So viele Menschen verlieren gerade ihre Arbeit. Was würden sie dafür geben, bliebe ihnen solcher Verlust erspart? Fünf Tage in der Woche arbeiten, um überhaupt arbeiten zu können? Der Vorschlag der Linken-Politikerin Katja Kipping für eine Vier-Tage-Arbeitswoche erweckt den Eindruck, eher sozialpopulistisch als situationssensibel angehaucht zu sein.
Auch scheint der Stellenwert von Arbeit für ein zivilisiertes Dasein heutiger Zeitgenossen nicht übermäßig zu interessieren. Von diesem „Aus fünf mach vier“ hörend, fielen mir unwillkürlich Friedrich Engels und seine Schrift Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen (1876) ein. Darin wird Arbeit nicht nur als Quelle allen Reichtums, sondern ebenso als Grundbedingung menschlichen Lebens beschrieben. „Sie hat den Menschen geschaffen“, verkündet der Autor. Und kann ihn, geht sie verloren, auch wieder abschaffen? Zumindest in der Spielart eines kultivierten Wesens, die derzeit noch vorherrscht? Schließlich ist der Mensch nicht nur prädestiniert, Arbeit zu verrichten, sondern auch dafür geschaffen, durch sie geformt zu werden.
Wo bleibt die Eigentumsfrage?
Sicher funktioniert das an fünf so gut wie an vier Tagen. Das Bedenkliche an Kippings Vorstoß ist vielmehr die Suggestion, man könne Arbeitszeit kappen und müsse nicht groß danach fragen, was mit der gewonnenen Zeit geschieht, die den Menschen nicht davon entbindet, ein soziales Wesen zu sein. Wird daraus für die Gesellschaft verlorene Zeit, weil einem Freizeitverhalten mit hohem ökologischen Verschleißfaktor oder dem Rückzug in die virtuelle Schattenwelt der IT-Kommunikation Vorschub geleistet wird? Wie verantwortungsvoll wird mit mehr verfügbarer Zeit umgegangen, die nicht zwangsläufig Freizeit sein muss? Oder wird erst recht zu hedonistischer Lebensform animiert, deren Egomanie in Pandemie-Zeiten unübertrefflich wirkt? Der Zeitgewinn kommt doch den Familien zugute, werde ich ermahnt. Sicher, nur sollten davon alle Generationen etwas haben. Wäre das so?
Kipping sagt: „Die Vier-Tage-Woche macht Beschäftigte glücklicher, gesünder und produktiver.“ Nach dieser Logik müsste das Arbeiten an nur einem Wochentag die allerglücklichsten, gesündesten und produktivsten Mitarbeiter zur Folge haben. Sicher hat Gesundheit viel mit Arbeitszeiten zu tun, aber sie hängt gleichfalls davon ab, unter welchen Bedingungen, mit welcher Anerkennung, welchem Ziel – wie selbst- oder fremdbestimmt gearbeitet wird, in welchem Bewusstsein für den sozialen Ertrag und Effekt dessen, was entsteht.
Die Linken-Vorsitzende sollte das Phänomen entfremdeter Arbeit nicht vollends ausblenden. Wenn unter den gegebenen ökonomischen Verhältnissen verausgabte Arbeit zur Produktion von Gebrauchswerten führt, bedeutet das zugleich Reproduktion patriarchaler sozialer Verhältnisse. In der Regel wird dadurch fremdes Eigentum erhalten oder vermehrt, was der Macht derer dient, die davon profitieren, und die Ohnmacht derer steigert, die davon abhängig sind: die fälschlicherweise „Arbeitnehmer“ Genannten, tatsächlich aber geistige oder körperliche Arbeit „Gebenden“. In dem Maße, wie ihr Produkt zur Ware wird – ob als Zeitungstext oder Schraubenschlüssel –, entfremden sie sich davon, weil mit dieser „Realisierung“ zugleich ein disziplinierendes Lohnarbeitsverhältnis bestätigt, womöglich potenziert wird.
Daran ändern verkürzte Arbeitszeiten rein gar nichts, im Gegenteil, zu deren Ausgleich kann die Arbeitsintensität erhöht werden, was „Arbeitnehmer“ hinnehmen (müssen), weil sie „abhängig Beschäftigte“ sind. Will heißen, wer über Arbeitszeiten, nicht aber die sie einrahmenden, oft ausbeuterischen Produktionsverhältnisse redet, der vernebelt, was aufgebrochen gehört. Es vertritt bestenfalls einen demokratischen Kapitalismus, wer sich davor scheut, die allen Arbeitsverhältnissen zugrunde liegende Eigentumsfrage zu stellen. Da scheinen die Karstadt-Kaufhof-Opfer besser im Bilde zu sein. Sie wissen, dass es die Eigentümer ihres Konzerns sind, niemand sonst, die sie auf die Straße setzen.
Kommentare 35
Welch ein Stuss. Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Schreiber nie wirklich arbeiten musste - um einen ähnlich platten Komparativ zu nutzen. Irgendwo verstreut finden sich Schnippsel richtiger Denkweisen, aber alles zusammen genommen ist das Geschreibsel unausgegorener Pseudomarxismus.
Ich habe mir sagen lassen das Toennis Rinderhaelftenzerschneider sogar fuer die 1 Tage Woche sind.
:-D
Sehr treffend! Dafür Papier schmutzig zu machen, grenzt an Sünde.
Ich wäre dankbar, wenn sich jemand fände, der erklären könnte, was der Autor mit folgendem Satz sagen will:
>>Wenn unter den gegebenen ökonomischen Verhältnissen verausgabte Arbeit zur Produktion von Gebrauchswerten führt, bedeutet das zugleich Reproduktion patriarchaler sozialer Verhältnisse.<<
Den richtigen Adressaten ansprechen. Mit einer Frage.
Ich denke wenn iDog oder W.endemann die Nuss nicht knackt schafft es keiner.
:-D
Warum? Ich finde die Diskussion interessant, sehe sie aber nicht als gegensätzlich an. Der letzte Absatz des Artikels von Herrn Herden weist doch in die richtige Richtung. Beide Debattenbeiträge ergänzen sich eher.
Nur in einer Hinsicht erntet Herr Herden Widerspruch von mir. Die Verkürzung der lohnabhängigen Arbeitszeit bedeutet doch nicht Stillstand für den Menschen - er hat eher mehr Zeit, um für sich selbst aktiv tätig zu werden. Das ist oftmals bereichernder für die gesamte Gesellschaft, als stumpfsinnige Fließbandarbeit.
>>Wenn unter den gegebenen ökonomischen Verhältnissen verausgabte Arbeit zur Produktion von Gebrauchswerten führt, bedeutet das zugleich Reproduktion patriarchaler sozialer Verhältnisse.<<
Das müsste man mal Ameisen vorlesen, denn ich hab mal aus einer wissenschaftlichen Studie erfahren, daß die kleinen Krabbler gar nicht so fleißig sind als allgemein angenommen. Die werkeln nur das Notwendige, ansonsten gehen sie spazieren.
Vielleicht ändert sich das aber demnächst wenn eine Ameise vorbeikommt die Lutz Herden heißt.
"Warum?"
""Dafür Papier schmutzig zu machen, grenzt an Sünde.""
Weil der Artikel ein Sammelsurium von Unsinn ist. Jeden einzelnen Quatsch darin zu kritisieren, übersteigt meine Kapazitäten. Ich bin kein Publizist.
Nur mal ein Beispiel: Engels meinte, dass der Mensch bisher (!) durch Arbeit geworden ist. Er war revolutionärer Sozialist und mit Marx der Überzeugung, dass die Klassengemeinschaft gestürzt werden muss. Damit wäre dann auch die Arbeit an sich abgeschafft. Herr Herden sollte sich die Mühe machen, Engels auch zu lesen.
>>Den richtigen Adressaten ansprechen. Mit einer Frage.<<
Vielleicht bin ich zu pessimistisch. Da hatte ich keine Hoffung auf Antwort.
Ich versuch es mal: Lutz Herden, was wollen Sie den LeserInnen mit diesem oben von mir zitierten Satz sagen? Im Voraus danke für die Mühe einer Erläuterung.
"Klassengemeinschaft" muss natürlich Klassengesellschaft heißen.
" Er war revolutionärer Sozialist und mit Marx der Überzeugung, dass die Klassengemeinschaft gestürzt werden muss. Damit wäre dann auch die Arbeit an sich abgeschafft."
So habe ich Marx und Engels nie verstanden. Diesen Gedankensprung trage ich auch nicht mit, denn das würde bedeuten, dass der Mensch zwar von den Klassenzwängen befreit wäre, aber nun glückselig verhungert.
Ich denke, dass da eher ein Missverständnis vorliegt. Arbeit wird es immer geben. Unter welchen Bedingungen (z.B. unter den Bedingungen von Lohnsklaverei - oder eben von derartigen Zwängen befreit) und mit welchem Ziel (z.B. dann nicht zur Gewinnmaximierung Einzelner, sondern zur Versorgung der Bedürfnisse der Gesellschaft) dann gearbeitet wird, das ist die Stoßrichtung, so wie ich sie verstanden habe. Nicht umsonst habe ich auf den letzten Absatz dieses Artikels hier hingewiesen.
Mag aber sein, dass ich da etwas falsch verstanden habe.
>>...dann nicht zur Gewinnmaximierung Einzelner, sondern zur Versorgung der Bedürfnisse der Gesellschaft...<<
Ja. Keine entfremdete Lohnarbeit, deren Ziel die private Bereicherung einer Minderheit ist und deren Inhalte von dieser Minderheit bestimmt werden.
Auch eine proletarische Revolution kommt nicht von alleine, man muss schon was dafür tun. Nur bezahlt einem diese Arbeit kein Kaputtalist. Die bezahlen unsereins ja noch nicht mal dafür dass man einen Streik organisiert ;-)
"Auch eine proletarische Revolution kommt nicht von alleine, man muss schon was dafür tun. Nur bezahlt einem diese Arbeit kein Kaputtalist. Die bezahlen unsereins ja noch nicht mal dafür dass man einen Streik organisiert ;-)"
Wie recht Sie haben. Aber genau deshalb widerspreche ich ja auch den Eingangsrednern: Wer nur die Arbeitszeit verkürzen will, statt in das Ziel die Veränderung der Arbeitsbedingungen zu integrieren, denkt zu kurz. Und deshalb sehe ich den Ansatz Herrn Herdens nicht als Müll, wie andere hier, sondern als Ergänzung des Debattenbeitrages von Chritian Baron.
Ansonsten ja: Die mächtigen Kaputtalisten (Ich muss jetzt aufpassen, bin selbst Kaputtalist - wenn auch nicht gerade ein mächtiger ;) ) möchten natürlich keine Arbeitszeitverkürzung. Das reduziert die Gewinnmarge und gibt den Arbeitnehmern mehr Zeit, über die herrschenden Verhältnisse nachzudenken. Das kann ihnen nicht gefallen. ;)
ausser dass es "demokratischen Kapitalismus" nicht gibt und nicht geben kann, denn es ist ein Oxymeron, weitgehende Zustimmung hier. In diesem Artikel wird wenigstens klar, dass es sich bei "Arbeit" um abhängige und entfremdete "Beschäftigung", also Lohnsklaverei - als Bullshitjob? - handelt, welche die kapitalitischen Eigentumverhältnisse betoniert.
Selbstbestimmte Arbeit ist Teil der menschlichen Kultur, aber sicher nicht alles ... Da hat Engels ein paar Aspekte ausgelassen, weil es dem "proletarischen" Produktivismus und einem industriellen Fortschrittsglauben zu Gute kam, der auch den Marx-Engelschen Kommunismus beseelte. Das, wovon Marx schrieb, wenn er meinte, der nicht entfremdete Arbeiter würde morgens aufs Feld (oder andere Poduktion) gehen, nachmittags eine Symfonie komponieren (oder ander kreative Tätigkeiten wahrnehmen) und abends zB. mit Freunden philosophieren oder sich den Kinderen widmen etc. pp. ,war eine postrevolutionäre Vision, also nach der Emanzipation von der politischen Ökonomie und ihrer abhängigen Lohnarbeit. Ergo man bekämpfe die Lohnarbeit an sich. Arbeitszeitverkürzung ist in dem Sinne nur dann gut, wenn diese sich auf Null verkürzt hat und man beschäftigt sich mit etwas Sinnvollem, will heißen : Humanem,sozialem Zusammenleben ... können "wir" das noch ? Man hat nicht den Eindruck ...
https://www.zeit.de/1967/03/lob-der-faulheit
Das stammt vom Schwiegersohn Karl Marx' - allerdings auch keine so glückliche Existenz.
"O Faulheit, erbarme du dich des unendlichen Elends! O Faulheit, Mutter der Künste und der edlen Tugenden, sei du der Balsam für die Schmerzen der Menschheit!" So endet Lafargues marxistische Apologie des Nichtstuns. Nur als "eine Würze der Vergnügungen der Faulheit" sei Arbeit zulässig: "Nicht auferlegen, verbieten muß man die Arbeit." (So schreibt er, der Lafargue)
Das ist doch Super. Ansonsten ist das Ringen der Arbeiterklasse um weniger Arbeitszeit nun wirklich Jahrhunderte alt.
Ich habe den geheimen Verdacht, dass der Autor sich hier ein bisschen als "advocatus diaboli" betätigt bzw. betätigen muss, denn es ist ja eine Gegenrede.
Ich erinnere mich an meine DDR-Erwerbsarbeit. Wir hätten uns alle sehr über ein paar Stunden weniger Arbeitszeit gefreut. Aber, - stimmt, das waren ja auch keine ausbeuterischen Verhältnisse.
Wir haben seinerzeit den Engels-Spruch auch immer mal abgewandelt:
Der Anteil der Lohnarbeit an der Affenwerdung des Menschen.
Und da ist was dran, aber die Affen sollten nicht beleidigt werden.
Der Arbeitsbegriff ohnehin ist hier so sehr auf Erwerbsarbeit allein fokussiert, dass ich das schon merkwürdig finde. Aber, gehört sicherlich auch zur gestellten Argumentationsaufgabe. Kurzerhand sehr anregend, aber nur zu allgemeinen Scherzen in der Schulbank.
Mal ein bisschen was zum Aufbauen
Ernst Busch singt: Entgegen dem kühlenden Morgen
Und hier was für getanes Werk
Hier ist Feierabend.
Einerseits: Nach der Lektüre kam mir eine Begebenheit in den Sinn, die schon sehr lange zurückliegt. Damals wohnte ich noch in den Niederlanden und schaute noch gerne politische Talkshows. Einmal war ein Arbeitgebervertreter dabei, der beschwerte sich regelrecht, Arbeitnehmer stünden ihnen ja nur acht Stunden am Tag zur Verfügung.
Andererseits: Ich behaupte mal, der Gewinn – was immer das auch heißen mag – würde ausreichender Antrieb sein, etwas anderes Sinnvolles zu tun, wenn das, was wir im Sinne bestehender Arbeitsverhältnisse an Arbeit verrichten, von z.B. fünf auf vier Tage reduziert würde. – Die Welt würde daran nicht zugrunde gehen.
Ich weiß nur nicht, was Frau Kipping damit erreichen will:
Das Arbeitsvolumen in der Bundesrepublik Deutschland sinkt in seiner Tendenz seit 1960. Es liegt zwischen ca. 56 Mrd. Stunden 1960 und 62,7 Mrd. Stunden in 2019, obwohl das Erwerbspersonenpotential seit 1960 von rund 26 Mio. auf 44,5 Mio. Personen stieg, die 8,55 Millionen Arbeitnehmer der ehemaligen DDR eingerechnet. Im Gegenzug sank die Wochenarbeitszeit.
Die Reduzierung der Arbeitszeit ist so gesehen ja bereits gelungen. Nur sollte Frau Kipping sich fragen, zu welchem Preis. Deutschland ist unter der Entwicklung immerhin zum Niedriglohn-Land Nr. 1 in Europa mutiert. Und diese prekarisierten Arbeitnehmer sollte sie nicht der AfD überlassen.
…
„Der Zeitgewinn kommt doch den Familien zugute, ...“ – als wäre das bereits ein Wert an sich!
Na, geht doch. Ein uralter Filmtitel von Werner Herzog: "Auch Zwerge haben klein angefangen" ... heute unter dem Radar der allgegenwärtigen Gesinnungspolizei undenkbar.
Was ich damit sagen möchte: probieren, üben, fragen, auch eine ausbleibende Antwort riskieren. So können Sie am Ende des Tages wenigstens sagen: "Ich habe es versucht". Das war mal ein Motto des - von mir sehr geschätzten - Willy Brandt, der nebenbei auch einigen Bockmist verzapfte. Siehe: "Radikalenerlass".
Wir sind halt alle keine Päpste. Der sitzt in Rom - und halt gerade große Probleme.
Zum Thema "Glück":
Glück wird, wie vieles andere auch, ziemlich überbewertet.
++ Wir sind halt alle keine Päpste. Der sitzt in Rom - und halt gerade große Probleme.++
Vor allem sind es ja jetzt zwei Päpste, weil der eine seine Arbeitszeit verkürzt hat und im Ruhenstand herumlungert.
Teilen die sich schon Hartz IV?
Harte Zeiten.
Wer weiß: Wie heißt der Segen? Urbi et Hartzi?
Arbeit macht frei! Die Perversion! Arbeit ist das halbe Leben. Der Irrtum! Der Mensch lebt um zu arbeiten oder der Mensch arbeitet um zu leben. Der Klassiker! Arbeit macht reich. Die Lüge! Was tun mit den Massen? Bis `45 war das klar, die Kriegsgesellschaft. Ab `45 die Friedensgesellschaft, Aufbau, Hausbau, Autokauf, Industriemaloche, fossil, Konsum total bis zum heutigen Exzess, Klimawandel. So kann das nix werden! Das natürliche Bedürfnis des Menschen nach Tätigkeit muss völlig neu angeganen werden. Schöpfungserhaltendes Tun, die Erde sich untertan machen, sie nicht in der Gier zerstören. Die schöpferischen Potentiale jeden Menschen sich zeigen lassen, fördern, entwicklen. Körperliches Tun und geistiges Tun gleichwertig behandeln. Soziales, solidarisches Tun belohnen. Da brauchen wir jetzt hier aber keine Killerphrasen, à la Utopie. Die 1% haben den 99% etwas anderes zu bieten als den irren status quo!
"...Ich weiß nur nicht, was Frau Kipping damit erreichen will..."
Ganz sicher zielt Frau Kipping nicht auf jene Menschen, die freiwillig in ihrem Job gerne mehr leisten, weil ihnen die Arbeit so viel Spaß macht. Es gibt aber eine sehr große Anzahl abhängig beschäftigter Menschen, die aus vielen Gründen kaputt gearbeitet werden: Ob als Arbeitnehmer in Zeitunternehmen zu Dumpinglöhnen, ob als "normal" Beschäftigte in Büros, auf dem Bau oder an Maschinen in Fabriken ausgebeutet, oder sogar "selbständig" in Franchise oder was auch immer - wer da einmal drin gesteckt hat, würde gerne mehr Zeit für sich selbst haben. Auch für die Familie. Wenn es gelänge, diese Leute als Wähler für die "Linke" zu gewinnen, ist das die halbe Miete. Zu deren eigenem Nutzen: Mehr Freizeit, mehr Zeit für alles das, was Spaß macht. Und das ist für die Meisten eben nicht die Arbeit.
Und by the way: Die AfD steht für das genaue Gegenteil!
„Es gibt aber eine sehr große Anzahl abhängig beschäftigter Menschen, die aus vielen Gründen kaputt gearbeitet werden: Ob als Arbeitnehmer in Zeitunternehmen zu Dumpinglöhnen…“
Eben!!! Interessieren Sie sich doch mal für die. Das sind die, die mit ihren Jobs das Salz in der Suppe nicht verdienen können, die auf jede Stunde Arbeit angewiesen sind. Sollen die demnächst noch weniger arbeiten? Wir haben die Arbeit doch schon jetzt so fragmentiert und moduliert, dass wie die dazugehörigen Arbeitskräfte – Billigarbeitskräfte – aus dem Ausland importieren etc.
Das ist jene Elends-Klientel, die das „Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE“ geschaffen hat und jene Gesinnung, die sich die AfD jetzt zu Nutze macht, für die sich übrigens auch mal die Partei DIE LINKE stark machte, von denen aber schließlich ganz viele zur AfD übergewechselt hat, während sich DIE LINKE marginalisierte. Da hat übrigens Frau Kipping einen gehörigen Anteil dran.
Zitat 1: "Der Vorschlag der Linken-Politikerin ... erweckt den Eindruck, eher sozialpopulistisch als situationssensibel angehaucht zu sein."
Mit Verlaub, "sozialpopulistisch" sind doch bei Lichte betrachtet wohl eher die pauschalierenden Argumente, die angesichts der bestehenden extremen Unterschiede bei der Einkommens- und Vermögensverteilung in diesem unserem Lande von Neoliberal-Konservativen gegen eine Reduzierung der Arbeitszeit aus dem Hut gezaubert werden.
Zitat 2:"Auch scheint der Stellenwert von Arbeit für ein zivilisiertes Dasein ... nicht übermäßig zu interessieren. ... Schließlich ist der Mensch nicht nur prädestiniert, Arbeit zu verrichten, sondern auch dafür geschaffen, durch sie geformt zu werden.
Wer bestreitet das denn? Arbeit ist persönlich und gesellschaftlich wichtig, nicht nur wegen der banalen "Kohle", die man damit verdient, um z. B. die Miete, das Abendessen und den Eintritt in das städtische Schwimmbad zahlen zu können. Die Frage ist allerdings, was beim einem Mitarbeiter von Herrn Tönnies, der im Minutentakt 10 Stunden lang am Tag Schweine in zwei Häften zerlegt, "geformt" wird außer einem kaputten Rücken.
Zitat 3: "Nach dieser Logik müsste das Arbeiten an nur einem Wochentag die allerglücklichsten, gesündesten und produktivsten Mitarbeiter zur Folge haben."
Erstens zielt der Vorschlag nicht auf Reduzierung von fünf auf einen AT, sondern von fünf auf vier Arbeitstage. Andererseits kann man eine wöchentliche Soll-Arbeitszeit von 40 Stunden nicht nur auf 32 (= 1 AT), sondern beispielsweise auch auf 36 Stunden verringern. Das wären dann zwei Tage im Monat.
Zweitens ist die Schlußfolgerung so stringent wie die Behauptung Reichtum würde glücklich machen. Reichtum ist keine hinreichende Voraussetzung für ein glückliches Leben, aber eine notwendige. Schließlich ist es leichter, mit einem Monatseinkommen von 10.000 Euro und einem liquiden Polster von 100 Millionen Euro ein glückliches Leben zu führen als mit 1.000 Euro monatlich und einem Girokonto, das man ständig überziehen muss, um die Miete zahlen zu können.
Zitat 4: "Die Linken-Vorsitzende sollte das Phänomen entfremdeter Arbeit nicht vollends ausblenden."
Das tut sie doch nicht. Was ändert sich an einer "entfremdeten Arbeit", wenn man sie statt 40 Stunden in der Woche an 35 oder 36 Stunden ausübt? Rein quantitativ ist sie allerdings um 5 bzw. 6 Stunden weniger entfremdet.
Zitat 5: "Wer über Arbeitszeiten, nicht aber die ... ausbeuterischen Produktionsverhältnisse redet, der vernebelt, was aufgebrochen gehört." - Und dennoch schließt das eine das andere nicht aus.
Zitat 6: "Es vertritt bestenfalls einen demokratischen Kapitalismus, wer sich davor scheut, die allen Arbeitsverhältnissen zugrunde liegende Eigentumsfrage zu stellen."
Arbeitszeitverkürzungen sind ceteris paribus indirekte Lohnerhöhungen. Deshalb schreien neoliberal-konservative Politiker, die Hofberichterstatter in den Medien und private Lobbyvereinigungen wie das "Institut der deutschen Wirtschaft" in diesem unserem sogenannten "christlichen" Lande sofort laut auf, wenn die Gewinne niedriger ausfallen. (Vielleicht sollte sich das IW umbenennen in "Institut für Gewinnmaximierung und Umverteilung von unten nach oben. Das wäre ehrlicher.)
Unter den derzeit herrschenden realen Machtverhältnissen ist der Spatz in der Hand m. E. mehr wert als die (utopische und unerreichbare) Taube auf dem Dach. Die Geschichte zeigt, dass zentale Eigentumsfragen nur dann gestellt werden, wenn das ganze Land in Schutt und Asche liegt.
>>Das sind die, die mit ihren Jobs das Salz in der Suppe nicht verdienen können, die auf jede Stunde Arbeit angewiesen sind. Sollen die demnächst noch weniger arbeiten?<<
Ja klar. Immer weniger für die, die uns kaputtmachen, und mehr für unser Wohlergehen. Als Ziel nur noch für unser Wohlergehen und gar nicht für irgendeine Kapitalrendite.
Vor 50 Jahren, als ich begann so zu argumentieren war das noch irgendwie progressiv, leider etwas zu zu utopisch. Heute ist es nur noch Altersstarrsinn.
Anderseits bin ich doch der Beweis, dass man einen Rausschmiss aus der "S"PD und nicht unbegrenzte Kompromisthudelei in der Gewerkschaft und sogar ein paar Hinauswürfe aus Firmen bei guter Gesundheit überleben kann. Medizinische Studien dazu stehen allerdings noch aus.
Gute Kritik! Marx' Arbeitsbegriff schillert etwas. Ich muss wohl selber noch mal Engels lesen.
Fakt: Physikalisch kann ein Tag im Büro mit der selben Arbeit einher gehen, wie ein Abend in der Kneipe.
Als sozialer, - meist - wohlwollender Mensch habe ich mich hier gerne eine Zeitlang zurückgehalten.
Schon der alte Paracelsus hätte locker-flockig jede Debatte im Keim erstickt. Damals gab es noch keine - sagen wir - Talk-Shows und ähnliche Arenen für den abgesenkten und flachgelegten Geschmack.
'Para', lass mal hören: "Jegliches ist ein Gift. Es kommt auf die Dosis an."
Damit sollte alles gesagt sein.
Gebet eines Arbeiters: "oh Gott, lass Feierabend werden, am besten noch vorm Frühstück."
Kann mich der Kritik am Artikel im Großen und Ganzen anschließen. Ich frage mich zusätzlich, was der Autor denkt, wie Leute ihre Zeit außerhalb der bezahlten Erwerbsarbeit verbringen... Dass sie gar nichts tun oder was?
In dieser Zeit wird doch ebenfalls Arbeit verrichtet, und zwar immens wichtige für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Kinder"aufzucht", Betreuung von Angehörigen, Wohnung putzen, Ehrenamtliches, Selbstfürsorge, whatever... Es wäre doch toll wenn diese wichtigen Tätigkeiten auch mal als Arbeit angesehen werden würden, und zu deren Gunsten die Erwerbsarbeit verkürzt würde.
>>Na, geht doch.<<
Nix geht, der Autor hat meine Frage nicht beantwortet. Mein Pessimismus war berechtigt.
Schön, schön. Dann rahmen Sie sich am Besten Ihren Pessimismus ein und hängen ihn im heimischen Wohnzimmer oder an einem anderen Ort auf. Müssen Sie aber nicht.
Sie dürfen sich wahlweise darüber freuen, dass Sie es versucht/ gewagt haben, den Autor direkt anzuquatschen. Das will auch erst einmal gelernt sein.
Manchmal liegt die Würze nicht nur im primären Lustgewinn (der Ihnen hier von Lutz Herden verwehrt wurde), sondern auch im sekundären.
In diesem Fall eine Session Betreutes Kommentieren mit Mister Bartleby. Der sagt sonst meist: I would prefer not to ...
Also: nicht ganz so undankbar sein. ^^