Zerstörte Heldinnenerzählung

Gina-Lisa Lohfink Ein richtiges Urteil? Nach der Entscheidung des Berliner Amtsgerichtes geht die Debatte weiter. Warum jetzt aber an etwas ganz anderes erinnert werden muss
Ausgabe 34/2016
Lohfink mit ihren Anwälten Christian Simonis (li.) und Burkhard Benecken (re.)
Lohfink mit ihren Anwälten Christian Simonis (li.) und Burkhard Benecken (re.)

Foto: Clemens Bilan/AFP/Getty Images

Es ist ein vertracktes Urteil: Gina-Lisa Lohfink wurde vom Amtsgericht Tiergarten wegen falscher Anschuldigung einer Vergewaltigung zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro verurteilt. „Frau Lohfink sieht sich als Opfer, das zur Täterin gemacht wurde“, sagte Staatsanwältin Gögge, das sei Unfug, und verwies auf Ungereimtheiten ihrer Aussagen, von denen es in der Tat eine ganze Menge gibt.

Allerdings weiß auch jeder, der persönliche Geschichten sexueller Übergriffe oder Vergewaltigungen kennt: Sie laufen nicht logisch ab, sondern kompliziert und widersprüchlich. Zum Beispiel, weil in den meisten Fällen der Täter aus dem privaten Umfeld kommt. Lohfink hat bereits angekündigt, in Berufung zu gehen. Unabhängig davon aber ist nun etwas ganz anderes klar geworden: Es ist keine gute Strategie, während eines laufenden Strafprozesses ein mediales Beurteilungsfeuerwerk zu betreiben.

Der Impuls, sich mit Lohfink zu solidarisieren ist nachvollziehbar – weil viel zu oft die Solidarität in vergleichbaren Fällen fehlt. Persönlich ist das verständlich, publizistisch ist es fragwürdig. Alle Argumente für die Unschuld Gina-Lisa Lohfinks sind nun Wasser auf die Mühlen ihrer Gegnerinnen und Gegner, die jubeln: Wir haben es schon immer gewusst! Es ist bitter, ihnen in einem juristischen Einzelfall Recht geben zu müssen. Nun wird Lohfink künftig dafür herhalten, als Paradebeispiel für falsche oder fragwürdige Vergewaltigungsklagen zu gelten. Die Heldinnenerzählung #GinaLisa und ihre Stilisierung zur großen Feministin ist mit einem großen Krach zerbrochen, und das hätte – auch im Interesse von Lohfink selbst – nicht sein müssen.

Wie auch immer der Fall nun weitergehen mag, es gilt weiterhin: Hierzulande hat jede siebte Frau strafrechtlich relevante Formen sexueller Gewalt erlebt. Nur fünf Prozent der Sexualstraftaten werden angezeigt, die Verurteilungsquote liegt bei 13 Prozent, im EU-Vergleich unterdurchschnittlich niedrig. Alle nichtverurteilten Fälle als Lügen abzutun, ist absurd. Trotz der Verurteilung von Gina-Lisa Lohfink sollte nun vor allem an eines erinnert werden: dass die Verschärfung des Sexualstrafrechts richtig war und weiterhin viel dafür getan werden muss, Frauen besser vor sexueller Gewalt zu schützen. Nicht nur vor dem Gesetz – sondern auch in unserer Gesellschaft.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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