Mittlerweile wird der Irak von den Vereinten Nationen als das Land eingestuft, das im Nahen Osten am stärksten vom Klimawandel und von den Folgen für einzelne Regionen betroffen ist. Im ölreichen, aber extrem trockenen Süden sind von manchen Feuchtgebieten, die einst ganze Gemeinden ernährten, nur noch schlammige Kanäle übrig geblieben. Was der 57-jährige Mahdi Mutir schmerzhaft zu spüren bekommt, der sein Leben lang als Fischer gearbeitet hat. Gewöhnlich brach er mit seiner Frau in der Abenddämmerung auf und segelte in Al Khora, ein paar Kilometer nördlich der Hafenstadt Basra, durch ein dichtes Kanalnetz. Was sie fingen, war dürftig, reichte jedoch, um eine siebenköpfige Familie zu ernähren.
Mit dem vergangenen Jah
ngenen Jahr hat sich das geändert, plötzlich steckte Mutirs Boot während der Regenzeit im Schlamm fest. „Es liegt an der Wasserstation, die das italienische Unternehmen gebaut hat“, sagt er und zeigt auf den schwarzen Rauch, der am Horizont über dem Zubayr-Ölfeld aufsteigt. „Sie nehmen sich das Wasser für ihre Ölfelder, daran liegt es.“ Weil man dort Wasser braucht, werden an den Förderanlagen große Mengen davon in den Boden gepumpt. Für jedes Barrel Öl (159 Liter), das später nach Europa exportiert wird, sind bis zu drei Barrel Wasser nötig. Während die Ölausfuhren des Irak steigen, sinkt der Wasserspiegel in einigen Regionen dramatisch.Mit dem „italienischen Unternehmen“ ist ein Betrieb des Energiemultis Eni gemeint, der seit 2009 im Irak präsent ist. Die Auswertung von Satellitenbildern zeigt, wie im Vorjahr ein kleiner Damm im Auftrag von Eni gebaut wurde, um Wasser aus dem Basra-Kanal umzuleiten. Damit soll die saisonale Überschwemmung des Gebiets verhindert werden, in dem der Fischer Mutir einst seine Fanggründe wusste. Eine weitere Förderanlage, die von Ölunternehmen wie BP und ExxonMobil genutzt wird, ist für 25 Prozent des täglichen Wasserverbrauchs in einem Bezirk verantwortlich, in dem fünf Millionen Menschen leben.Hinzu kommt der Komplex Qarmat Ali, etwa zehn Kilometer südlich des Eni-Standorts und betrieben von der Rumaila Operating Organization (ROO), die im Auftrag von BP, PetroChina und South Oil Company of Iraq arbeitet. In diesem Fall kommt das Wasser direkt aus dem Abd-Abdullah-Kanal, der Süßwasser aus einem Fluss aufnimmt und schließlich den Schatt al-Arab erreicht, den Zusammenfluss von Euphrat und Tigris und damit Basras entscheidende Wasserressource.Wasserkrise im IrakIn einer Erklärung legte Eni jüngst Wert auf die Feststellung, dass man kein Frischwasser verwende, stattdessen Wasser aus den Kanälen, das salzig und verschmutzt sei, daher nicht für eine andere Verwendung in Frage komme. Doch lässt sich aus Satellitenbildern ersehen, wie Wasser aus den Kanälen, das die Anlagen von Eni versorgt, einige Kilometer südlich wieder einer öffentlichen Wasseraufbereitungsanlage zugeführt wird. Und die liefert 35 Prozent des Wassers, das für die privaten Haushalte in Basra benötigt wird. Wer würde da nicht von einer sich abzeichnenden Wasserkrise sprechen, die im Irak seit Längerem gut dokumentiert ist? Im Jahr 2012 bereits ging die U. S. Energy Information Administration (EIA) davon aus, dass sich der Wasserbedarf des Landes für die Ölförderung verzehnfachen werde. Ohne Alternativen, hieß es da, müsse „das Wasser aus lokalen Grundwasseradern stammen“. Diese Entnahme werde mit dem Bedarf für Landwirtschaft und Grundversorgung konkurrieren.Trotz dieser eindeutigen Prognose wurde wenig getan. Im Jahr 2018 führte eine akute Wasserkrise in Basra dazu, dass fast 120.000 Menschen vorübergehend medizinisch behandelt werden mussten. Es kam zu teils gewalttätigen Protesten, als Demonstranten Benzinbomben auf Regierungsgebäude warfen und Sicherheitskräfte mit scharfer Munition reagierten, so dass mindestens fünf Menschen ums Leben kamen.„Insgesamt ist das Volumen der erforderlichen Wasserinjektionen bei der Ölförderung nicht riesig, aber in ohnehin wasserarmen Gegenden natürlich ein ernsthaftes Problem“, so Robin Mills, Geschäftsführer von Qamar Energy, einem unabhängigen Beratungsunternehmen. „In Basra, wo es eine schreckliche Wassernot gibt, sollten Ölunternehmen grundsätzlich Alternativen zu Süßwasser finden.“ Die gibt es durchaus. In Saudi-Arabien, dem Land mit den drittgrößten Ölreserven weltweit, wird Wasser für Injektionszwecke aus dem Meer entnommen. Im Irak wabert seit gut einem Jahrzehnt eine Debatte über eine solche Anlage, doch mündete das bislang in kein Planungsstadium – es blieb bei Erwägungen. „Das Ölministerium verfügt nicht über das nötige Budget, und die Ölkonzerne wollen nicht dafür zahlen“, weiß Robin Mills.Placeholder authorbio-1