In den letzten Jahren hat sich der Wüstenstaat Ägypten zu einem der Hauptlieferanten unserer Frühkartoffeln entwickelt. Man kann das aus dem Flugzeug sehen: Um die Sahara fruchtbar zu machen, sind riesige Berieselungsanlagen entstanden, die sich im Kreis drehen und die Wüste ergrünen lassen. Nach Angaben von Öko-Test verbrauchen die ägyptischen Anbauer im Schnitt 407 Liter Wasser pro Kilogramm Kartoffeln. Die Sahara ist eine der trockensten Gegenden dieser Welt. Im Arabischen wird sie „bahr bilā mā“genannt: „Meer ohne Wasser“. Ägyptische Frühkartoffeln gibt es in unseren Supermärkten, weil für die Bewässerung auch jahrtausendealtes Grundwasser eingesetzt wird, das tief unter der Erde im Wüste
m Wüstenboden lagert und von moderner Pumptechnik gefördert wird.Kartoffeln auf deutschen Äckern kommen in der Regel ohne Bewässerung aus: Weil ägyptische Bauern aber billiger produzieren (sie verdienen weniger), sind Erdäpfel aus der Sahara bei uns sehr nachgefragt. Das Land ist mittlerweile Deutschlands drittgrößter Kartoffelexporteur. Damit „fließt“ Wasser, das in Ägypten knapp ist, quasi direkt nach Deutschland, wo die Bauern auf ihren Kartoffeln sitzenbleiben: Heimische Frühkartoffeln gibt es bei uns noch nicht und die aus dem vergangenen Herbst sehen nicht mehr so frisch aus wie die neuen Wüstenkartoffeln.Kartoffeln aus der israelischen Negev, Tomaten aus Andalusien, Blaubeeren aus Chile, Oliven aus Marokko, Baumwolle aus Usbekistan: Es gibt viele Beispiele für Landwirtschaft, die kostenloses Grundwasser anzapft. Auch die Industrie ist enorm durstig, Modellrechnungen zufolge wurden 2.150 Gigatonnen Grundwasser zwischen 1993 und 2010 abgepumpt – pro Jahr etwa das dreifache Volumen des Bodensees.Welche Auswirkungen diese Grundwassernutzung auf die Erde hat, wollten Wissenschaftler der Seoul National University in Südkorea wissen. Und zwar im Hinblick auf die Massenverteilung des Planeten: Nord- und Südpol haben keine starre Position, weshalb auch die Erdachse ständig in Bewegung ist. Wasser mit seinem Gewicht hat auf diese Bewegung einen starken Einfluss, die „Umverteilung“ von Grundwasser beeinflusst damit die Polwanderung sehr stark, wie die Studie ergab.Die Umverteilung des Grundwassers ändert die ErdrotationEs geht um die Frage, wie die Erde kreist: Gegenüber der Umlaufbahn um die Sonne ist die Erdachse um 23,4 Grad geneigt. Weil dadurch die Sonnenstrahlen im Laufe eines Jahres mit unterschiedlichen Winkeln auf die Erdoberfläche einfallen, entstehen die Jahreszeiten. Die Achse, um die die Erde rotiert, verändert im Lauf der Zeit ihre Lage – um etwa zehn Zentimeter pro Jahr Richtung Südwesten. Doch in den 1990er Jahren änderte sich das plötzlich: Die Driftbewegung verschob sich nach Osten. Und viele fragten sich: Woran liegt das?Eine Ursache scheint jetzt gefunden. Wird Wasser von seinem ursprünglichen Platz bewegt, dreht sich die Erde ein wenig anders um ihre Achse. „Unsere Studie zeigt, dass die Umverteilung des Grundwassers tatsächlich den größten Einfluss auf die Rotationspoldrift hat“, erklärt Ki-Weon Seo, Geophysiker an der Seoul National University, der die Studie leitete. Demnach hat sich zwischen 1993 und 2010 der Nordpol alleine durch die Grundwasser-Umverteilung um etwa 80 Zentimeter verschoben –pro Jahr um 4,36 Zentimeter.Dass die Verteilung des Wassers auf dem Planeten dessen Massenverteilung beeinflusst, das ist bereits durch andere Forschung nachgewiesen worden. Die Chinesische Akademie der Wissenschaften legte 2021 eine Studie vor, nach der die schmelzenden Gletscher, besonders auf Grönland, die allgemeine Drift der Achse verändern. Damit bestätigten sie eine Arbeit der NASA aus dem Jahr 2018, nach der die Achsendrift auf den Klimawandel reagiert: In den vergangenen 100 Jahren verwandelte die Erderhitzung 7.500 Gigatonnen Eis aus Grönlands Gletschern in Schmelzwasser und verteilte es so in den Weltmeeren, was die Massenverteilung änderte.Was eine andere Drift der Erdachse auslöst, ist noch nicht erforscht. Klären konnte die nun vorgelegte Studie immerhin, was die massive Grundwassernutzung bedeutet: Weil es aus dem Boden ins Meer gelangte, sind die weltweiten Pegel der Ozeane um 6,24 Millimeter gestiegen.