„Unser Land wird unter Wasser stehen“: Klimaflüchtlinge aus Tuvalu dürfen nach Australien

Klimaflucht Australien wird den vom Klimawandel betroffenen Menschen der Pazifiknation Tuvalu eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Das sieht ein neuer, weitreichender Sicherheitspakt der beiden Länder vor. Die australischen Grünen sehen Heuchler am Werk
Es wird eng auf Tuvalu…
Es wird eng auf Tuvalu…

Foto Mario Tama/ Getty Images

Australien wird den vom Klimawandel betroffenen Menschen in der niedrig gelegenen Pazifiknation Tuvalu eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. So sieht es ein weitreichendes neues Abkommen vor, das auch enge Sicherheitsbeziehungen zwischen den beiden Ländern beinhaltet. In einer Zeit, in der viele Staats- und Regierungschefs im Pazifikraum Australien drängen, stärkere Maßnahmen gegen den fossilen Sektor zu ergreifen, erkennt der Vertrag ausdrücklich die Anfälligkeit Tuvalus bei einem steigenden Meeresspiegel an.

Tuvalu ist ein Land mit neun niedrig gelegenen Inseln im Zentralpazifik, etwa auf halbem Weg zwischen Australien und Hawaii. Es hat etwa 11.200 Einwohner. Australien wird jährlich bis zu 280 Menschen eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erteilen. Canberra hat aber auch versprochen, den Bürgern von Tuvalu zu helfen, „in Sicherheit und Würde in ihren Häusern bleiben zu können.“

Der australische Premierminister Anthony Albanese erklärte, das Abkommen werde auch den Status seines Landes als „bevorzugter Sicherheitspartner“ von Tuvalu festigen, indem es dem Land eine Art Sicherheitsgarantie bietet. Wieso sind die australischen Grünen dann bloß so sauer?

Anthony Albanese hat China ausgetrickst

Der neue Vertrag, der am 10. November vorgestellt wurde, sieht vor, dass Australien auf größere Naturkatastrophen beim benachbarten Inselstaat, dortige Pandemien oder „militärische Aggressionen gegen Tuvalu“ reagiert.

Im Gegenzug zu dieser Sicherheitsgarantie muss Tuvalu mit Australien „eine Vereinbarung treffen“, wenn es mit einem anderen Land sicherheits- und verteidigungsrelevante Angelegenheiten regeln will. Diese Themen sind weit gefasst. Sie umfassen: Verteidigung, Polizeiarbeit, Grenzschutz, Cybersicherheit und kritische Infrastruktur, einschließlich Häfen, Telekommunikation und Energieinfrastruktur.

Das australische Militär könnte Zugang zu dem Land erhalten und dort präsent sein, wenn solche Aktivitäten als notwendig erachtet werden, um die von dem Pazifikstaat angeforderte Unterstützung zu leisten. Das Abkommen wird als strategischer Gewinn für die australische Regierung gewertet – und das zu einer Zeit, in der sich China energisch um engere Beziehungen zu den pazifischen Inselstaaten bemüht.

Die Obergrenze liegt bei 280 Migranten im Jahr

Die Unterzeichnung eines Sicherheitspakts zwischen Peking und den Salomonen im vergangenen Jahr hat das australische Verteidigungsministerium aufgeschreckt und Albaneses Labor-Regierung dazu veranlasst, die Beziehungen zu ihren pazifischen Nachbarn zu intensivieren.

Albanese kündigte diese Pläne nach dreitägigen Gesprächen mit anderen Staats- und Regierungschefs der Pazifikregion auf einem regionalen Gipfel auf den Cookinseln an, bei dem die Klimakrise eines der wichtigsten Themen auf der Tagesordnung war.

Die Beziehungen zwischen Australien und Tuvalu wurden in eine neue Partnerschaft überführt, die als „Falepili-Union“ bezeichnet wird: Dabei handelt es sich um ein Wort aus dem Tuvaluischen, das für gute Nachbarschaft, Fürsorge und gegenseitigen Respekt steht. Albanese sagte, die neue Union erkenne die „besonderen und einzigartigen Herausforderungen“ an, mit denen Tuvalu konfrontiert sei und die mit dem Klimawandel zusammenhingen – einschließlich der geografischen Abgeschiedenheit und der knappen natürlichen Ressourcen.

Die erweiterte Partnerschaft wurde von Tuvalu beantragt, so dessen Premierminister, „um die Zukunft der Menschen, der Identität und der Kultur von Tuvalu zu sichern.“ Aus tuvaluischen Regierungskreisen heißt es, man erwarte nicht, dass alle Einwohner nach Australien umziehen würden. Mit anderen Worten: Eine „Massenmigration“ ist unwahrscheinlich. Vielmehr rechne man mit einer „Migration in Würde“ bei denjenigen, die reisen wollen.

Albanese traf sich vor zwei Tagen mit dem Premierminister von Tuvalu, Kausea Natano, der sich selbst als „Führer eines Landes, das unter Wasser stehen wird“ bezeichnete, wenn die Welt die Klimakrise nicht in den Griff bekommt.

Der australische Premierminister Anthony Albanese (zweiter von links) und sein tuvaluischer Amtskollege Kausea Natano präsentieren den Sicherheitsvertrag zwischen ihren beiden Ländern

Foto: Picture Alliance

Das vielschichtige Abkommen sieht eine eigene Visakategorie für 280 Bürger aus Tuvalu pro Jahr vor, um einen dauerhaften Aufenthalt in Australien zu erlangen. Inklusive dem Recht zu studieren und zu arbeiten sowie Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Aus australischen Regierungskreisen hört man, Tuvalu werde selbst entscheiden, welche Bürger Zugang zu dem neuen Visumsverfahren erhalten.

Natano, der am 10. November zusammen mit Albanese auf den Cook-Inseln auftrat, sagte, das System solle die Abwanderung von Fachkräften in der Pazifiknation verhindern. „Das Engagement Australiens für die Menschen in Tuvalu ist unbeschreiblich und hat uns zutiefst berührt“, sagte Natano. Tuvalu ist eines der wenigen Länder im Pazifik, das formelle diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält, während die Salomonen in den letzten Jahren zu China übergelaufen sind.

Tuvalu Coastal Adaptation Project: Mehr Küstenschutz soll den Inselbewohnern das Bleiben ermöglichen

Natano erklärte auf der Pressekonferenz, dass Tuvalu auch weiterhin diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhalten werde. Allerdings sei China an sein Land herangetreten, um Beziehungen zu knüpfen.

Die australische Zusage beinhaltet auch eine weitere Zusammenarbeit beim „Tuvalu Coastal Adaptation Project“: Das Projekt will die Widerstandsfähigkeit der Küsten auf drei der neun bewohnten Inseln von Tuvalu stärken und die Risiken von Küstenüberschwemmungen verringern. Die Idee ist, die Landmasse um sechs Prozent zu vergrößern, um mehr Platz für Wohnungen und andere wichtige Dienstleistungen zu schaffen. Das soll den Menschen ermöglichen, angesichts des Anstiegs des Meeresspiegels in Tuvalu zu bleiben.

Die Klimakrise wird von den pazifischen Ländern immer wieder als ihre größte Sicherheitsbedrohung genannt, und viele in der Region sind besorgt über die Genehmigung neuer Kohle- und Gasprojekte durch Australien. Der Vorsitzende der australischen Grünen, Adam Bandt, reagierte auf die Ankündigung mit den Worten: „Es wäre noch besser, wenn Labor den Schaden gar nicht erst verursachen und keine neuen Kohle- und Gasminen mehr genehmigen würde.“

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Geschrieben von

Daniel Hurst und Josh Butler | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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