Online-Date-Detektivinnen: Warum gerade Frauen so verrückt nach True-Crime sind
Verbrechen Studien zeigen, dass vor allem Frauen True-Crime-Storys konsumieren. Dieses Interesse fällt mit dem leichteren Zugang zu Online-Datings zusammen. Gibt es möglicherweise einen Zusammenhang?
Frauen lieben echte Kriminalfälle. Laut Studien aus den vergangenen Jahren besteht das Publikum rund um den Hype von „True Crime“-Podcasts, -Büchern und -TV-Shows zum Großteil aus Frauen. Es ist fast ein Klischee: das Bild einer Frau, die mit einem Glas Rotwein dasitzt, fasziniert von einem der zahllosen Angebote des Genres.
Die Wissenschaft bietet zahlreiche Theorien dazu an, was Frauen so stark an Geschichten über Serienkiller, Mord und Vergewaltigung anzieht. Ein möglicher Grund ist demnach, dass Frauen sich mit den Opfern von Gewaltverbrechen identifizieren, weil sie häufig selbst Opfer solcher Verbrechen werden. In den USA werden jeden Tag fast drei Frauen von ihrem Beziehungspartner getötet. Nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC
46;rde CDC haben mehr als die Hälfte der Frauen sexuelle Gewalt erlebt. Und 70 Prozent der Opfer von Serienmördern sind Frauen.Studien zufolge erleben Frauen durch den Konsum wahrer Kriminalgeschichten eine Katharsis. Sie verarbeiten so die von ihrer eigenen Verletzlichkeit ausgelösten Ängste und vielleicht auch ihre Wut darüber, was anderen Frauen widerfahren ist. Geschichten über wahre Verbrechen werden zudem als Aufklärung darüber betrachtet, wie man nicht zum Opfer wird.Keine dieser Hypothesen klingt falsch, aber: Warum gerade jetzt? Auffällig ist, dass der Anstieg des Interesses von Frauen an True Crime mit der Zunahme von Online-Dating zusammenfällt. Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren ist das der Fall. Dating-Apps sind die Nummer eins bei den möglichen Wegen, auf denen die Menschen in den USA auf Partnersuche gehen. Serial, die Mutter des True-Crime-Podcast-Trends, wurde 2014 zur gleichen Zeit zu einem Riesenhit, als Tinder, auf dem Markt seit 2012, den Mainstream eroberte.Dating-Apps bergen ein RisikoDates, die man früher Verabredungen nannte, waren für Frauen nie völlig sicher. Heutzutage treffen sich Frauen regelmäßig mit Männern, die ihnen so gut wie unbekannt sind, was angsteinflößend sein kann. Vor den Dating-Apps lernten sich Menschen durch gemeinsame Bekannte und gesellschaftliche Beziehungen kennen. Blind Dates waren nicht ungewöhnlich, aber seltener. Heute lernen die meisten Frauen Männer über Dating-Apps kennen. Dort ist Catfishing – mithilfe einer gefälschten Online-Identität und betrügerischer Absicht ein Opfer aussuchen – und Romantikbetrug nicht nur möglich, sondern üblich. Dating-Apps überprüfen die Benutzer*innen nicht, obwohl die meisten Frauen sagen, dass sie sich das wünschen. Das setzt diese einem nicht unbedeutenden Risiko aus – und zwar regelmäßig, wenn sie sich häufiger mit Männern treffen.Aus der Notwendigkeit heraus werden Frauen zu Amateurdetektivinnen, die beeindruckend versiert darin sind, den Hintergrund der Personen, die angeblich zu ihnen passen, und potenzielle Verabredungspartner zu recherchieren. Sie identifizieren sich ebenso mit den Detektivinnen in True-Crime-Geschichten wie mit den Opfern. Von etwa hundert Frauen, die zum Thema Online-Dating interviewt wurden, äußerten viele diesen oder ähnliche Sätze: „Jede Frau, die ich kenne, könnte beim FBI angestellt sein.“ Gemeint ist die Fähigkeit, herauszufinden, was die wahre Geschichte hinter dem Profil ist, was ein Mann auf einer Dating-App zum Besten gibt.„Ich fange damit an, die Männer zu googeln und ihre Profile in den sozialen Medien und auf LinkedIn anzugucken“, erzählt etwa eine junge Frau Mitte zwanzig. „Dann führe ich eine umgekehrte Bildersuche durch, um zu sehen, ob das Bild wirklich ihn zeigt.“ Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass 73 Prozent der online datenden Frauen die Personen, mit denen sie gematcht wurden, überprüften. Von dieser Gruppe sagte die Hälfte, sie habe schon einmal jemanden aufgrund der Rechercheergebnisse abgelehnt.Den Betrüger entlarven„Wenn ich misstrauisch werde“, erzählt eine Frau über dreißig, „nutze ich manchmal auch eine Suche im Strafregister oder im öffentlichen Register.“ Internetseiten zur Hintergrundprüfung wie TruthFinder seien zwar teuer, „aber manchmal bezahle ich dafür. Ich will ja nicht getötet werden – oder von jemandem hereingelegt werden, der verheiratet ist.“ Frauen, die im Digitalzeitalter daten, wollen verhindern, dass ihnen echte Verbrechen zustoßen. Aber sie haben auch Fähigkeiten als Spürnasen entwickelt, um herauszufinden, ob sie betrogen werden – was Smartphones, soziale Medien und Dating-Apps deutlich einfacher machen.„Die wirklich spannende Frage ist, ob er sich mit einer anderen Frau trifft“, erzählt eine junge Frau. „Es gibt kein Vertrauen mehr. Das ist der Grund, warum so viele Frauen die Handys ihrer Männer und Freunde kontrollieren.“ Mit zahlreichen Apps lassen sich die Telefone von betrügenden Ehepartnern überprüfen, etwa mSpy oder Hoverwatch. Und auf Google und Youtube finden sich Hunderte Internetseiten und Videos mit Titeln wie „Wie Sie herausfinden, ob Ihr Partner auf Dating-Webseiten unterwegs ist“. 2023 veröffentlichte Mikayla Miedzianowski aus Tampa in Florida ein viral gehendes TikTok-Video darüber, wie sie den Betrug ihres Freundes aufdeckte. Sie tat das mithilfe einer Facebook-Gruppe namens „Daten wir den gleichen Mann?“, in der Hunderttausende Frauen in Städten auf der ganzen Welt für ihre Online-Dating-Communitys Detektiv spielen.Offenbar spielten auch einige berühmte Frauen Detektiv, um einen Betrüger zu ertappen. Das Sänger-Ehepaar Gwen Stefani and Gavin Rossdale verkündete 2015 seine Trennung, weil die No-Doubt-Frontfrau bemerkte, dass Rossdale sie mit dem Kindermädchen betrogen hatte.Situationships und feste BeziehungenLaut der US-Zeitschrift Vanity Fair fand sie „explizite Texte“ und Pläne, „sich zum Sex zu treffen“, auf dem gemeinsam genutzten iPad der Familie. In einer Zeit, in der „Situationsbeziehungen“ – gemeint sind lockere oder unbestimmte Beziehungen – ebenso üblich zu sein scheinen wie feste, ist die Sorge, ob ein Partner fremdgeht, noch quälender geworden. „Niemand muss mehr sagen, ob er mit weiteren Personen eine Beziehung führt“, erzählt eine weitere Frau, die anonym bleiben will. „Das macht uns verrückt, dass wir ständig versuchen, es online herauszufinden.“Und dann ist da noch der Wunsch, zu wissen, ob der Ex-Freund – an den man wegen seiner Online-Präsenz mehr als je zuvor erinnert wird – sich mit einer Neuen trifft. Der TikTok-Comedian „Peter Nugget“ veröffentlichte ein Video (mit fast neun Millionen Aufrufen) mit dem Titel „POV: the FBI friend“. Darin sagt eine Frauenstimme: „Oh, mein Gott, weißt du was? Ich habe gehört, mein Ex hat eine neue Freundin.“Daraufhin hält Peter mit einer blonden Perücke auf dem Kopf seinen Computer hoch und antwortet blitzschnell: „Ihr Name ist Emily Sanchez. Sie hat einen Abschluss von der UPenn, arbeitet bei einer Anwaltskanzlei namens Kirkland und Ellis und kauft bei Lululemon ein. Ihr Lieblingsfilm war ,Titanic‘, bis ihre Mutter bei einem Bootsunglück starb, als sie zehn Jahre alt war!“Ohne Zweifel wird diese „FBI-Freundin“ mehrere Folgen eines True-Crime-Podcasts wie Secrets, Lies and Alibis verschlingen.Placeholder authorbio-1