US-Wahl: Es sollte die Welt alarmieren, wenn es Biden und Trump unter sich ausmachen
Lagebild Für den Herausforderer Donald Trump könnte Schminke allein nicht reichen, das Image des dynamischen 77-Jährigen zu pflegen, der dem nicht mehr trittfesten 81-jährigen Joe Biden locker das Wasser abgräbt, wenn die USA den Präsidenten wählen
Biologisch sind sich diese Herren ziemlich ähnlich – ansonsten trennen sie Welten
Foto: Rachel Stern/NYT/Redux/laif
Joe Biden wollte das Wahlvolk bei einer Ansprache im kalifornischen Los Altos Hills motivieren. Sein Vater habe oft gesagt: „Vergleiche mich nicht mit dem Allmächtigen, vergleiche mich mit der Alternative.“ Der Spruch ist heute politisch relevant angesichts der lauten Warnungen, vornehmlich im gebildeten Amerika, vor einem trumpistischen Rachefeldzug als Alternative zum Establishment im Weißen Haus. Denn 2024 stellt sich als ungewöhnliches Wahljahr dar. Die Politik ist festgefahren. Die Spitzenkandidaten der beiden großen Parteien behaupten, nur sie könnten den jeweils anderen besiegen. Die Demokraten riskieren viel mit dem amtierenden Präsidenten, der vom großen Kampf um Demokratie spricht und zugleich Einwände vom Tisch wischt, er sei e
i ein Problem wegen seiner 81 Jahre und der Entrüstung von Stammwählern über den Beistand für die israelische Kriegsführung in Gaza – trotz der mittlerweile 30.000 Toten.Die Gerichtsprozesse verzögernOb Donald Trump bei einer Turnschuhmesse goldfarbene Sneaker vertreibt, ob er bei einem seiner Prozesse über „Hexenjagd“ klagt oder sich über mutmaßlich durch KI manipulierte Fotos aufregt, auf denen er älter aussehe – er bedient die Sehnsüchte der Menschen mit der roten „Make America Great Again“-Mütze, mit der sich ein beträchtlicher Teil der Republikaner als Symbol identifiziert. Sie sehen einen Trump im Weißen Haus, der Schluss macht mit Bidens angeblichem Chaos, das mit der „Invasion“ an der Grenze zu Mexiko beginne und mit der Inflation im Supermarkt aufhöre. Trotz Bidens Erfolgen beim Klimaschutz, in der Gesundheits-, Infrastruktur- und Sozialpolitik hält sich bei seinen Leuten die Sehnsucht nach „noch mal vier Jahren“ in Grenzen. Auf Linie sind demokratische Geldgeber, wie sich das bei Spendenmeetings im Februar in Kalifornien zeigte, wo man laut San Francisco Chronicle 25.000 Dollar hinblättern musste für ein Foto mit dem Präsidenten.Verrückt, deprimierend, bizarr – diese Adjektive kommen vor in Überlegungen zu diesem ungewöhnlichen Kapitel der US-Geschichte. Die Vorwahlen gehen erst im Juni zu Ende, doch die Sieger scheinen festzustehen. Acht Monate sind es noch bis zum Wahltag am 5. November, da kann noch manches passieren, doch müsste schon sehr viel passieren, sollten die beiden Parteien ihre Anwärter austauschen.Viel Geld für Nikki HaleyDie frühere Gouverneurin und einstige UN-Botschafterin, Nikki Haley, die letzte außer Trump noch kandidierende Republikanerin – seit Neuestem warnt sie vor ihm als „einer einzigartigen Bedrohung der Demokratie“ –, hat gerade die Vorwahlen in ihrem Heimatstaat South Carolina verloren. Sie bekam viel Geld von Anti-Trump-Spendern, die an der Idee von einer normalen Republikanischen Partei festhalten. Damit kann sie ihren Wahlkampf noch lange weiterführen in der Hoffnung, Gesichtsschminke werde nicht reichen, das Image vom dynamischen 77-Jährigen zu pflegen.Im linken Amerika wird gelegentlich mit dem Begriff „Faschismus“ hantiert, der in einer zweiten Trump-Amtsperiode drohe. Was das wäre, lässt sich schwer definieren. Militarisierung der Grenze im Süden, Massenabschiebungen, ein wild gewordener Kapitalismus als Selbstbedienungsladen für die Reichen und Trumps Gesinnungsgenossen? Eine Nation unter Kontrolle der „richtigen Amerikaner“?Die Straf- und Zivilprozesse gegen den 2020 abgewählten Ex-Präsidenten sind Gegnern Grund zur Schadenfreude. Trump muss Hunderte Millionen Dollar Strafe zahlen! Trotz finanzieller Probleme hat seine Strategie dennoch Aussicht auf Erfolg: Verzögern und nochmals verzögern, sodass die Aussicht auf einen rechtskräftigen Schuldspruch bei auch nur einem Prozess vor dem Wahltag schwindet. Als Staatschef, sollte er denn gewinnen, könnte Trump nicht angeklagt werden.Offenes Rennen in mindestens sechs US-BundesstaatenMeinungsumfragen so lange vor dem Wahltag sind müßig. Wahrscheinlich ist nur, dass die Abstimmung ohne überwältigende Mehrheit ausgeht dank eines Wahlsystems, bei dem das Electoral College mit seinen auf Ebene der 50 Bundesstaaten gewählten Wahlmännern bzw. -frauen entscheidet. Biden wäre 2020 ohne deren Mehrheit geblieben, wenn in Arizona, Georgia und Wisconsin rund 43.000 Wähler nicht für ihn, sondern Trump gestimmt hätten. Zusätzlich Unsicherheit für Biden verheißen 2024 die „dritten Kandidaten“ Cornel West, Jill Stein und Robert Kennedy.Ein großer Teil Amerikas ist aufgeteilt in republikanisch und demokratisch. Die Kampagnen gehen davon aus, dass in diesem Jahr in sechs oder mehr Staaten ein offenes Rennen stattfindet. Außer den oben genannten Staaten kommen dafür Nevada, Pennsylvania, Michigan, vielleicht auch New Hampshire und North Carolina in Betracht. In Michigan – 2020 gewonnen von Biden, 2016 von Trump – hat es Ersterer schwer wegen seiner Israel-Unterstützung. Gut drei Prozent der Einwohner dort sind US-Amerikaner mit arabischen Wurzeln, die normalerweise demokratisch wählen, aber nun entsetzt sind.Schließlich lässt sich das Problem von Bidens Alter nicht wegreden mit dem Argument, Trump sei auch kein großes Licht und nur ein paar Jahre jünger. Kontern ließen sich die Alterswarnungen, würde Biden bei öffentlichen Auftritten demonstrieren, dass die Sorgen unbegründet sind. Doch seine politischen Freunde sind nervös und fürchten „Ausrutscher“, wenn Biden vor die Kameras tritt. Es geht wirklich um das Image. Pressekonferenzen und Interviews sind daher derzeit rar im Weißen Haus. Bisher war es üblich, dass der Präsident vor dem Football-Endspiel, dem Superbowl, dem ausstrahlenden TV-Sender ein Interview gibt, bei dem superharte Fragen gemieden wurden, sodass die Veranstaltung vor Riesenpublikum ein Heimspiel für den Befragten war. Diesmal hat das Weiße Haus die Einladung zum Superbowl im Februar ausgeschlagen. Trump postete, er würde jederzeit einspringen. Es ist alarmierend für die USA und den Rest der Welt, dass diese beiden Männer untereinander ausmachen sollen, wer die Regierungsgeschäfte übernimmt. Abhilfe ist nicht in Sicht
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