Nazis ins KZ?

Pegida Soll man Pegida-Anhänger in die Psychiatrie stecken? In Lager verfrachten? Auch in der dFC tobt sich der Volkszorn aus – diesmal der »linke«, »zivilgesellschaftliche«.

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Zugegeben – dass ich ein Nazi sein soll, ist mir nicht neu. Bekannt ist es mir spätestens seit einem Jahr – seit sich auch im Print-Freitag und seiner angeschlossenen Online-Community die Fachexpertisen häuften, denenzufolge die Wegstrecke zwischen Ukrainepolitik-Kritik, rechtem Denken und Pegida kurz sind. Auch der Präsident des Verbands der Deutschen Zeitungsverleger, Helmut Heinen, hat mir die Tatsache meiner zutiefst braunen (eventuell zusätzlich islamterroristischen) Gesinnung im Januar schriftlich bestätigt. Desgleichen Nazi-Kenner in Talkshows, Redaktionen, und, und, und. Ich selbst kann mit dem Etikett zwar nichts anfangen und würde mich – mit 25 Jahren Dauer-Wahlstimmenabo für die Linkspartei – als relativ lupenreinen Linken bezeichnen (nunja, abstrichlich extensiver Vorlieben für die imperialistische Ami-Kultur). Zudem habe ich auch mit Pegida nix am Hut (eher sogar im Gegenteil). Da taz, Spiegel und Jungle World jedoch andere Eigentümer haben als mich und ich infolgedessen dort nichts zu melden, sind derartige Feinheiten irrelevant und der Fall eindeutig. Profan formuliert: Wer auf Anti-TTIP-Demos geht oder diese gut findet, muß mit sowas und sowas eben rechnen.

Ich räume ein: Richtig komfortabel ist die zugewiesene Rolle nicht. Andererseits bringt sie das Privileg mit sich, Entwicklungen aus größerem Abstand und – so jedenfalls meine Behauptung – großerer Reflexion zu beobachten. Eine dieser Beobachtungen ist die, dass das Hartholz der Nazi-Keule – Sorry, Freunde – vom extensiven Gebrauch allmählich weich wird wie Wachs. Königsbeweis: Ein Satz wie der artikeleinleitende etwa wäre mir noch vor einem Jahr nicht über die Tastatur gegangen. Aber wenn ihr Begrifflichkeiten auf Mickey-Mouse-Niveau runterbrechen wollt, um andere damit zu flamen – bittesehr, dann kommt sowas halt von sowas. Eine damit zusammenhängende, auf dem weiteren persönlichen Bekanntenkreis basierende Beobachtung: Der zunehmende Eifer beim Nazis-ausfindig-Machen und Bekämpfen kotzt immer mehr ehemalig oder auch kürzlich noch Aktive an und schreckt demzufolge auch von Demo-Besuchen etcetera nachhaltig ab. (Natürlich nicht schlimm – was will man mit Nazis auf einer Demo – möglicherweise sogar einer gemeinsamen? Entsprechend kann man auch das Fazit dieser Enttäuschten oder Ernüchterten – die Linke: nicht mehr meine Welt – nur als Triumph werten: Es geht eben, was zu gehen verdient.)

Selbstverständlich kann man die Chose auch als erfolgreich durchgeführten Verdrängungskampf sehen. Fazit hier: Ihr habt gewonnen, eure Sorte Linke ist nun weitgehend am Drücker. Viel Spaß! Ansonsten braucht ihr keine Angst zu haben. Ich werde hier nicht mit tränenerstickter Stimme flennen und über Dutzende unlesbarer Absätze die politischen Leichen beklagen, die linksseitig 2014/15 auf der politischen Wegstrecke zurückgeblieben sind oder derzeit unter Zwei-Seiten-Sperrfeuer stehen wie etwa die Linkspartei-Vorsitzende Sarah Wagenknecht, die sich das Wort »sozial« nicht abgewöhnen will. Ich wollte nur das Glück bejubeln, wie es (vermutlich) sein wird, wenn Leute wie ihr (also die »Zivilgesellschaftlichen«, die »Guten™«) das Pegida-Gesocks in Lager verfrachtet, in die Psychiatrie eingewiesen oder – via ordnungsgemäße Denunziation – um den Job gebracht habt.

Machen wir uns an die Arbeit. Wie sieht der durchschnittliche dFC-Forist den Fall eines jugendlichen Autohaus-Azubis, der in einem Netzportal Dumpfbacken-Sprüche postete und von seinem – sicherlich um die Menschenrechte und das weltweite einvernehmliche Zusammenleben besorgten – Arbeitgeber daraufhin aus dem Ausbildungsverhältnis expediert wurde? Antwort: Er findet es richtig gut, fordert in einem Beitrag zum Thema mehr davon und wägt über x-Absätze die rechtliche Lage ab, wie man den – im Arbeitsrecht nun mal leider vorgesehenen – Kündigungsschutz für offensichtlich unterbelichtete Bewegungs-Mitläufer noch besser aushebeln kann. Nunja: Nach der Stellenkündigung sind die Lebenschancen dieses kleinen Pegida-Amateurs nicht mehr ganz so reichhaltig wie bislang. Im Lauf der folgenden Jahre mit Hartz-IV-Bezug wird er – gut so – sicher genug Gelegenheit haben, über seine rassistischen Verfehlungen nachzudenken.

Ebenfalls gefragt – so die wegweisende Erkenntnis des dFC-Autors – ist allerdings die Zivilgesellschaft. Ein probates Mittel, dass jeder – sozusagen also Sie und ich – zum Einsatz bringen kann, ist das Aufkündigen sogenannter Facebook-»Freundschaften«. (Immerhin: für das Setzen von Anführungsstricheln im Kontext »Freundschaft« und Facebook – meine volle Unterstützung.) Ein Mittel, dessen Möglichkeiten sicher noch lange nicht ausgeschöpft sind. Wie das in organisierter Form vonstatten gehen kann, zeigt aktuell (wieder) das Beispiel einer Frankfurter Autorin. J. D. (nein, ich füttere Google nicht ohne Not mit diesem Namen) kündigte im Rahmen ihrer diesjährigen Anti-Querfront-Herbstoffensive an, all die ihrer Facebook-»Freunde« zu »entfreunden«, die bei Facebook mit dem Linkspartei-Politiker Diether Dehm »befreundet« sind (also keine »Freunde« im eigentlichen Sinn des Wortes darstellen, sondern doch wohl eher zweifelhafte Pappenheimer).

Doch seien wir ehrlich: Selbst der überzeugteste Hardcore-Antideutsche weiß, dass Netzscharmützel der üblichen Couleur in der Breite nicht wirklich viel bringen. Zudem fallen sie – die Netz-Mischpoke ist bekanntlich per se ziemlich unaufgeklärt – in der Regel auf den Absender zurück. Noch besser als derart kleingeistige Flamerei ist daher eine saftige Schwarte. Mit Vorsicht, Volk! betreten wir innerhalb dieses Artikels neues Terrain. Innerhalb der dFC hat diese Positionsfindung konträre Rezensionen verursacht (diese und diese von mir). Allerdings, da beißt die Maus keinen Faden ab: Immerhin tun die Autor(inn)en (noch) argumentieren (oder versuchen es zumindest oder tun zumindest so als ob). Zugegeben: Als dialektisch geschulter Linker weiß ich nicht so recht, wie eine Autorin, die Schüttelreime verfasst wie »Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei!«, die Zukunft der Linken oder der demokratischen Zivilgesellschaft auf eine positive Weise befördern will. Vielleicht kann ich die kindlich-unbedarfte Freude über den Grilltod von x-tausend Menschen (sicher auch irgendeine Art von »Flamen«) aber auch einfach deswegen nicht nachvollziehen, weil ich selber ziemlich rechtsgestrickt bin. Nicht ausräumen kann ich allerdings auch die Sichtweise, dass die Autorin lediglich ihre Abneigung gegen die gutbürgerliche Küche zum Ausdruck bringen wollte und ich in den Poem einfach zu viel hineininterpretiere.

Wie weiter? Was machen wir mit Pegida (vorausgesetzt, »wir« – also Antideutsche plus Zivilgesellschaft plus eventuell Grüne – sind erst mal an der Macht )? Ziemlich erheitert hat mich der Vorschlag in diesem dFC-Artikel. Die Lösung: Pegida-Anhänger(innen), Reichsbürger(innen) und ähnliche Durchgeknallte (wäre in Anbetracht des Vorschlags nicht vielleicht der Begriff »Gefährdete« besser?) in die Psychiatrie stecken. Vorteil des Vorschlags ist, dass man sich als Deutscher und Deutschin damit auf vertrautem Gebiet bewegt. Und das gleich in dreierlei Weise. Erstens: Was die Medizinierung sozialer Problemlagen anbelangt, hat dieses Land generell eine erstklassige Expertise. Zweitens: In bester linker Deutschmichel-Tradition delegiert man (ähnlich wie übrigens auch der weiter oben angeführte Jobkündigungs-Vorschlag) das Problem an den Staat, dessen Exekutive und dessen Bürokratie. Was die elaborierte eigene Petz- und Denunzier-Kultur anbelangt, ist man dabei komplett aus dem Schneider. Weil: die (eventuell vielleicht mit Neuroleptika zwangsvollgepumpten) Denunzierten sind ja keine Menschen im eigentlichen Sinn, sondern lediglich – Nazis.

Drittens bieten die aufgeführten Lösungen die Perspektive, sich mit dem Staat – über den man sonst bekanntlich im Endlosmodus meckert – nachhaltig zu versöhnen. Kein Vorschlag der aufgeführten kommt ohne Formular und dreifachen Stempel aus. Dass, Facebook ausgenommen, alle Vorschläge demokratische (und auch für Pegioten geltende) Rechte aushebeln – geschenkt. Selbst das unreflektierte Weiterbetreiben schlimmster NS-Praktiken (wie beispielsweise die – laut dieser Reportage – auf 200.000 Personen jährlich (!!) angewachsene Zahl der Psychiatrie-Zwangseinweisungen inklusive Scheißegalpillen-Cocktail 2x täglich und »Fixierung«) ist okay, wenn nur das Pegida-Gesindel endlich von der Straße verschwindet. Salopp formuliert: Von der Straße auf die Liege und unter den Ledergurt – so macht man Zivilgesellschaft.

Lange Rede kurzer Schluss: Liebe Zivilgesellschaftler(innen), ich bewundere euch für eure Langmut, eure universumsgleiche Humanität und vor allem eure unübertroffene demokratische, zivilgesellschaftliche und bürgerrechtlich so bewußte Sensibilität. Vor allem eurer zielgerichteter politischer Blick jedoch ist geradezu unvergleichlich. Mir ist klar, dass drastische Probleme drastische Maßnahmen erfordern. Mit kleinlichen Einwänden, dass derartige Forderungen links kurzsichtig und inhaltlich nichts weiter sind als die umgekehrte Variante von Seehofer-Stammtisch, will ich darum gar nicht erst nerven. Ihr werdet schon Recht haben. Meiner linken Vergangenheit geschuldet habe ich lediglich mit dem Begriff »antideutsch« etwas Probleme (konkret: dem Spektrum, dass in euren Reihen die politischen Ansagen vorgibt). Nicht, weil ich besonders »pro-deutsch« wäre (eigentlich bin ich sogar ziemlich das Gegenteil). Allerdings: Wenn ich mir das Gesamtouvre dieses Spektrums angucke von diversen Demos bis hin zu medialen Errungenschaften à la taz, Jungle World und Bahamas, deucht mir doch eher, dass diese Leute einen prächtigen Saalschutz abgäben beispielsweise für Anne Will oder auch den großen Zivilgesellschaftler Joachim Gauck.

Nun gut, vielleicht zu viel Fragen. Erwarten Sie nicht, dass ein böser Nazi sie beantworten kann.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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