Die Abkürzungen lassen sich verwechseln. Inhaltlich und was die Reichweite anbelangt, gibt es klare Unterschiede: Wenn ein Sachse von der SZ spricht, meint er die Sächsische Zeitung, überall sonst in der Republik meint man die Süddeutsche. Die deutsche Medienlandschaft ist auch nach drei Jahrzehnten der Einheit in Ost und West gespalten. Überregional einflussreiche Tages- und Wochenzeitung werden im Osten kaum gelesen; relevant sind regionale Blätter, deren Reichweite an Grenzen der Bundesländer endet und die niemand als „Leitmedium“ bezeichnet.
Das ist kein gefühlter Befund, er wird durch eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung belegt. Demnach sind die Abonnentenzahlen von gesamt-(eigentlich west-)deutschen Tages- und Wochenzeitungen in Ostdeutschland erschreckend gering. Die FAZ beispielsweise verkauft hier gerade einmal 3,4 Prozent ihrer Gesamtauflage. Wer sonntagmorgens beim Bäcker Schlange steht, sieht die Vorgänger zur MoPo oder Sächsischen greifen, selten zur Zeit. Obwohl diese – vielleicht aufgrund der Sonderseiten „Zeit im Osten“ – am ehesten gekauft wird
Gründe für die Ost-West-Kluft gibt es viele: Nach dem Ende der SED-Diktatur blieb der ostdeutschen Presse keine Zeit, eigene Leitmedien zu etablieren. Rasch wickelte die Treuhand den Verkauf von Zeitungen an westdeutsche Medienkonzerne ab. Ostdeutsche Neugründungen hatten keine Chance gegen die Marktmacht ihrer Presseorgane. Der Elitenaustausch verfestigte den Eindruck der Kolonialisierung: Chefredakteursposten wurden flächendeckend mit Westdeutschen besetzt.
Auch habituell fand man nie recht zueinander. Die Adressaten von Leitmedien wie FAZ und Welt waren und sind ein westdeutsches Bürgertum. Für viele ostdeutsche Bildungsbürger war aber die Literatur, nicht die Zeitung, das dominante Diskursmedium. Die Literatur war es, die sich quer zu den offiziellen Jubelverlautbarungen der DDR-Presse stellte. In den Feuilletons der Leitmedien fanden ostdeutsche Bildungsbürger sich selbst und ihr Werte- und Bildungsfundament nicht wieder. Und sie reagierten mehr als sensibel auf das, was die OBS-Studie „belehrende Distanz“ westdeutscher Zeitungsmacher nennt. Der Osten kam, wenn überhaupt, als Problemzone vor.
Hinzu kommt: Das ostdeutsche Bildungsbürgertum ist sehr wertkonservativ, wenig progressiv. Die politische „Neuorientierung“ der einstigen Dresdner Vorzeigebuchhändlerin Susanne Dagen ist kein Einzelfall, eher symptomatisch für den bürgerlichen Osten.
Als Silke und Holger Friedrich die Berliner Zeitung kauften, sorgte das auch deswegen für große Schlagzeilen, weil hier Ostdeutsche mit enormem Selbstvertrauen auftraten. Sie wollten Zeitung, sie wollten Meinung machen. Holger Friedrichs Text über Egon Krenz schien dann auch die schlimmsten Erwartungen westdeutscher Leitmedien zu erfüllen: Da wagte sich ein Ostdeutscher an die Umdeutung deutsch-deutscher Geschichte. Beinahe ein Segen, dass die „Stasi-Vergangenheit“ des Eigentümers den neuen Debatten-Star sogleich ins Abseits katapultierte.
Bleibt ein Ost-West-Medium, das bisher nicht erwähnt wurde, der Freitag selbst, der 25 Prozent seiner Auflage in Ostdeutschland verkauft. Ältere Leser kennen noch den Ostberliner Sonntag als Vorläufer. Jüngere eher nicht. Die interessieren sich womöglich nicht mehr für Ost-West-Differenzen. Die Print-Absatzzahlen werden sie aber kaum erhöhen. Wenn, dann lesen sie digital.
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