Seit den Massakern von Beirut und Paris kann der Erfolgsdruck, unter dem die internationale Syrien-Vermittlung steht, kaum größer sein. Umso erfreulicher, dass die zweite Wiener Konferenz mit Außenministern aus 20 Staaten zu einigen Fortschritten, wenn auch zu keinem Durchbruch kam. Es wird nicht länger sondiert, sondern auf eine erste operative Phase gesetzt, ausgehend von einem diplomatischen Vorstoß Russlands, dessen Acht-Punkte-Plan bereits vor Wien kursierte.
Das Dokument entwirft einen auf 18 Monate befristeten Reformprozess in Syrien, der Mitte 2017 mit Wahlen abgeschlossen werden könnte. Es sind Parallelen zu Positionen erkennbar, wie sie die deutsche Regierung, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vertreten. Zunächst sollen sich die Regierung in Damaskus und „Repräsentanten der Opposition“, wie es im Papier heißt, über eine neue Verfassung einigen, die schon vorliegen könnte, wenn ein künftiger Staatschef und das Parlament gewählt werden. Präsident Baschar al-Assad findet in diesem Passus keine Erwähnung, was so viel heißen dürfte wie: Er bleibt während einer Übergangszeit präsent, eine darauffolgende Kandidatur für das höchste Staatsamt wird weder verneint, noch ist sie ausdrücklich vorgesehen. Nur so viel lässt sich sagen: Assad soll nicht den Vorsitz der Verfassungskommission übernehmen, die „das ganze Spektrum der Gesellschaft Syriens sowie der in- und ausländischen Oppositionsgruppen“ abbildet, so das Moskauer Papier. Ausdrücklich ist die UNO als Schirmherr genannt, speziell deren Syrien-Emissär, der italienisch-schwedische Diplomat Staffan de Mistura.
Unverkennbar war das Bemühen in Wien, eine Verantwortungsgemeinschaft für Syrien zu installieren, die nieman-den ausschließt, aber alle in die Pflicht nimmt, die an diesem Konflikt in irgendeiner Weise beteiligt sind. So plädiert Russlands Außenminister Lawrow für eine Syrien-Kontaktgruppe, die einen innersyrischen Dialog flankiert, um ein Scheitern zu verhindern. In diesem Gremium will Moskau neben den fünf UN-Vetomächten die Arabische Liga, die EU und die UNO, Saudi-Arabien, die Türkei, Iran, Ägypten. Jordanien, den Irak, Katar und Deutschland versammeln.
Sind Hoffnungen berechtigt? Angesichts der Toten von Beirut und Paris sollte sich der notorische Reflex im Westen erledigt haben, ein Handlungstableau aus Moskau zu disqualifizieren, nur weil es aus Moskau kommt.
Natürlich bleiben offene Fragen. Braucht man nicht zuerst einen belastbaren Waffenstillstand, bevor verhandelt wird? Wie würde der überwacht, wenn es dazu käme? Durch eine Peace Enforcement-Mission der UNO? Und welche von den Anti-Assad-Parteien sollte an Gesprächen teilnehmen? Auch die Al-Nusra-Front, die ähnli-che Verbrechen wie der IS verübt hat? Genau hier wird das Dilemma des Wiener Fahrplans deutlich, der nicht regeln kann, wer wann welchen Weg nimmt und wo ankommt.
Die Radikal-Islamisten des IS und ihre Alliierten jedenfalls dürften nicht kampflos, sondern nur den kurdischen Milizen und der Assad-Armee weichen, wenn die von einer internationalen Anti-IS-Allianz ausreichend unterstützt werden. Wie sonst sollte die Macht zu allem entschlossener Dschihadisten zu brechen sein? Und wenn das gelingt, werden die Sieger ihre Macht teilen, aber sich gar vollends entmachten lassen? Wohl kaum. Die Nachkriegsordnung wird nicht nur Sache der Diplomatie sein.
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