Es wurde viel gelacht bei dieser Premiere im Deutschen Theater. Insofern haben der Regisseur und sein Dramaturg, Stephan Kimmig und David Heiligers, vieles richtig gemacht. Wer Michel Houellebecqs jüngsten Roman gelesen hat, weiß, dass Unterwerfung ein Buch voller satirischer Einfälle ist. Der Islam, der in diesem Szenario in Frankreich an die Macht kommt, ist so weich, dass er im Grunde als der geheime Wunschtraum des katholischen Konservativen erscheint, samt Vielehe und üppigem Gehalt für Wissenschaftler an der von Saudi-Arabien finanzierten „Islamischen Universität Sorbonne“.
Umgekehrt ist die Moderne so müde und schlapp, dass es auch wieder zum Lachen ist. „Mein Atheismus basiert auf keinem festen Fundament“, sagt der Literaturwissenschaftler François an einer Stelle im Stück sinngemäß, und da ist der Kritiker längst voller Bewunderung, wie Steven Scharf diesen typischen Houellebecq-Helden spielt, obschon Scharf eigentlich viel zu attraktiv für diese Rolle ist, also frei nach Houellebecq einen viel zu hohen Wert auf dem Fleischmarkt hat. Aber wie in der Romanvorlage scheitert auch dieser moderne Held an seiner Bindungsangst und lässt die Frau, die ihn wirklich möchte, ziehen: Myriam, gespielt von der afro-deutschen Schauspielerin Lorna Ishema. Auch sie ist toll, etwa wenn sie in einer gewitzten Inversion von Blackfacing auch die Marine Le Pen in einer furiosen Szene spielt.
Nein, an den Leistungen der Schauspieler liegt es nicht, dass das Stück letztlich nicht vollends zu begeistern vermag, und es liegt auch nicht an den Videoeinspielern, in denen sich französische Identitäre, die auch im Roman eine Rolle spielen, selbst darstellen (Ist es eigentlich bei Bühnenadaptionen von Romanen mittlerweile Vorschrift, dass mindestens einmal Videotechnik zum Einsatz kommen muss?). Nein, die Schwächen des Stücks gründen darin, dass der Autor so gar keine Rücksicht auf eine mögliche dramatische Umsetzung seines Romans genommen hat. Houellebecq schreibt nicht dialogisch, sondern introspektiv. Und so schaffen zwar einzelne Szenen einen ästhetischen Mehrwert, etwa wenn eine schwarze Madonna über die Bühne gefahren wird, Szenen, die die Komik der Vorlage zur Groteske weiten, aber meistens war man wohl einfach froh, eine dramaturgische Lösung gefunden zu haben, die die Schauspieler zur Entfaltung bringt.
Komisches Spiel der Körper
Die Grundsituation des Stoffs ist ja klar. François, sprich der Westen, ist irgendwie krank, und der Islam verspricht die Gesundung. Folgerichtig hat der neue französische Präsident, Ben Abbes von der muslimischen Bruderschaft (Camill Jammal), einen Auftritt am und im Krankenbett von François. Ist er dort als Arzt? Nun ja. Das erlaubt zwar abermals ein feines komisches Spiel der Körper, aber Krankheit als Metapher ist nun einmal nicht besonders innovativ, und sie zur Leitidee der Inszenierung zu erheben, doch eher eine Notlösung. Der raffinierte Dekadenz-Diskurs des Romans kann nur angedeutet werden.
Und so hat Hauptdarsteller Steven Scharf natürlich recht, wenn er auf die Frage der Berliner Boulevardpresse, ob das Deutsche Theater nicht bedroht sei, gelassen antwortet: „Das würde mich sehr überraschen. Der Islam kommt bei Houellebecq nicht so schlecht weg.“ Da der Islam aber auch nicht zu gut wegkommt, und die Satire vielleicht nur deshalb bedenkenlos scheint, weil sie auf blasphemische Momente verzichtet, kam es, dass dem gewiss neurotischen Kritiker zwischendurch, wenn es gerade nichts zu lachen gab, etwas unbehaglich wurde und er seinen Blick aufs Publikum und zu den Türen richtete, bis er wieder auf die Bühne schaute, wo sich seine Ängste im gedimmten Licht zerstreuten.
Info
Unterwerfung Regie: Stephan Kimmig Deutsches Theater Berlin
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