Felix Lobrecht ist am Ende. Das jedenfalls erklärt der 34-jährige Comedian im Rahmen seines beliebten Podcasts Gemischtes Hack, in dem er mit seinem Co-Host Tommi Schmitt über Gott und die Welt plaudert. Er wolle nun ein Jahr lang Pause mit der Comedy machen. Er wirkt erschöpft, ausgelaugt; es klingt nach einem klassischen Burn-out.
Depressionen, Antriebslosigkeit und Ausgebranntsein haben in der Comedy-Szene zugenommen oder sind dort angekommen, wie man will. Einst waren sie das Privileg ultrahigh performender Manager (im Fall des Burn-outs) und einsamer Hausfrauen (im Fall der Depression), nun berichten immer häufiger Berufsspaßmacher über ihr seelisches Leiden: Kurt Krömer verarbeitete seine Depressionen in einem Bestseller sowie sprechend und
sprechend und öffentlich mit Kollegen wie Pierre M. Krause. Auch Torsten Sträter sprach über seine Erkrankung, passenderweise mit Krömer selbst – denn auch die Selbstreferenzialität unter den Comedians hat ja zugenommen. Ständig sitzen sie in den Sendungen der Kollegen herum und müssen witzig sein. Dieses Rumwitzeln und Sich-im-Rumwitzeln-Überbieten ist auch nicht weniger anstrengend als das Performen der Manager. Vielleicht müsste man öffentliche Gespräche unter Comedians aus Gesundheitsgründen schlicht und einfach verbieten.Statistisch auffällig ist die Häufung der Fälle von depressiven Comedians allemal: Denn in Deutschland erkranken etwa elf Prozent der Frauen an Depressionen, Männer sind mit fünf Prozent nur halb so häufig betroffen. Wobei man von einer hohen Dunkelziffer der Depression bei Männern ausgehen kann.Fraglos gibt es nichts Tragischeres als einen traurigen Clown, weswegen er geradezu zur Trope avancierte: Der, dessen Job es ist, die anderen zu bespaßen, leidet heimlich oder offensichtlich an der Welt. Seine Bühnenarbeit ist Sublimierung der Melancholie – so jedenfalls kann man das lesen. Vermutet haben wir immer schon, dass sich hinter dem, was auf der Bühne wie eine Mischung aus Phlegma, Indifferenz und aggressiver Arroganz daherkam, ein Symptom versteckte. Agieren nicht Comedians und Kabarettisten – stellvertretend für uns alle, die wir nicht auf der Bühne stehen – etwas aus: eine Erschöpfung an der Welt, die mit dem Leiden des Ichs an ebendieser korrespondiert? Andererseits hat man es ja mit einer Bühnenpersona zu tun, einer (Charakter-)Maske, und wer wollte, ausgehend von solch einer Maske, schon auf den wahren Subjektkern schließen?Wie kommt es nun aber zu diesem penetranten Bekenntnistrend unter den Comedians? Einerseits gibt es da ein verändertes gesellschaftliches Klima, in dem häufiger und offener über „Mental Health“ gesprochen wird – man benutzt den englischen Terminus, weil der Trend tatsächlich aus dem angelsächsischen Raum stammt. Burn-out, Depression oder neuerdings ADHS bei Frauen (Letzteres scheint ebenso unterdiagnostiziert wie die Depression bei Männern) werden thematisiert und normalisiert. Eine Depression sucht man sich nicht aus, und man kann sie ebenso wenig wie Diabetes einfach abschütteln, indem man „mal an die frische Luft“ geht.Was Männer betrifft, so sorgt auch ein verändertes Männerbild für mehr Offenheit in Gesundheitsfragen: Teil der vielbeschworenen toxischen Männlichkeit sind Härte gegen sich und das Unvermögen, eigene Krankheit und eigenes Leiden zu adressieren. Damit soll Schluss sein, niemand will toxisch sein. Obendrein löst man das Versprechen der absoluten Authentizität ein, zu der eben Schattenseiten gehören. Selbst der Erfolgsverwöhnte leidet an sich.„Bei der Trauer ist die Welt arm und leer geworden, bei der Melancholie ist es das Ich selbst“, so heißt es bei Sigmund Freud. Er beschreibt einen Verlust der Liebesfähigkeit und des Interesses an der Außenwelt. In gewisser Weise mögen ausgerechnet diese Eigenschaften die besten Voraussetzungen für einen Satiriker sein. Vor Strafe muss er sich nicht fürchten, denn sein Über-Ich bewirft ihn täglich mit Scheiße. So wird die Depression zum Asset, zum Kapital, das es zu verwerten gilt. Auf der Bühne, in Büchern oder Podcasts.