Whistleblowerin Reality Leigh Winner: Ein unwürdiger Zustand

NSA Angeblich wurde die Whistleblowerin Reality Winner durch ein Wasserzeichen enttarnt. So oder so: Whistleblowing muss endlich durch Gesetze geschützt werden
Reality Winner
Reality Winner

Foto: Sean Rayford/Getty Images

Nach Angaben der NSA wurde die NSA-Whistleblowerin Reality Leigh Winner durch ein per Drucker in ein Dokument eingefügtes Wasserzeichen enttarnt. Noch sind die Behauptungen unbewiesen, doch die Diskussion zeigt, was technisch möglich ist und welchen Herausforderungen sich investigative Journalistinnen und Journalisten im 21. Jahrhundert gegenüber sehen. Sie zeigt aber auch, dass Whistleblowerinnen und Whistleblower endlich durch wirksame Gesetze geschützt werden müssen.

Whistleblowerin enttarnt?

Die Website „The Intercept“ steht für investigativen Journalismus. Am 5. Juni veröffentlichte die Website einen Bericht basierend auf einem streng geheimen NSA-Dokument. Nach Angaben der Redaktion wurde dieses Dokument anonym eingereicht. Soweit die bekannten Fakten.

Kurz darauf behauptete die NSA, mit Hilfe des Dokuments die verantwortliche Whistleblowerin, Reality Leigh Winner, enttarnt zu haben. Winner, eine 25-jährige junge Frau aus dem US-Bundesstaat Georgia, arbeitet für eine Firma, die mit der NSA zusammenarbeitet. Die NSA behauptet, Winner habe das Dokument auf einem ihr zuzuordnenden Drucker – einem Gerät der Marke Xerox – ausgedruckt. Dabei sei ohne das Wissen der Whistleblowerin ein Wasserzeichen eingefügt worden. Als The Intercept der NSA das Dokument vorlegte, um dessen Echtheit bestätigen zu lassen, habe die Behörde mit Hilfe des FBI so die Verantwortliche identifizieren können. Einige Quellen berichten sogar, Winner habe bereits gestanden.

Vorsicht ist geboten

The Intercept mahnt in einer Stellungnahme zur Vorsicht. Die zum Fall vorgelegten Dokumente, unter anderem ein Durchsuchungsbefehl, in dem die Vorwürfe gegen Winner erläutert werden, enthielten „unbewiesene Behauptungen und Spekulationen, die dazu angetan sind, der Regierung in die Karten zu spielen, und deswegen skeptisch betrachtet werden sollten“. Winner sehe sich Vorwürfen gegenüber, die noch nicht bewiesen seien. Ebenso wenig sei bislang bewiesen, dass die Behauptungen des FBI, wie es zur Festnahme Winners gekommen sei, der Wahrheit entsprächen.

The Intercept begegne der Angelegenheit „mit größter Ernsthaftigkeit“, sei aber aktuell noch nicht bereit, sie weitergehend zu kommentieren, heißt es abschließend in der Stellungnahme.

Quellenschutz: Im 21. Jahrhundert eine schwierige Aufgabe

Wie von The Intercept betont, sind bislang noch nicht alle Fakten bekannt. Dennoch zeigt der Fall auf, wie schwierig es mittlerweile tatsächlich ist, Informationen anonym weiterzugeben. Eine ganze Reihe von technischen Details, die vielfach kaum bekannt sind, können zur Enttarnung führen.

Für investigative Journalistinnen und Journalisten bedeutet dies eine große Herausforderung. Einerseits ist es ihre Aufgabe, relevante Informationen, auch aus Insider-Hand, zu veröffentlichen und wenn möglich mit Original-Dokumenten zu untermauern. Andererseits ist der Quellenschutz unter diesen Umständen eine wahre Herkules-Aufgabe. Sollte tatsächlich sogar The Intercept, eine Website, die sich seit einigen Jahren mit großem Einsatz und Know-How dem investigativen Journalismus widmet, hierbei ein derart folgenschwerer Fehler unterlaufen sein, wäre dies durchaus besorgniserregend.

Wir brauchen endlich wirksamen Whistleblower-Schutz!

Andererseits zeigt die Diskussion um Reality Leigh Winner auch, dass Whistleblowerinnen und Whistleblower endlich eines wirksamen gesetzlichen Schutzes bedürfen. Aktuell sind sie auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, ihre Anonymität zu wahren oder sich – wie Edward Snowden – rechtzeitig ins Exil zu flüchten. Anderenfalls drohen ihnen für einen Akt, der dem Wohle der Allgemeinheit dient und kriminelle oder zumindest unethische Verhaltensweisen der Mächtigen und Einflussreichen aufdeckt, empfindliche Strafen. Dieser Zustand ist unwürdig für das 21. Jahrhundert.

Whistleblowerinnen und Whistleblower sollten endlich als die Heldinnen und Helden anerkannt werden, die sie sind, Kämpferinnen und Kämpfer für eine moderne, freie, informierte Gesellschaft. Stattdessen sieht es jedoch so aus, als würden die USA ihr Vorgehen gegen diese Menschen noch verschärfen und eventuell sogar den investigativen Journalismus selbst kriminalisieren. Dagegen muss energisch vorgegangen werden. Das zumindest ruft uns der aktuell noch so undurchsichtige Fall Reality Leigh Winner noch einmal ins Gedächtnis.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf netzpiloten.de

Annika Kremer schreibt regelmäßig über Netzpolitik und Netzaktivismus. Sie interessiert sich nicht nur für die Technik als solche, sondern vor allem dafür, wie diese genutzt wird und wie sie sich auf die Gesellschaft auswirkt

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Annika Kremer | Netzpiloten

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