Es zeugt von großer Liebe zu einem Thema, wenn man sich seiner gleichermaßen mit Ernsthaftigkeit und viel Humor annimmt. So geschieht es in Hartmut Rosas When Monsters Roar and Angels Sing, in dem sich der 1965 geborene Soziologe seiner Lieblingsmusik widmet. Das Buch lebt vom Perspektivwechsel zwischen soziologischer Untersuchung und persönlicher Erfahrung.
Rosa weiß, dass es zwei potenzielle Zielgruppen für seinen Text gibt: Nämlich Metalfans, die sich für die Soziologie des Metals interessieren, und soziologisch Interessierte, die etwas mehr über Metal in Erfahrung bringen wollen. Letztere Gruppe ist wahrscheinlich vertraut mit Rosas Resonanztheorie, die er im Buch auf die Metalszene anwendet. Wobei man sich fragt, ob die Entstehung der Theorie nic
ung der Theorie nicht ihrerseits in der Metal-Gefolgschaft wurzelt.Denn Metal ist Resonanz par excellence. Es ist immer noch ein Körper, der da mit Schallwellen konfrontiert wird. Es sind Ohren, die da angesichts von kreischenden Gitarren und growlenden Frontfrauen und -männern verzückt und verrückt werden. All das geschieht in einem Raum, in dem Hunderte oder Tausende andere dasselbe tun, in Schwingung geraten, sich schubsen und einander in die Arme fallen. Das heißt, die subjektive leibkörperliche Erfahrung verstärkt sich im Widerhall der Reaktionen der anderen; im besten Fall schwingt eine ganze Halle auf der gleichen Frequenz, Resonanz entsteht. Wenn Rosa den Zustand der Entfremdung als Verstummen der Welt beschreibt, dann kann Metal nur das glatte Gegenteil bedeuten.Interessanterweise kommt die handfeste Soziologie recht kurz im Buch. Konkret wird Rosa beim Bildungsgrad und der Intelligenz der Metalfans. So sollen Metalheads zu den klügsten Musikfans gehören, eine britische Studie fand unter Hochbegabten mit einem IQ von über 130 überdurchschnittlich viele Metalfans. Wie kommt das? Die von Rosa als eher „archaisch“ beschriebenen Klangfolgen und die bisweilen albernen Texte lassen zunächst anderes vermuten. Doch verweist Rosa auf die Beschaffenheit einer Szene, die ungemein literat ist – die Vielzahl von Buch- und Zeitungspublikationen und der leidenschaftliche schriftliche Austausch über die Musik sind ihm deutlicher Beleg dieser Annahme. Wie wurde allerdings die Musik, die in der Arbeiterkultur der Stahlindustriezentren Nordenglands geboren wurde, zur Akademiker- und Hochbegabtenmusik? Womöglich bräuchte es zur Klärung Schützenhilfe von Kultur- und Neurowissenschaftlern.Heavy Metal: Von wegen toxische MännlichkeitUngemein sympathisch ist Rosas Erzählweise, die keinesfalls soziologisch-steif daherkommt. Rosa, der 1980 mit Iron Maiden einsteigt, erzählt entlang seiner Biografie – und will damit auch eine weitere These illustrieren. Wie wir auf Musik reagieren, ist abhängig von unserer psychischen wie emotionalen Verfassung.Die biografische Verquickung vor allem mit Jugenderinnerungen des 1965 Geborenen erklärt, warum sämtliche musikalische Entwicklungen des Metals ab den 90ern und umso mehr seit den 2000ern praktisch unerwähnt bleiben. Metalcore und Groove Metal etwa, auch der radikale Bruch an der Wende zu den 90ern, als zahlreiche Ex-Glam-Metalbands eine zweite Welle auslösten und zugleich eine neue Männlichkeit im Metal kreierten. Die 80er waren bestimmt gewesen von androgynen Looks, mit Make-up, Lackleder und Cowboy-Boots, allerdings flankiert von teils sehr sexistischen Texten.Was folgte, waren Bands, die aussahen, als würden sie täglich in Straßenkämpfe verwickelt. Die Wut des jungen Mannes gegen Autoritäten, väterlicher wie kirchlicher Natur, und die Benennung erlebter Gewalt- und Missbrauchserfahrungen lösten pathetische Jungfrauen- und Drachentötfantasien ab. Es wäre ein Irrtum, hielte man diese Männlichkeit schlicht für „toxisch“. Vielmehr offenbart sich in der Wut die Verletzung. So ist das letzte Wort in Fragen der soziologischen Erkundung des Metals noch nicht gesprochen. Aber Rosas Buch ist erst Vol. 1 in der Reihe Metalbücher des Kohlhammer-Verlags.Placeholder infobox-1