Putschisten in Niger beschuldigen Frankreich, eine Militärintervention zu planen

Militärputsch in Niger Die Militärregierung unter General „Omar“ Tchiani sieht Paris hinter Drohungen der ECOWAS-Staaten, notfalls mit Gewalt eine Rückkehr des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum durchzusetzen. Das Ultimatum läuft am Wochenende ab
In Nigers Hauptstadt Niamey wird auch die russische Fahne geschwenkt
In Nigers Hauptstadt Niamey wird auch die russische Fahne geschwenkt

Foto: AFP/Getty Images

Emmanuel Macron hat sich für eine ungewöhnlich scharfe Sprache gegenüber der Junta in Niger entschieden. Das gilt besonders für die Ankündigung, dass es „sofortige und kompromisslose Maßnahmen“ geben werde, wenn in Niger französische Bürger oder Interessen angegriffen würden, nachdem sich am Wochenende tausende Protestierende vor der französischen Botschaft versammelt hatten.

Nachrichtenagenturen berichteten, dass bei im Fernsehen übertragenen Kundgebungen am vergangenen Sonntag antifranzösische sowie prorussische Parolen gerufen wurden. Die Demonstranten, von denen einige russische Flaggen trugen, sind überzeugt, dass es Frankreich als traditioneller Verbündeter des Landes versäumt habe, sie ausreichend vor den Dschihadisten zu schützen. Sie halten Russland für einen stärkeren Partner. Der Putsch in Niger stellt eine ernsthafte Bedrohung für die französische Strategie in der Sahelzone dar. Schließlich haben Militärregierungen in anderen Ländern der Region Frankreich bereits dazu gezwungen, seine jahrzehntelange Militärpräsenz und „antidschihadistische Mission“ zu überdenken.

Gescheiterte antidschihadistische Mission in der Sahelzone

Alles begann im Januar 2013, als der damalige sozialistische Präsident François Hollande Truppen gegen Dschihadisten in Mali marschieren ließ. In den vergangenen drei Jahren haben mehrere Militärputsche in der Sahelzone sowie eine anhaltende dschihadistische Präsenz, zusehends die Grenzen der französischen Strategie offenbart. Frankreich sah sich dazu gezwungen, seine Truppen in der Region zu reduzieren und die Bemühungen auf Niger zu konzentrieren – mit Präsident Mohamed Bazoum als Verbündetem. Über 1.500 französische Soldaten stehen in dem Land und unterhalten einen Luftwaffenstützpunkt in der Nähe von Niamey.

In Mali führte ein Staatsstreich im Jahr 2020 zu einer diplomatischen Pattsituation mit Frankreich, das seine Truppen im vergangenen Jahr abzog. Es folgte der Abzug aus Burkina Faso, nachdem dort im Vorjahr zweimal geputscht wurde, bis eine Junta unter Führung des 34-jährigen Ibrahim Traoré die Regierung übernahm, um einer nationalistischen Linie zu folgen.

Niagalé Bagayoko, Politikwissenschaftler und Verteidigungsexperte, erklärte im Interview mit dem Radiosender France Inter, dass die zur Bekämpfung dschihadistischer Aufstände gegründete G5-Staatengruppe im Sahel inzwischen mehrheitlich aus Militärregierungen besteht. Sie betonte, dass Frankreich sein militärisches Engagement in Niger unter den gegebenen Umständen nicht fortsetzen könne. Ohnehin würde Paris seit mehr als zwei Jahren seine Anwesenheit in der Region überdenken. Ausländische Truppen, darunter aus den USA und EU-Staaten, seien wie die Franzosen in der Bevölkerung unbeliebt, was sich darin zeige, dass die Menschen ihren Abzug wollten.

Der Schriftsteller und Analyst Seidik Abba meinte gegenüber France Inter, das größere Problem für Paris bestehe darin, dass es wegen der schlechten Ergebnisse seiner Militär- und Sicherheitsmaßnahmen gegen die Dschihadisten zum Sündenbock gemacht werde. Die Strategie in der Sahelzone sei eine sicherheitspolitische und militärische gewesen, obwohl es in Wirklichkeit „nicht nur um Sicherheit und Militär ging, sondern auch um Entwicklung, Gerechtigkeit und Staatsführung“.

Nigers Militärjunta erhebt Anschuldigungen gegen Frankreich

Die Militärjunta, die die Macht in Niger übernommen hat, hat Frankreich beschuldigt, eine militärische Intervention zur Wiedereinsetzung des abgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum zu planen, während die Spannungen in der Region nach dem Staatsstreich weiter zunehmen.

Die Junta erklärte im Staatsfernsehen, Frankreich suche „nach Mitteln und Wegen, um in Niger militärisch zu intervenieren“ und habe ein Treffen mit dem Stabschef der nigrischen Nationalgarde abgehalten, „um die notwendige politische und militärische Genehmigung zu erhalten“.

Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna bestreitet derartige Absichten. „Das ist falsch“, sagte sie Anfang der Woche dem Nachrichtensender BFMTV und fügte hinzu, dass es immer noch möglich sei, den demokratisch gewählten Präsidenten Nigers wieder an die Macht zu bringen. „Und es ist notwendig, weil eine Destabilisierung für Niger und seine Nachbarn gefährlich ist.“

ECOWAS-Ultimatum – noch vier Tage

Inzwischen teilte die Partei von Präsident Mohamed Bazoum mit, dass mehrere Minister der gestürzten Regierung festgenommen worden seien, darunter der Bergbauminister. Niger ist weltweit der siebtgrößte Produzent von Uran, dem radioaktiven Metall, das häufig in der Kernenergie und bei Krebsbehandlungen eingesetzt wird.

Der tschadische Präsident Mahamat Idriss Déby, der nach Niger geflogen war, um zu vermitteln, veröffentlichte am Montag die ersten Bilder von Bazoum seit seinem Sturz, die ihn lächelnd und offenbar unversehrt zeigen. Déby erklärte, er habe sich mit Bazoum und dem Chef der Militärregierung Abdourahamane „Omar“Tchiani getroffen, um Wege zu erkunden, die zu „einer friedlichen Lösung führen“, ohne näher darauf einzugehen, was darunter zu verstehen ist.

Währenddessen läuft das Ultimatum der Gemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) ab, die der Junta in Niamey eine Woche Zeit gegeben haben, um sich zurückzuziehen, und „alle Maßnahmen“ ergreifen will, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. Es bleiben noch vier Tage.

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Angelique Chrisafis, Oliver Holmes | The Guardian

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