Angela Davis zum 80.: Black Power-Ikone in Ost und West
Feministin Sie war die Symbolfigur der US-Bürgerbewegung und weltweiter Popstar der Linken. Angela Davis kämpft noch heute gegen juristischen Rassismus, Gefängnisindustrie und für universelle Menschenrechte. Nun wird sie 80 Jahre alt
Angela Davis (hier 1971) machte den Afro-Look zum Sinnbild der Black-Power-Bewegung
Foto: Sal Veder/picture alliance/AP Images
Wer von einem John Lennon und einer Yoko Ono bewundert (Song „Angela“ vom 1972er Album Some Time in New York City) und von den Rolling Stones beschwärmt wird („Sweet Black Angel“ von Exile On Mainstreet), ist wohl eine „Ikone“. Die damals 28-jährige Angela Davis mit dem auffälligen Afro, seit 1968 Mitglied der KP der USA, stand unter einer konstruierten Mord- und Terrorismusanklage. Die Todesstrafe drohte. Eine Solidaritätsbewegung in Ost und West erreichte 1972 ihren Freispruch. Intellektuelle wie Georg Lukács, Ernst Bloch und Heinrich Böll unterstützten sie. Sie ist auf Shake-Hands-Fotos mit Honecker und neben DDR-Armeegeneral Heinz Hoffmann (in voller Uniform) auf einer Tribüne zu sehen. In dem Stones-Song nennt
er und neben DDR-Armeegeneral Heinz Hoffmann (in voller Uniform) auf einer Tribüne zu sehen. In dem Stones-Song nennt Jagger sie ironisch sein „Pinup Girl“.Ein WELT-Artikel bezeichnet sie abfällig als „Postergirl des deutschen Ostens“. Die Soli-Aktionen waren aber auch im Osten nicht einfach verordnet, sondern eine echte Jugendbewegung. Alexander Solschenizyn, der sich nach 1990 immer mehr zum russischen Nationalisten und Parteigänger Putins entwickelte, warf Davis in den 1970ern vor, sich mit ihrer Präsenz bei den Honoratioren der DDR-Führung gegenüber den politischen Gefangenen dort und in der UdSSR unsolidarisch zu zeigen. Davis, die Kritikerin des „Prison-Industrial Complex“ und der rassistischen Justiz in den USA, äußerte sich damals tatsächlich nicht kritisch zu der politischen Strafverfolgung etwa in der DDR.Angela Davis zu Besuch in Berlin-Prenzlauer BergSie besuchte aber in den 1970ern auch antistalinistische linke Denkerinnen wie Karin Hirdina von der Humboldt-Uni. Unten auf der Straße im Prenzlauer Berg, wo sie wohnte, stand das Auto mit den Stasi-Schatten und oben in der Wohnung erzählte Angela lachend von ihren Erfahrungen mit der patriarchalen Art der alten Männer der Frankfurter Schule, mit attraktiven jungen Studentinnen umzugehen. Am 26. Januar wird sie nun 80 Jahre alt, Angela Davis, die bekannte amerikanische marxistische Feministin und antirassistische Aktivistin.Es gibt in der Geschichte der US-amerikanischen anti-rassistischen Bewegungen viele aktive schwarze Frauen. Einige, vielleicht sogar die meisten, sind heute kaum noch bekannt. Eine war zum Beispiel Claudette Colvin. Am 2. März 1955, 9 Monate vor der berühmten Aktion der damals 42-jährigen Rosa Parks, weigerte sie sich, in einem Omnibus in Montgomery/Alabama, einen für Weiße bestimmten Sitzplatz freizumachen. Man verhaftete sie sofort. Gegen die verhängte Geldstrafe ging Colvin gerichtlich vor. Das Verfahren landete schließlich beim Obersten Gericht der USA. Claudette war „die erste, die sitzen blieb“. Doch die männlichen Strategen des NAACP (National Association for the Advancement of Coloured People), die den antirassistischen Kampf organisierten, wollten Colvins mutige Tat nicht herausstellen, weil sie eine erst 15-jährige Schülerin und schwanger aus einer Beziehung zu einem verheirateten Mann war.Rosa Parks, Adorno und das FBIHier finden sich Emanzipationsthemen, die Angela Davis zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hat, beieinander: der Rassismus und der Patriarchalismus. Dass die ältere, intellektuelle Rosa Parks aus besseren Verhältnissen kam, eine heller pigmentierte Haut hatte, waren weitere Beweggründe, Parks statt Colvin zum Rolemodel der Bewegung zu machen.Solche verwobenen Momente nicht nur von Rassismus, sondern auch „Colorism“ und Klassismus forderten die junge Angela Davis heraus, ihre intellektuellen Analysefähigkeiten zu entwickeln. Ihre Mutter war ihr darin Anregerin und Vorbild. Sallye Davis gehörte in den dreißiger und vierziger Jahren dem Southern Negro Youth Congress an, der einen Kampf nicht nur gegen die rassistische Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung, sondern auch gegen ihre Ausbeutung als Lohnarbeiterinnen führte. Ihre Tochter reiste nach Europa, um bei Adorno und Horkheimer zu studieren. Zurück in den Staaten ging sie nach Kalifornien und engagierte sich für die Black Panther-Bewegung. Sie stand sofort unter FBI-Beobachtung und wurde aus politischen Gründen mehrmals als Dozentin der Universität entlassen.Kampf gegen die GefängnisindustrieVon der KP entfernte sie sich in den 1980er Jahren wieder. Man könnte auch sagen, sie ließ die damals in vielerlei Hinsicht konservative Partei hinter sich, die zu den immer diverser werdenden Problemen etwa der LGBT-Diskriminierung kaum mehr zu sagen hatte, als den alt-maoistischen Spruch von den Haupt- und Nebenwidersprüchen.Heute wird Davis als neue Abolitionistin bezeichnet. So wie der Kampf des klassischen Abolitionismus gegen die Sklaverei auch die Forderung nach der Abschaffung einer Rechtsform war, dem Besitzrecht weißer Männer an schwarzen Menschen nämlich, kämpft der neue Abolitionismus gegen die Gefängnisindustrie und alle juristischen, sozialen und ökonomischen Zusammenhänge, die sie profitabel am Laufen halten. Besonders im Fokus steht dabei der G4S-Konzern, der zu den weltweit kapitalkräftigsten Akteuren gehört. Was dieser Konzern global verkauft, sind „Sicherheitsdienstleistungen“, wie die Bewachung von Gefängnissen und Geflüchtetenlagern bis hin zur Durchführung von Zwangsabschiebungen. Davis sieht hier den „Prison-Industrial Complex“ am Wirken, der das staatliche Gewaltmonopol durch privatwirtschaftliche, profitorientierte Gewaltdienstleistungen ersetzt.Position von Angela Davis zu PalästinaBis heute scheut sich Angela Davis nicht, klar ihre Positionen zu vertreten. Zuletzt wurde sie scharf für ihre Haltung zum Palästina-Konflikt kritisiert. Sie teilt nicht die staatsräsonale Einschätzung etwa der deutschen Bundesregierung zum BDS, benutzt Worte wie „Apartheid“, um den Umgang israelischer Staatsgewalt mit Palästinenserinnen zu beschreiben. Davis unterzeichnete im November 2023 gemeinsam mit Nancy Fraser, Judith Butler und anderen den offenen Brief „Philosophy for Palestine“, in dem u.a. der Vorwurf des Genozids an der Gaza-Bevölkerung geäußert wird. Der Gegenvorwurf des Antisemitismus folgte auf dem Fuße.In Zeiten strikt bi-polarer Diskussionskultur bleibt sie einem universalen Denken verpflichtet, das die Klassen-, Rassen- und nationalen Konflikte der Gegenwart nicht separiert, sondern in ihren Zusammenhängen hinterfragt. Ihre analytische Sicht ist nüchtern, ihre Motivation aber parteiisch: Solidarität und Empathie mit allen Opfern dieser Konflikte. Happy Birthday, Angela!
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