Schwärmst Du noch oder pilcherst Du schon ?

#DerSchwarm im #ZDF Schiffe Versenken im ZDF. Kaum ein Treffer, trotzdem total versenkt. An „DER SCHWARM“ ist sehr gut zu erkennen, was in der deutschen Film- und TV-Branche nicht stimmt.

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Glotze statt großem Kino – frühere Beispiele

2013 war Goldene-Palme- und OSCAR-Preisträger Volker Schlöndorff im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt, um einen „Directors Cut“, eine erweiterte Version seines Meisterwerks DIE BLECHTROMMEL mit zusätzlichen Szenen vorzustellen. Eine Blue-Ray-Veröffentlichung stand bevor.

Eingebetteter Medieninhalt

In der Fragerunde stellte ich dem sehr höflichen und freundlichen Regisseur die Frage, warum der Film in der neuen Version nicht ins Kino komme. Das wäre bei einem Meisterwerk des deutschen Nachkriegskinos doch eine tolle Sache. Hollywood-Regisseure wie James Cameron, Ridley Scott und Andere führen alle paar Jahre eine neue Version ihrer Filme auf. Von BLADE RUNNER gibt es fünf verschiedene Versionen. Volker Schlöndorff antwortete mir, dass es in den co-produzierenden Ländern von damals Frankreich und Polen Wiederaufführungen im Kino gebe, aber die Deutschen seien eben auf die Glotze fixiert.
Er hat leider so recht.

Damals gab es noch mutige Produzenten, die mutige Kinofilme umsetzten, wie Günther Rohrbach (DAS BOOT) oder Bernd Eichinger (DER NAME DER ROSE). Stellen wir uns bitte DIE BLECHTROMMEL oder DER NAME DER ROSE als aktuelle Fernseh-Mehrteiler vor – mit Heino Ferch und Veronika Ferres als Matzerath-Eltern, Thekla Carola Wied als Oma und Lena Meyer-Landruth als Maria oder Günther Maria Halmer als detektivischer Mönch William von Baskerville. Sofort schüttelt es mich.

Leben und Werk des bedeutenden französischen Ozenanforschers Jacques Cousteau wurden in Frankreich 2016 als großer epischer und erfolgreicher Breitwand-Kinofilm herausgebracht. Leben und Werk des legendären deutschen Natur- und Artenschutz-Pioniers Bernhard Grzimek hätten ein großes Kinowerk über eine bedeutende Persönlichkeit werden können, wurden aber 2015 als Fernseh-Zweiteiler in der ARD verschenkt.

DER SCHWARM

Als ich das fast 1000 Seiten dicke Buch von Frank Schätzing vor Jahren am Strand von Lanzarote las, spielten sich große Bilder in meinem Kopf ab - auch, weil Teile der Handlung auf den Kanarischen Inseln spielen, deren Küsten von mutierten Meeresbewohnern angenagt werden. Das passiert bei richtig guten Büchern in meinem Kopf. Dann stelle ich mir in meinem Kopf einen Film vor. Dieser Roman gehört als großer Film mit großen Bildern auf die große Leinwand, fand ich und finde ich heute noch. Zu den Bildern in meinem Kopf stellte ich mir bombastische Filmmusik von Wendy Carlos (UHRWERK ORANGE) oder Vangelis oder Ennio Morricone vor. Längere Zeit war ein Kinofilm geplant und Romanautor Frank Schätzing war an der Entwicklung beteiligt. Mit Verstand und Talent hätte daraus ein europäischer AVATAR oder DUNE werden können - gerne auch in zwei oder drei Teilen, um die Spannung und Erwartung auf die Fortsetzung anzuregen.

Doch dann kam das ZDF!

Und mit dem ZDF gibt es keine großen Bilder in einem großen Film für die große Leinwand. Der Millionen-Erfolgsroman wurde für den Fernsehfilm der Woche verramscht.
Seit dieser Woche wird der Fernseh-Mehrteiler im ZDF gezeigt. Seit der vorletzten Woche sind die ersten Folgen in der ZDF-Mediathek zu sehen.

Das Buch ist sehr spannend und fesselnd. Wissenschaftliche Zusammenhänge und Hintergründe werden verständlich und spannend erklärt. Im ZDF bleiben fast nur zähflüssige Dialoge übrig.

Es sieht aus, als ob die TRAUMSCHIFF-Macher*innen eine Imitation von AKTE-X drehen und dabei ihr Zielpublikum befriedigen wollten. Wir sehen malerische Küstenorte am schwedischen oder norwegischen Fjord mit den landestypischen roten Häusern. Das ist klar für das Auge der Zielgruppe im Seniorenalter am Sonntagabend gemacht, das gerne romantische Schmonzetten Marke Rosamunde Pilcher oder Inga Schmalzström schaut. Neben den dekorativen Landschaftsaufnahmen und Postkartenbildern wird die Handlung überwiegend über Dialoge getragen, die teilweise sehr sehr lange und zähflüssig sind. Bebilderte Hörspiele ... Und die Damaturgie erinnert an den Fernsehkrimi im ZDF.

Enorm wichtig ist auch die richtige Länge der einzelnen (Doppel-) Folgen. Für die richtige Länge von 88 Minuten werden dann auch komplette Handlungslinien wie die Selbstfindungsreise von Meeresforscher Leon Anawak in seine kalte nordkanadische Heimat gestrichen, damit die Episode zwischen SOKO Hinterfotzingen und das Heute-Journal passt – inklusive Programmhinweis für den nächsten Samstagskrimi oder Rosamunde Pilcher. Als Bonusmaterial gibt es dann ein oder zwei Sonderausgaben von TERRA-X.

Leider gibt es fast keinen interessanten Charakter im Mehrteiler. Die Schauspieler agieren meistens wie Schaufensterpuppen und die Deutschen jubeln uns Klaas Heufer-Umlauf als Kommunikationstechniker unter. Schauspielerisch wird nur Barbara Sukowa, Altstar des klassischen deutschen Autorenkinos, als Leiterin des Kieler Forschungsinstituts und einziger wirklich interessanter Charakter in Erinnerung bleiben.

"Es pilchert mehr, als es schwärmt."

Romanautor Schätzing distanzierte sich dann auch medienwirksam vom TV-Mehrteiler. "Es pilchert mehr, als es schwärmt."

Sehr merkwürdig sind mache Rollenauslegungen. Aus dem Leiter des Kieler Forschungsinsituts eine Leiterin zu machen, ist wirklich keine schlechte Idee. Dass der norwegische Forscher Dr. Sigur Johanson dunkelhäutig und afrikanisch-stämmig ist, scheint mehr an eigenen Diversitätszwängen als an der Dramaturgie zu liegen und nicht sehr sinnvoll zu sein. Aus dem Roman erinnere ich mich nicht daran, sonst hätte ich die Rolle beim Lesen in meinem Kopf wahrscheinlich entsprechend besetzt. Es wird auch nichts dazu erklärt. Sowohl der Sohn eines norwegisch-afrikanischen Elternpaares als auch das Adoptivkind einer norwegischen Familie wären logisch und erklärbar gewesen. Ohne jeden erzählerischen Hintergrund sieht Dr. Johanson einfach aus wie ein – Verzeihung – Quoten-N***r.

Glotze statt großem Kino

Die beiden großen so genannten Filmhochschulen in Deutschland in München und Potsdam-Babelsberg tragen den Namen HFF – Hochschule für Fernsehen und Film-. Nicht Film und Fernsehen – Fernsehen und Film. Im Vordergund stehen offensichtlich nicht großes Kino und anspruchsvolle Filmkunst sondern Standard-Fernsehware zur Befriedigung und Sedierung des anspruchslosen Zielpublikums. Abgänger dieser HFFs landen meistens in Fernsehredaktionen, bei TV-Produktionsgesellschaften oder als Auftragsautoren und Auftragsregisseure beim Fernsehen. Wenige Ausnahmen wie Caroline Link, Roland Emmerich, Detlev Buck oder der Verwurster ausländischer Erfolgsfilme Sönke Wortmann machen dann mehr oder weniger gute und mehr oder weniger erfolgreiche Kinofilme. Emmerich erkannte dann früh, dass er in Deutschland nur popelige Fernsehspiele machen konnte, und ging als erfolgreicher Macher fetziger Krawall-Actionfilme nach Hollywood.

Fazit: Was aus einem international erfolgreichen Weltklasse-Roman gemacht wird, ist traurig und frustrierend. Deutschland ist ein filmisches Entwicklungsland.

Verschiedene Medien berichten von einem Zuschauer*innen-Schwund von ca, 1/3 bei der dritten Doppelfolge am Mittwoch im Vergleich zum Serienstart am Montag.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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