Schluss mit dem Gebummel: Her mit dem Fußschnellweg!

Kolumne Für Autos gibt es sie schon ewig, die Fahrräder bekommen sie gerade – nur, wer sich per pedes bewegt, muss auf Power-Routen noch verzichten. So geht das nicht weiter, findet unsere Kolumnistin
Ausgabe 42/2023
Endlich auch einen für diejenige, die läuft!
Endlich auch einen für diejenige, die läuft!

Foto: Imago/serienlicht

Die Ratgeberin

Susanne Berkenheger war früher Netzliteratin (Zeit für die Bombe) und Satirikerin (SPAM bei Spiegel online)Für den Freitag schreibt sie sehr gerne ihre Kolumne „Die Ratgeberin“.

Alles begann damit, dass ich an einem Spätsommermorgen kurz glaubte, der neue Berliner Senat habe am Lützowplatz einen Hürdenradweg errichtet. Wie über Nacht war dort etwas einbetoniert worden, das ich erst im letzten Moment als Absperrung des dahinter liegenden rot gepflasterten Hochbordradwegs erkannte. Als eine von geschätzt drei Berlinern befuhr ich dieses historische, circa 30 Zentimeter breite Bauwerk täglich, so gut es ging, denn er besteht zu großen Teilen aus Baumwurzeln. Der Verlust dieses Radwegs ist zu verschmerzen. Ich frage mich nur, was nun mit ihm passiert. Wird er komplett für Baumwurzeln freigegeben? Oder will ihn der Fachverband Fußverkehr Deutschland (FUSS e.V.) für seine Mitglieder nutzen? Die sind dort bisher rar.

Anderswo dagegen, lieber FUSS e.V., was für ein Traum wäre da ein doppelter Gehweg, etwa in meinem Heimkiez. Dort ist der professionelle Fußverkehr fast völlig zum Erliegen gekommen. Touristische Flanierer, Kinderwagenschieber, entschleunigte Hunde, Leute, die feiern, trinken, essen, telefonieren, sich umarmen, torkelnde kleine und große Menschen – auch ich gehöre oft zu diesem Freizeit-Amalgam –, verstopfen die Hauptfußverkehrsadern. Genau so, wie in den umfangreichen Berliner Fußverkehrskonzepten auch vorgesehen: In Kreuzberg wurde soeben das nächste Verweil-Projekt fürs „Entschleunigen und Flanieren im öffentlichen Raum“ beschlossen.

An professionelle Fußgänger aber, die Fortbewegung im Sinn haben und – oft mit schweren Einkaufstüten bestückt – nicht ent-, sondern beschleunigen wollen, denkt offenbar niemand. Die müssen auf die Straße ausweichen, wo sie von anderen professionellen Verkehrsteilnehmern als ziemlich unprofessionell angesehen werden. Hier, lieber FUSS, gibt es Nachholbedarf. Für den Radpendelverkehr entstehen in ganz Deutschland derzeit Radschnellwege. So ein Radschnellweg „ist kein Urlaubsradweg“, betont etwa der Potsdamer Verkehrsbeauftragte Torsten von Einem. Und genau so etwas muss es auch für ernsthafte Fußgänger geben: Fußschnellwege.

Aus Vorfahrt wird Vorschritt

Vielerorts könnte man jetzt schlicht die alten Hochbordradwege dafür nutzen. Auf so einem Fußschnellweg wäre dann Essen und Handynutzung untersagt. An vielen Kreuzungen hat man dann als Fußschnellgänger Vorfahrt, also Vorschritt – fantastisch! Allerdings, das ist der Nachteil aller fantastischen Sachen, Neid und Gier können sie schnell in den Abgrund reißen. Die Radschnellwege sind das beste Beispiel. Vielerorts sind sie noch nicht mal gebaut, da gibt sie schon das erste Bundesland, nämlich Nordrhein-Westfalen, auch für motorisierte S-Pedelecs frei, falls kommunal gewünscht. Stephanie Krone vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) mahnt, dass die „auf keinen Fall den unmotorisierten Radverkehr verdrängen oder gefährden“ dürften.

Wie wird das erst, wenn bald auch kleine Autos auf dem Radschnellweg zugelassen sind – mit ihren kleinen schnellen Rädern? Dann könnten von der einen Seite die unmotorisierten Radfahrer auf den Fußschnellweg drängen und von der anderen Skater, Waveboarder und dergleichen. Deshalb, verehrter Fußgängerverband, muss ein Fußschnellwegenetz her, mit einem kompletten Rad- und Rollenverbot. Als letzte Bastion des Fußverkehrs – natürlich nur, wenn die nervigen Absperrungen am Lützowplatz wieder abmontiert werden.

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