Unser Mann in Übersee

Ruhm Christian Krachts umstrittener Roman „Imperium“ ist jetzt auch in den USA erschienen
Ausgabe 31/2015
Die US-Rezensenten scheinen Christian Krachts „Imperium“ zu lieben
Die US-Rezensenten scheinen Christian Krachts „Imperium“ zu lieben

Foto: Future Image/Imago

Der Schriftsteller Christian Kracht ist kein Deutscher, sondern Schweizer. In den Kracht-Rezensionen, die dieser Tage in den USA erscheinen, wird er auch völlig korrekt als Swiss author besprochen. Aber eben als einer, der sich intensiv mit der Germanness beschäftigt, vor allem mit deren dunkler Seite. Schon in Krachts Debüt Faserland (1995) ist das so, und erst recht in seinem jüngsten Roman Imperium (2012).

Imperium erzählt das Leben des Nudisten und Vegetariers August Engelhardt, der um die Jahrhundertwende nach Übersee auswandert, um ein esoterisch gepoltes Kokosnuss-Reich aufzubauen. Engelhardt gab es wirklich, Kracht ließ sich von der Figur zu einer Parabel auf den Kolonialismus und den Faschismus inspirieren. So dunkeldeutsch geht es in der Story zu, dass Georg Diez im Spiegel eine Debatte lostrat, wie rechtsdrehend Krachts Gedankenwelt eigentlich sei. Diez bezog sich auch auf Krachts kaum beachtetes Nebenwerk, auf die lose Kollaboration mit dem US-Kunstunternehmer David Woodard, der öffentlich mit der Idee eines „Ariertums“ kokettiert, und auf einen Fotoband über Nordkorea, den Kracht 2007 im US-Verlag Feral House herausbrachte, wo Verschwörungstheorien mit hakenkreuzähnlichen Zeichen auf dem Cover erscheinen, teils mit antisemitischen Anspielungen im Titel, aktuell etwa zu den „religiösen Wurzeln der Bankenmacht“. Mit seiner kritischen Kracht-Betrachtung stand Diez ziemlich allein da in der hiesigen Feuilletonlandschaft.

Jetzt ist Imperium auch in den USA erschienen, im Verlag Farrar, Straus and Giroux (FSG), der drüben ein ähnliches Renomee genießt wie hüben Suhrkamp. Einen US-Verleger zu finden ist ein Glücksfall für jeden nichtenglischsprachigen Autor, schon qua Sprache ist es der Schlüssel zur Weltleserschaft. FSG gehört wie Krachts deutscher Verlag Kiepenheuer & Witsch (KiWi) zur Holtzbrinck-Gruppe, die Rechteübertragung ist auch eine Sache innerhalb der Familie. Beharrlich arbeitet KiWi daran, Kracht als Jahrhundertautor zu positionieren. Schon 2009 – der Autor war gerade 43 und hatte drei Romane veröffentlicht – erschien der KiWi-Band Christian Kracht. Leben und Werk, im Klappentext hieß es, der Autor werde „von vielen gefeiert, von manchen missverstanden und angefeindet“ wegen seiner „auch rätselhaft bleibenden Romane“.

Nun haben also auch die Amerikaner die Gelegenheit, Kracht misszuverstehen. Doch die US-Rezensenten scheinen ihn aus dem Stand zu lieben: Imperium sei „amüsant“, eine „flink erzählte historische Farce“ (Wall Street Journal), „auf morbide Art komisch“ (Huffington Post), mit einem „erfrischend kauzigen Held“ und „bizarren Details“ (New York Times Book Review). Zwar schreibe Kracht „nicht so respektlos wie Houellebecq“, dafür gelängen ihm „elegantere, lustigere Sätze“ (Flavorwire).

Die bislang wohl größte Kracht-Ehrung in Übersee: der Literaturkritiker Michael Silverblatt lud ihn in seine Radioshow Bookworm ein, die seit 1989 bei KCRW in Los Angeles ausgestrahlt wird, wo Kracht aktuell wohnt. Joyce Carol Oates und Umberto Eco waren dort, David Foster Wallace gleich mehrfach. Als Silverblatt Kracht auf rassistische Sentenzen im Roman ansprach, erklärte dieser, der Erzähler wisse von Anfang an, was „aus dem deutschen Gedanken noch wird“. Das „Scheitern der Unschuld“ sei in die Germanness des Erzählers „schon eingeschrieben“. Aber es sei eben kein Erzähler, „der moralisiert, so wie Deutsche es gern mögen“. Eigentlich gebe es sogar zwei Erzähler, „einen in Engelhardts Kopf, den zweiten irgendwo anders. Das habe ich selbst nicht so ganz herausgefunden.“ Was auch immer man von Kracht halten mag, fest steht: So muss ein großer Künstler reden. Rätsel platziert, Weltruhm absehbar.

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Geschrieben von

Katja Kullmann

Stellvertretende Chefredakteurin

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