New York City wählt einen neuen Bürgermeister. Ausgerechnet in der größten Stadt der USA, mit diverser Wählerschaft und aus dem Beton sprießenden linken Gruppen um die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, dürfte im November ein Ex-Polizist gewinnen. Der Mann heißt Eric Adams (60), ist Afroamerikaner und Demokrat. Seine Ideen besonders zur Polizei kollidieren mit so manchem, was dem progressiven New York wichtig ist. Bei Vorwahlen hat sich Adams soeben knapp gegen ein gutes Dutzend Rivalen durchgesetzt. In New York mit seiner haushohen demokratischen Mehrheit in der Bevölkerung ist der Vorwahlsieg ein Ticket mit sechs Richtigen für die Hauptwahl in vier Monaten.
Nicht so leicht zu erklären, wie das zustande kam, findet Kristin Richardson Jordan. Sie hat bei der Stadtratswahl im Bezirk Harlem als Sozialistin mit der Ansage gewonnen, sie wolle der Polizei den Geldhahn zudrehen. Dem Magazin The Nation sagte Jordan, in ihrem Viertel hätten bei der Bürgermeisterwahl 50 Prozent für Adams gestimmt und bei der gleichzeitigen Stadtratswahl 50 Prozent für sie, das sei bizarr. Aber die Suche nach Mehrheiten bei demokratischen Vorwahlen ist bei so vielen konkurrierenden Wählergruppen nicht einfach. In New York City erst recht: Hier gibt es mehr als anderswo die alternativen Linken, die Gewerkschaften, die Wall Street wie die Superreichen in Manhattan, die LGBTQ-Bevölkerung, die Mittelklasse in ihren Reihenhäusern und die unteren Einkommensschichten in den Sozialwohnungen, Latinos und Afroamerikaner.
Gut 33.000 Menschen sind in dieser Stadt bisher an Covid-19 gestorben. Zugleich haben die dramatischen Einkommensunterschiede zwischen Manhattan und der Bronx oder Queens Existenzen zerstört. Eric Adams hat es offenbar verstanden, das aufzugreifen, und die Gewerkschaften hinter sich gebracht. Eine Analyse vermerkt, die „althergebrachte demokratische Koalition von Schwarzen und Latinos aus der Arbeiterschicht und gemäßigten weißen Wählern“ habe für ihn gestimmt. Abgesahnt habe er in den ärmsten Bezirken. Doch Klassenkampf ist nicht Adams’ Sache. Seine Agenda vermengt finanzielle Stützen für Bedürftige und für Vorschulen mit Begünstigungen für Unternehmen.
Und bei der Polizeifrage rudert Adams gegen den vermeintlich progressiven Zeitgeist. „Wenn Schwarze Leben wirklich zählen, kann es nicht nur um polizeiliche Übergriffe gehen. Wir müssen uns auch mit der Gewalt befassen, die unsere Communitys auseinanderreißt.“ Gemeint sind die vielen Todesopfer von Gewaltkriminalität in Schwarzen und Latino-Vierteln. Rechte US-Politiker kommen gern mit der Vorhaltung, dass Gewalt von Schwarzen gegen Schwarze viel schlimmer sei als tödliche Polizeischüsse. Adams ist anders und erscheint vielen glaubwürdig. Er verlangt eine bessere Polizei und mehr Einsatz gegen Schusswaffenkriminalität. Ohne Sicherheit gebe es keinen Aufschwung nach der Pandemie. Mit 15 sei er nach einer Festnahme von einem Polizisten verprügelt worden und habe beschlossen, Polizist zu werden, um die Zustände zu ändern. Für viele US-Amerikaner aus unteren Einkommensschichten ist die Sache mit der Polizei schwierig: Sie sind überproportional Opfer von Kriminalität und Polizeigewalt.
Nach dem Polizeidienst wurde Adams 2006 auf einen Senatsposten im Staat New York gewählt und 2013 zum Stadtteilpräsidenten in Brooklyn, ein eher beratendes Amt. Er galt als politisches Chamäleon, wechselte von der Demokratischen zur Republikanischen Partei und wieder zurück. Adams sei vorrangig an Adams interessiert, war häufig die Kritik. Derzeit wird viel gefragt, welche Bedeutung sein Erfolg für New York City und die nationale Ebene hat. Klar linke Bewerber sind gegen Adams auf der Strecke geblieben. Dass Kristin Richardson Jordan und andere linke Demokraten in den Stadtrat kommen, kann kein Trost sein. Vielleicht hat man beim Thema Polizei nicht den richtigen Ton getroffen.
Kommentare 9
Die USA haben 2020 eine signifikante Zunahme bei Gewalttaten verzeichnet. Die Antwort der progressiven Linken darauf lautete „Defund the Police“, begleitet von allerlei akademischem Schnickschnack. Das konnte nicht gut gehen. Nun wird halt ein schwarzer Ex-Cop Bürgermeister von New York. Adams dürfte in die Fussstapfen von Rudy Giuliani treten. Zumindest was den Kampf gegen die Kriminalität anbelangt.
»(…) Adams dürfte in die Fussstapfen von Rudy Giuliani treten. Zumindest was den Kampf gegen die Kriminalität anbelangt.«
… und das ist schlecht. Giuliani war ein expliziter Vertreter von Law & Order und ein Mitpropagandist von Zero Tolerance und der sogenannten Broken-Windows-Theorie. Das Grundproblem allerdings sitzt zwei Etagen höher: der – nach den Seycellen – weltweit (!!) höchste Prozentsatz von Bürger(inne)n in Haft. Unmittelbar zurück geht der Anstieg der Hälftlingsquote auf den von Präsident Reagan gestarteten War on Drugs; nochmals kräftig an der Schraube gedreht hat seinerzeit Bill Clinton. Überproportional betroffen sind Schwarze, Hispanics und Angehörige anderer Minderheiten; die Hauptmasse dieser JVA-Insass(inn)en sitzt wegen Bagatelldelikten wie etwa Diebstahl oder auch Straßendealerei.
Das ist die Ausgangslage. Als funktional in irgendeiner Weise klassifizieren dieses System nicht einmal eingefleischte Law-and-Order-Fans; hier ist man nur eben der Meinung, dass »Auge um Auge« (oder, realistischer: »böser Blick gegen Auge«) bereits so in der Bibel steht. Ob US-Präsident Biden und seine (aus der Strafverfolgung kommende) Vize Harris an dem System grundsätzlich was ändern, darf bezweifelt werden. Was umgekehrt eben heißt: Mit den Langzeitfolgen ihres spezifischen Repressionswegs werden die USA noch Jahrzehnte herumlaborieren.
Das ungefähr ist der Background, vor dem der Ex-Cop Eric Adams kandidiert. Ich persönlich denke, Adams wird im notorisch unberechenbaren New York das sicherheitspolitische Rad nicht neu erfinden. Im schlimmsten Fall könnte er allerdings ein paar Stellschrauben anziehen, die für eine weitere Verhärtung der repressiven Mechanismen sorgen. Was tun? Schwer zu sagen. Am besten wäre es, die neue Bundesregierung sorgte für flächendeckende Haftentlassungen (vor allem im Bagatellbereich) – und zusätzlich für Sozialprogramme, welche den maroden Stadtzentren wieder auf die Beine hilft.
Bis zu einem gewissen Grad alles richtig, was Sie schreiben. Dass die USA die zweithöchste Inhaftierungsquote der Welt haben, ist allerdings auch auf eine Besonderheit im US-Strafrecht zurück zu führen (zumindest jenem einiger Bundesstaaten), Stichwort Wiederholungstäter.
Was die Ausgestaltung des Rechtsstaates im Strafrechts-, bzw. Strafvollzugsbereich anbelangt, ganz speziell im Falle der USA: Da müsste man auf die gängigen Strafzwecktheorien zurück greifen. Was bezweckt der Staat mit einer Sanktion / Strafe? Offenbar folgen die USA dem Prinzip einer radikalen Generalprävention. Warum sie dabei scheitern, dürfte man nicht alleine mit rechtstheoretischen Fragen beantworten können, wie auch die BLM-Bewegung und ihre Forderungen zeigt.
Noch etwas zu Rudy Giuliani‘s „Broken-Windows-Theorie“: New York war vor Rudy Giuliani ein in weiten Teilen hochkriminelles Pflaster (Stadtgebiet) mit Quartieren wie der Bronx oder Harlem, in denen der Staat die öffentliche Ordnung nicht mehr garantieren konnte. Dieser Umstand verhalf Giuliani‘s Theorie nicht nur zum Erfolg, sondern auch zum internationalen Durchbruch. Seine Theorie war richtig! Zumindest kam sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.
Genau so wenig, wie Law-and Order für sich genommen falsch ist, möchte ich auch nicht in einer Stadt leben, in der die öffentliche Ordnung nur noch von gewalttätigen Gangs „gestaltet“ wird. Das sind meiner Ansicht nach zwei Seiten ein- und derselben Medaille.
Eine gewisse Rolle spielen die privaten Gefängnisbetreiber in USA. Da sind handfeste Gewinninteressen im Spiel bis hin zu Korruption.
Zur Erinnerung:
https://oig.justice.gov/sites/default/files/archive/special/9712/ch01p1.htm
Lange her und lange vor "three strikes", aber "Sozialprogramme", als haette das in den "Suburbiens" jemals einen interessiert? Sollen sich die N**** und Latinos gegenseitig die Koeppe gegenseitig einschlagen, darum geht es, der Rest in den Knast.
Zu Adam's diese Notiz:
https://gothamist.com/news/eric-adams-borough-president-brooklyn-mayor
Zur Erinnerung:
https://oig.justice.gov/sites/default/files/archive/special/9712/ch01p1.htm
Lange her und lange vor "three strikes", aber "Sozialprogramme", als haette das in den "Suburbiens" jemals einen interessiert? Sollen sich die N**** und Latinos gegenseitig die Koeppe gegenseitig einschlagen, darum geht es, der Rest in den Knast.
Zu Adam's diese Notiz:
https://gothamist.com/news/eric-adams-borough-president-brooklyn-mayor
Albatros hat Orange Is the New Black komplett gesehen.
:-)
Das nenn ich mal ne Erkenntnis. Und dass sie von Ihnen kommt ... !
Ob wohl das Prinzip auch bei der "Pandemie" eine Rolle spielt?
Missverständlich ausgedrückt: Law and Order ist natürlich vollkommen sinnlos.