Statt Stress mit dem Ex: Erziehungsarbeit muss vom Staat bezahlt werden

Kolumne Mutti Politics Trennung, Unterhalt, Stress: Kinder sind nicht nur Privatsache. Die Gesellschaft braucht sie irgendwann. Deshalb sollte sich der Staat für sie verantwortlich fühlen – und das auch finanziell
Ausgabe 47/2022
Die Care-Arbeit übernehmen immer noch deutlich mehr Frauen als Männer – höchste Zeit, dass sich was ändert
Die Care-Arbeit übernehmen immer noch deutlich mehr Frauen als Männer – höchste Zeit, dass sich was ändert

Foto: Imago/Bernd Friedel

Neulich hatte ich das große Vergnügen, die Premiere von Jacinta Nandis Buch 50 Ways to Leave Your Ehemann zu moderieren. In dem Buch geht es nicht um die Frage, wie man einer unglücklichen Ehe entkommen kann; vor allem erklärt es, wie man allein erzieht, ohne komplett die Nerven zu verlieren (Spoiler: Auf die Freundinnen kommt es an). Für mich ist es auch ein Plädoyer dafür, das Alleinerziehen als radikale Kraft der politischen Veränderung zu verstehen.

Alleinerziehende – und ich gehörte über 13 Jahre meines Lebens zu ihnen – werden gern bemitleidet. Seit Jahren sprechen wir über die konkrete Armutsbedrohung für Alleinerziehende und ihre Kinder. Allein, es tut sich nichts. Armut bei Alleinerziehenden, so könnte man meinen, ist eine Art Naturgesetz. Dabei ist es die konkrete Ausgestaltung von Gesetzen, unter anderem des Unterhaltsvorschussgesetzes, des Kindergeldgesetzes und des SGB II, die Armut erzeugt.

Es ist nicht so, als gäbe es hierzulande keine finanziellen Hilfen. Als Alleinerziehende mit einem Vollzeitjob, der allerdings nicht reicht, um etwa Mietkosten in einer Großstadt zu decken, kann man Wohngeld und einen Kinderzuschlag beantragen. Das Problem ist nur: Die Antragsverfahren sind langwierig; ob man überhaupt einen Anspruch hat, ist vor der Antragstellung gar nicht ohne Weiteres durchschaubar. Nicht selten wartet man etwa ein halbes Jahr auf den endgültigen Bescheid. Auch für Alleinerziehende, die ihr Leben im Griff haben, sind solche Verfahren ein sicherer Weg in den Beinahe-Wahnsinn. Und nun stelle man sich vor, die Frau hat es zu allem Unglück mit einem übergriffigen, gewalttätigen Ex zu tun.

Seit Langem plädiere ich für eine Familiengrundsicherung, die unabhängig vom Beziehungsstatus der Eltern das Existenzminimum für Familien abdeckt, ohne dass sie in einem Dschungel aus Gesetzen und Regularien ersticken. Und ohne Abhängigkeit vom guten Willen eines Ex-Partners, der Unterhalt zahlt oder nicht zahlt. Machen wir uns nichts vor: Nicht wenige Trennungen gehen mit emotionalen Kränkungen einher, und Geld kann ein entscheidendes Druckmittel im Kampf gegen die Ex-Partnerin sein.

Womöglich muss man deswegen noch radikaler vorgehen und den Unterhalt vom Ex ganz abschaffen, stattdessen einen staatlichen Lohn für Erziehungsarbeit einführen. Verrückte Idee? Angelehnt ist sie an das Konzept des „Lohns für Hausarbeit“, den Silvia Federici in den 1970er Jahren forderte. Das Kalkül: Wer Lohn erhält, wird in die Logik der Marktwirtschaft integriert. Solange die Hausfrau ihre Arbeitskraft als Putzfrau und Erzieherin verschenkt, lässt sich an der Lüge vom Liebesdienst der Haus- und Ehefrau festhalten. Man hielt Federici lange vor, dass ihre Idee der falsche Weg sei: Frauen müssten in tatsächliche Lohnarbeit kommen, dann bräuchten sie keinen Lohn für ihre Hausarbeit. Wie kommt es dann aber, dass auch Frauen, die Vollzeit arbeiten, mehr Zeit in Haus- und Care-Arbeit investieren? Nun, weil ihre Arbeit noch immer als Liebesdienst gilt. Allerdings hat eine Alleinerziehende ja keinen Partner, der ihre vermeintlichen Liebesdienste entlohnen könnte. Auftritt des Staates.

In Federicis Logik fällt es dem Staat und nicht dem Ehemann zu, die Arbeit der Hausfrau zu entlohnen. Denn ihre Arbeit ist es, die zukünftige Rentenzahler und Lohnarbeiter produziert. Im Grunde also steht der Staat in der Schuld der Hausfrau und Mutter. Vater Staat muss es richten? Warum denn nicht! Ein symbolischer Vater leidet nicht unter gekränkten Gefühlen. Vater Staat kann gütig sein, zu allen Müttern, unabhängig von ihrem Beziehungsstatus. Denn ihre Arbeit ist gleich anspruchsvoll.

Der digitale Freitag

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Geschrieben von

Marlen Hobrack

Was ich werden will, wenn ich groß bin: Hunter S. Thompson

Marlen Hobrack

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