Von der Führung der Streitkräfte in der afrikanischen Republik Niger waren deutsche Militärs bis vor kurzem recht angetan. Noch im November 2022 ließ sich Eberhard Zorn, damaliger Bundeswehr-Generalinspekteur, in Niger vom Kommandeur der dortigen Spezialkräfte, Moussa Salaou Barmou, die Fähigkeiten seiner Soldaten zeigen. 900 Soldaten dieses nigrischen Korps hatten bei Bundeswehroffizieren eine Ausbildung für den Anti-Terror-Kampf gegen Dschihadisten absolviert.
General Barmou galt als verlässlicher Verbündeter – bis zum Donnerstag vergangener Woche, als das Militär in der 25,4 Millionen Einwohner zählenden Republik revoltierte. Zu den Putschisten gehört auch Barmou, wovon selbst die Amerikaner überrascht schienen. US-Mi
nen. US-Militärs hatten den charmanten General stets für einen treuen Bundesgenossen gehalten. In den Jahren 2007/08 konnte er eine Fortbildung an der National Defense University in Washington absolvieren. Am 27. Juli jedoch hatten Mitglieder der Präsidentengarde zunächst Mohamed Bazoum, den bisherigen Staatschef von Niger, festgesetzt. Kurz darauf schloss sich der Generalstab dem Staatsstreich an. Die neuen Machthaber formierten ein „Nationales Komitee für die Rettung des Volkes“ unter Führung des Chefs der Präsidentengarde, General Omar Tchiani. Die Putschisten werfen dem „bisherigen Regime“ schlechte Regierungsführung vor. Dies habe zu einer elenden sozialen und wirtschaftlichen Situation geführt und eine „Verschlechterung der Sicherheitslage“ bewirkt. Nigers neue Machthaber setzen sich damit an die Spitze einer Bewegung, die auf eine massive Unzufriedenheit in der Bevölkerung zurückzuführen ist. Uran aus dem Niger für französische AtomkraftwerkeDie Republik Niger ist einer der ärmsten Staaten weltweit und wird von den Vereinten Nationen zu den LIFDC-Ländern mit geringem Einkommen und Lebensmitteldefizit gerechnet. Außerhalb der Hauptstadt Niamey ist es Regierungstruppen nicht mehr möglich, das Land flächendeckend zu kontrollieren. Vielerorts können bewaffnete Banden sowie Dschihadisten ungehindert agieren und die Bevölkerung terrorisieren. Finanzspritzen westlicher Länder vermochten die Lage nicht spürbar zu ändern. Die deutsche Regierung hat zuletzt acht Millionen Euro in Armeegebäude und 43 Millionen in Fahrzeuge, Bewaffnung und Ausrüstung der nigrischen Streitkräfte investiert. Weit höher liegt der Einsatz der Vereinigten Staaten. Seit 2012 haben sie mehr als 500 Millionen Dollar an „Sicherheitshilfen“ für Niger ausgegeben. Das ist eines der größten US-Programme in der subsaharischen Region.Allerdings sind die Sicherheitskräfte Nigers seit jeher in rivalisierende Fraktionen zersplittert, schlecht koordiniert und ohne parlamentarische Kontrolle. Immer schon stand die fragile Staatlichkeit des Landes in einem offenkundigen Kontrast zum starken Einfluss Frankreichs, dem große Teile der nigrischen Gesellschaft mittlerweile eine Politik des Neokolonialismus vorwerfen. Frankreich hat sich 2009 den Zugriff auf die Uran-Vorräte der Imouraren-Mine in Niger gesichert, und das gegen den Mitbewerber China. Zwar wird dort noch nicht gefördert, aber die Uranminen im benachbarten Arlit liefern jährlich etwa 10 bis 15 Prozent des Bedarfs für die französischen Kernkraftwerke. Um derartige Interessen zu sichern, hat Frankreich in Niger 1.500 Soldaten stationiert. Ihr Schicksal ist jetzt ungewiss, was für die 100 Bundeswehrsoldaten in Niger ebenso zutrifft.Das wachsende Unbehagen über Frankreichs Präsenz in Westafrika kommt augenblicklich einer anderen Großmacht zugute, die vor Tagen einen Afrika-Gipfel veranstaltet hat – gemeint ist Russland. In Sankt Petersburg begrüßte Wladimir Putin am 27. und 28. Juli 17 Staatschefs, darunter für Südafrika Cyril Ramaphosa und für Ägypten Abd al-Fattah as-Sisi. Das waren zwar nur halb so viele Präsidenten wie beim ersten Afrika-Russland-Summit 2019 in Sotschi. Dennoch war in Sankt Petersburg mit 49 Teilnehmerländern eine überwältigende Mehrheit der 55 afrikanischen Staaten mit Regierungsvertretern präsent.Russland will Getreide kostenlos nach Afrika liefernPräsident Putin umwarb die Gäste mit einem Hinweis auf die „traditionell engen Bande der Freundschaft“ zwischen Russen und Afrikanern. Er erinnerte an den Beistand der Sowjetunion für den „Widerstand der Länder Afrikas gegen das koloniale Joch“ und an antikoloniale Führer wie Patrice Lumumba, Gamal Abdel Nasser, Nelson Mandela und Ghanas ersten Präsidenten Kwame Nkrumah. Putin plädierte für eine „strategische Zusammenarbeit“ Russlands und Afrikas. Der afrikanische Kontinent sei „ein neues Machtzentrum“ in einer „multipolaren Welt“. Eben deshalb begrüße er die Initiative afrikanischer Staatschefs für einen Frieden in der Ukraine, da sie zeige, dass Vermittlungsmissionen nicht mehr von den Ländern des Westens „monopolisiert“ würden. Und er kündigte an, in Äquatorialguinea und Burkina Faso russische Botschaften zu eröffnen.Burkina Faso setzt ähnlich wie das benachbarte, gleichfalls von einer Militärregierung geführte Mali auf eine enge Kooperation mit Moskau. Weil nach dem Aussetzen des Getreideabkommens der Ukraine beziehungsweise Russlands mit der UNO und der Türkei die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel steigen, will Russland jeweils 25.000 bis 50.000 Tonnen Getreide kostenlos in sechs Länder Afrikas liefern – Burkina Faso, Simbabwe, Mali, Somalia, Eritrea und die Zentralafrikanische Republik.Außer auf dem Feld der Ökonomie sollen maßgebliche Akzente künftiger Kooperation im Militär- und Sicherheitsbereich gesetzt, sprich: das vertieft werden, was Russland bereits in mehr als 40 Ländern Afrikas praktiziert. Putin bot an, gegen „extremistische Ideologien“ und „Terrorismus“ Teamarbeit von Sicherheitskräften und Geheimdiensten zu intensivieren. „Die Aufmerksamkeit Russlands für Afrika“ werde „ständig wachsen“. Den Putsch in Niger erwähnte er nicht. Doch dass Moskau im Zuge seiner afrikanischen Offensive die neue Führung in Niamey ermuntern wird, sich vom französischen Einfluss zu lösen, daran kann es nach dem Afrika-Gipfel keinen Zweifel geben.