Es gibt diesen Roman von David Lodge, an den ich jetzt denken muss: The British Museum is Falling Down. Die Institution wankt, seit sie zugeben musste, dass bis zu 2.000 Objekte aus der Sammlung verschwunden sind. Unter Verdacht steht ein ehemaliger Kurator. Direktor Hartwig Fischer ist zurückgetreten, eine polizeiliche Untersuchung ist im Gange. Im Museum herrscht Verzweiflung. Die Wissenschaftler verwenden ihre Fähigkeiten jetzt darauf, vermisste Gegenstände bei Ebay aufzuspüren und wiederzufinden.
Draußen wütet ein Sturm. Das Museum sieht sich einem Trommelfeuer von beiden Seiten der politischen Kluft im Vereinigten Königreich und international ausgesetzt. In Peking fordert eine staatsnahe Zeitung die Rückgabe chinesischer Artefakte; von Athen bis
kte; von Athen bis Nordwales gab es Aufrufe, Objekte zu repatriieren. Da das Museum nicht in der Lage sei, seine eigene Sammlung zu bewahren, dürfe es gar nichts verwahren. Einige gehen weiter und sagen, das Museum sei institutionell von Diebstahl durchdrungen: Da große Teile seiner Sammlung unter kolonialen Bedingungen unrechtmäßig erworben wurden, sollte es niemanden überraschen, wenn sich seine modernen Verwalter ebenfalls als Diebe erweisen.Von rechts kommt ein anderer Aufschrei: Das Museum habe eine Aufgabe zu erfüllen – seine Objekte zu schützen –, und es habe versagt, weil es zu sehr damit beschäftigt sei, sich um Black Lives Matter zu kümmern und sich für die Sklaverei zu entschuldigen. Der Daily Mail zufolge resultieren die mutmaßlichen Diebstähle – irgendwie – direkt aus der Tatsache, dass diejenigen in einflussreichen Positionen „unsere Vergangenheit hassen und verachten“. Bei der medialen Empörung geht es kaum um die Objekte selbst. Vielmehr hat sich das British Museum durch institutionelle Versäumnisse in eine Lage gebracht, die Kultureinrichtungen wie der BBC und dem National Trust bedrückend vertraut sein dürfte. Es ist zu einem Stellvertreter für die Kulturkriege geworden. Und es wird auf diesem Schlachtfeld viele Wunden davontragen, bevor dieser Skandal aufgeklärt ist.Die Rolle des ehemaligen Schatzkanzlers George OsborneAber bleiben wir für einen Moment bei dem Wort „Kurator“. Es stammt aus dem Lateinischen und bezeichnet eine Person, die sich um etwas kümmert, Fürsorge leistet. Es hat einen rasanten Bedeutungswandel erfahren, inzwischen wird alles kuratiert, von Musikfestivals und Magazinen bis hin zu Lippenstiftserien und Weinkarten. Der reale Beruf des Museumskurators ist derweil unter dem Stilettoabsatz der Tory-Regierung fröhlich zermalmt worden. Museumskuratoren, Wissenschaftler und Registratoren haben die endlosen Kürzungen der Tory-Regierung ertragen müssen. Infolgedessen hatten im British Museum immer weniger Kuratoren immer mehr Arbeit zu erledigen. Eine hoch spezialisierte Stelle mit Schwerpunkt auf das Ägypten der griechisch-römischen Epoche ist aktuell für 32.000 Pfund im Jahr ausgeschrieben. Nichts davon soll die mutmaßlichen Diebstähle entschuldigen. Hat ein Kurator aus der Sammlung gestohlen, bliebe das der ultimative Vertrauensbruch.Placeholder image-1Die ultimative Ironie aber, der Elefant im Raum? Der Aufsichtsratschef dieses untergehenden Museums ist George Osborne, der ehemalige Schatzkanzler und jetzige Multimillionär und Fondsmanager. Als er 2017 einen Job bei BlackRock annahm, erhielt er einen Tagessatz von 13.000 Pfund – verdiente in drei Tagen also mehr, als der neue Kurator des British Museum in einem Jahr verdienen wird. Als Kanzler stand er hinter den „Austeritäts“-Kürzungen im öffentlichen Dienst und in Kultureinrichtungen ab 2010. Das war kein Diebstahl. Es war vorenthaltene Fürsorge – in großem und unverzeihlichem Ausmaß.