Parteien. Mit diesen angeblichen Gemeinsamkeiten der beiden Parteien wird auch nicht das „gemeinsame“ WählerInnenpotenzial erklärt. Vielmehr erleben wir, dass viele ehemalige Linke-WählerInnen jetzt die AfD wählen, gerade WEIL sie den bei den Menschen immer vorhanden gewesenen rassistischen Reflex bedient. Die AfD wird weniger aus Protest gewählt, als wir uns wünschen können, nein, die AfD verkörpert vieles, was den Menschen mehr zusagt als Die Linke. Sie ist lukrativer für diejenigen, die schon abgehängt sind, weil sie rassistische Ressentiments salonfähig macht. Leute, die bisher links gewählt haben, trotz liberalen migrationspolitischen Programmpunkten, haben ein neues parteipolitisches Zuhause.

Einige LinksparteipolitikerInnen wollen zwar nun hinterherdackeln und betonen, dass sie auch ganz tolle Obergrenzen wollen, aber der Zug ist abgefahren. Und an der Stelle, an der rassistische Ressentiments salonfähig werden, setzt die CSU ein – also die Partei zur Stiftung, die diese Studie veröffentlicht hat. Als nächstes dann vielleicht ein Vergleich von AfD und CSU, in dem wieder frappierende Gemeinsamkeiten enttarnt werden?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Julius Wolf

Über Politik, Gesellschaft, Emanzipation und Antiemanzipatorisches.

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