Linkspartei, Kommunisten, Gewerkschaften und soziale Bewegungen – insgesamt 60 Parteien und Verbände – mobilisierten in Paris bis zu 80.000 Anhänger. Darunter zweifellos viele sozialistische und grüne Wähler. Es sind die von Präsident François Hollande Enttäuschten, die ihm eben noch – bei der Parlamentswahl im Juni – eine komfortable Mehrheit in der Nationalversammlung verschafft haben. Die Protestierenden wandten sich aber nicht nur gegen die Spar- und Austeritäts-Politik ihres Präsidenten. Sie verlangten auch, als souveränes Volk über den Fiskalpakt und die damit erzwungenen Etatkürzungen wie Steuererhöhungen in einer Volksabstimmung das letzte Wort zu erhalten. Frankreichs Haushalt soll 2013 um zehn Milliarden Euro schrumpfen, was nicht ohne Einschnitte bei den Renten und bei der Krankenversicherung abgeht. Insgesamt müssen durch Kürzungen und steigende Steuern 36,9 Milliarden aufgebracht werden. Bei der Wahlkampgne der Sozialisten im Frühjahr und ihrem Schwur auf die soziale Gerechtigkeit klang das alles sehr viel anders.
Die Partei der Grünen (Europe Écologie – Les Verts/EELV) hat sich bei alldem ins Abseits manövriert. Einerseits ist sie mit zwei Ministern an der Regierung beteiligt und zählt damit zur Koalition, andererseits hat sich der Parteitag mit 77 gegen 24 Stimmen gegen die Ratifizierung des EU- Fiskalpakts und die darin vorgesehene Schuldenbremse gewandt. Daniel Cohn-Bendit, Wahlkampf-Lokomotive der Partei, hat gegen diesen Mehrheitsentscheid protestiert und lässt seine Mitgliedschaft denn auch bis auf weiteres demonstrativ ruhen. Bei den Sozialisten hat der konfuse Beschluss der Grünen für Verärgerung gesorgt. Premierminister Ayrault hielt den Gegnern des Fiskalpakts vor: „Die logische Konsequenz ist der Austritt aus dem Euro.“ Mit solchen Drohungen und Horrorszenarien dürfte Ayrault freilich die linke Opposition eher bestätigt haben in ihrem Verlangen nach einem Volksentscheid.
So schnell geht das
Jedenfalls schmilzt Hollandes Popularitätswert derzeit wie Butter in der Sonne. Allein in den Monaten August und September sank das Vertrauen in ihn um elf Prozent, so dass sich nur noch 43 Prozent der Franzosen von Hollande als Staatschef respektabel vertreten fühlen. Gleichzeitig befindet sich Jean-Luc Mélenchon, der rhetorisch brillante Chef des Parti de Gauche mit seiner Parole für „ein soziales Nein“ gegen den Fiskalpakt im Aufwind. Mélenchon geht es darum, „ganz Europa die Kraft des Neins in Frankreich“ zu zeigen – wie beim Referendum über den EU-Verfassungsvertrag am 28. Mai 2005.
Für Präsident Hollande kann die oppositionelle Bewegung gegen die Sparpolitik schnell eine politische Dynamik entwickeln, die seine Mehrheit im Parlament und den Zusammenhalt seiner Regierungsmannschaft genauso bröckeln lässt wie seine Popularitätswerte.
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