Ehemaliger russischer Soldat enthüllt wie ukrainische Kriegsgefangene gefoltert wurden

Ukraine Konstantin Jefremow floh aus Russland, nachdem er drei Monate als Leutnant in der Oblast Saporischschja gedient hatte. Jetzt spricht er offen über das, was er in der Ukraine gesehen hat
Konstantin Jefremow war wie diese russischen Soldaten in Melitopol stationiert
Konstantin Jefremow war wie diese russischen Soldaten in Melitopol stationiert

Foto: Yuri Kadobnov/AFP via Getty Images

Ein hochrangiger russischer Leutnant, der nach seinem Einsatz in der Ukraine geflohen ist, hat beschrieben, wie die Truppen seines Landes Kriegsgefangene gefoltert und einige von ihnen mit Vergewaltigung bedroht haben. Konstantin Jefremow verließ Russland im Dezember, nachdem er drei Monate in den Teilen der südlichen Oblast Saporischschja verbracht hatte, die im Zuge von Wladimir Putins Einmarsch in die Ukraine besetzt worden waren. „Ich habe persönlich gesehen, wie unsere Truppen ukrainische Soldaten gefoltert haben“, sagte Jefremow dem Guardian in einem Telefonat. Er ist der ranghöchste Soldat, der sich bisher gegen den Krieg ausgesprochen hat und hält sich derzeit in Mexiko auf. „Ich bin erleichtert, dass ich endlich über die Dinge sprechen kann, die ich gesehen habe.“

Jefremow gehört zu einer wachsenden Zahl von Soldaten, die aus Russland geflohen sind und sich gegen den Krieg ausgesprochen haben. Der Guardian interviewte zuvor Pawel Filatjew und Nikita Tschibrin, zwei russische Vertragssoldaten, die den Krieg in ähnlicher Weise anprangern. Jefremow war zuvor in Tschetschenien in der 42. motorisierten Schützendivision der russischen Armee stationiert, wo er an der Minenräumung beteiligt war. Anfang Februar letzten Jahres, zwei Wochen vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, wurde er nach eigenen Angaben mit seiner Einheit auf die Krim geschickt, um dort an militärischen Übungen teilzunehmen, wie ihm gesagt wurde.

Er sagte, er habe versucht zu fliehen, als ihm klar wurde, dass er zum Kampf in die Ukraine geschickt werden würde. „Ich ließ meine Waffe zurück, nahm das erste Taxi und fuhr los. Ich wollte zu meinem Stützpunkt in Tschetschenien zurückkehren und meine Entlassungspapiere einreichen, weil ich gegen diesen schrecklichen Krieg war.“ Aber, so Jefremow, seine Vorgesetzten drohten ihm mit 10 Jahren Gefängnis wegen Desertion, und er beschloss, zu seiner Einheit zurückzukehren. „Es war ein Fehler, ich hätte mich mehr anstrengen müssen, um zu gehen“, sagte er. Schon bald wurde seine Einheit in das besetzte Melitopol getrieben, wo er den größten Teil der nächsten drei Monate stationiert sein sollte. Die BBC berichtete am Donnerstag erstmals über Jefremows Bericht.

„Ich war ein Feigling“

Jefremow sagte dem Guardian, er habe persönlich miterlebt, wie seine Vorgesetzten drei ukrainische Soldaten gefoltert hätten, die im April in der Stadt Bilmak nordöstlich von Melitopol gefangen genommen wurden. „Während der Verhöre wurden sie eine ganze Woche lang geschlagen, jeden Tag, manchmal sogar nachts“, sagte er. Laut Jefremow interessierten sich seine Kommandeure besonders für einen der drei Soldaten, der sich als Scharfschütze der ukrainischen Armee zu erkennen gab. „Als sie herausfanden, dass er ein Scharfschütze war, flippten sie aus. Sie schlugen ihn mit einem Holzknüppel und schossen ihm schließlich in Arm und Bein.“ Sie hätten dem Scharfschützen auch die Hose heruntergezogen und gedroht, ihn mit einem Mopp zu vergewaltigen und einen anderen russischen Soldaten zu holen, der ihn vergewaltigen würde. „Sie sagten, sie würden alles filmen und das Video an die Freundin des Scharfschützen schicken“, so Jefremow.

Der Guardian war nicht in der Lage, die Foltervorwürfe von Jefremow unabhängig zu bestätigen. Sie decken sich jedoch mit Berichten internationaler Menschenrechtsexperten über die Behandlung ukrainischer Soldat:innen und Zivilist:innen in Haft, darunter Berichte über schwere Schläge und sexuelle Gewalt. Jefremow sagte, er habe während seiner Dienstzeit im besetzten Saporischschja auch gesehen, wie russische Soldaten „alles von Konservendosen bis zu Waschmaschinen und Fahrrädern“ geplündert hätten, was andere Berichte über weit verbreitete Plünderungen durch russische Soldaten in der Ukraine bestätigte. Am 23. Mai, sagte er, sei es ihm gelungen, seine Einheit zu verlassen und aus der Armee auszutreten.

Die BBC überprüfte die von Jefremow vorgelegten Fotos, die ihn in der Region Saporischschja, einschließlich der Stadt Melitopol, zeigen, und prüfte Dokumente, die seine Darstellung des Ausscheidens aus den russischen Streitkräften stützen. Nach seinem Ausscheiden aus den russischen Streitkräften hatte Jefremow nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden, und befürchtete, in die Ukraine geschickt zu werden, nachdem Putin im September eine landesweite Mobilisierungsaktion angekündigt hatte.

„Ich wurde als Verräter denunziert, weil ich nicht Teil dieses schrecklichen Krieges sein wollte, [aber] ich wusste, dass sie mich als jemanden mit Erfahrung versuchen würden, zur Rückkehr in die Ukraine zu bewegen.“ Er sagte, er wolle fliehen und kontaktierte die Menschenrechtsgruppe Gulagu.net, die ihm half, Russland zu verlassen. Er hofft nun, über die Dinge, die er in der Ukraine erlebt hat, aussagen zu können. Es tue ihm vor allem leid, dass er in der Ukraine gekämpft habe, sagte er. „Ich entschuldige mich zutiefst beim gesamten ukrainischen Volk dafür, dass ich mit einer Waffe in ihr Haus gekommen bin“, sagte er. „Ich hätte lieber ins Gefängnis gehen sollen, als in die Ukraine zu gehen, aber in diesem Moment war ich ein Feigling. Gott sei Dank habe ich niemanden verletzt. Ich habe niemanden umgebracht.“

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Übersetzung: Alina Saha
Geschrieben von

Pjotr Sauer | The Guardian

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